2019 verließ der damalige Sänger Zoli IGNITE mit der Begründung, dass er sich von nun an um viele andere Dinge kümmern wollte. Zoli war bereits der dritte Sänger seit Gründung vor fast 30 Jahren – und wer hätte damit gerechnet, dass IGNITE es noch einmal packen würden mit einem vierten? Am 1. August 2021 postete die Band ein Lebenszeichen in Form einer grafischen EKG-Ableitung und ein paar Tage später, dass sie einen neuen Sänger hätten. Man konnte die Aufnahmen verfolgen – die Band verschwieg jedoch lange, wer das neue Mitglied war, es drang auch nichts nach außen. Im September schlug der Song „ Anti-complicity anthem“ wie eine Bombe ein, ein typischer IGNITE-Smasher mit einem Eli Santana am Mikro, den keiner kannte, der aber perfekt zum Sound der Kalifornier passte. Bassist Brett Rasmussen, der seit dem ersten Tag dabei ist, beantwortete meine Fragen zur neuen selbst betitelten LP.
Im letzten Interview vor sechs Jahren sagte euer letzter Sänger Zoli, dass es in eurer Band untereinander nicht immer einfach ist. Soweit ich weiß, ist er bei eurem letzten Konzert in Tempe, Arizona, nicht aufgetaucht und es kam darauf hin zum Bruch. Dachtest du, dass es mit IGNITE irgendwann noch mal weitergeht?
Wenn ich ehrlich bin, ging es schon viel früher los, und zwar 2012. Damals hat Zoli bei PENNYWISE gesungen und war für uns kaum greifbar. Wir standen vor einer Europatour und Zoli war verletzt, so dass er nicht mitkommen konnte. Wir trafen eine Entscheidung in letzter Sekunde und nahmen Jon Bunch, den damaligen Sänger von SENSE FIELD mit, der Zoli vertrat. Wir hatten zunächst etwas Schiss, wie die Fans reagieren würden und ob sie uns so akzeptieren. Was völlig unbegründet war, da es schlicht und einfach um die Songs geht. Als wir auf der Bühne standen und gesehen haben, wie begeistert die Leute waren, waren wir sehr glücklich. Von da an war uns klar, dass es auch in dem Moment, falls Zoli einmal weg wäre, mit uns weitergehen kann – wenn wir den richtigen Sänger finden würden.
Ich glaube, du bist der fünfte Interviewpartner, der mir von Jon Bunch erzählt, der 2017 gestorben ist. Ihr habt ihm auch den Song „On the ropes“ gewidmet, wie man im Video dazu sehen kann. Es scheint irgendetwas Magisches an ihm gewesen zu sein.
Er war ein unfassbar toller Mensch. Es war so schön, ihn für diesen Monat bei uns zu haben, mit ihm unsere Songs zu spielen. Wir haben jeden Abend auch „Building“ von SENSE FIELD gespielt. Wir vermissen ihn jeden Tag aufs Neue und denken an ihn. Er hat als Mensch eine große Lücke hinterlassen.
Auf der Benefiz-Show für seinen Sohn habt ihr auch mit eurem ersten Sänger Joe Nelson gespielt. War er ein Kandidat als Nachfolger von Zoli?
Nein. Wir sind gute Freunde, haben viel Kontakt und sind auch zusammen bei TRIGGERMAN. Wir brauchten aber einen Sänger, der auch für Touren zur Verfügung steht.
Was war bei dieser Platte anders, abgesehen vom Wechsel am Gesang?
Wir hatten uns ein Ziel vorgegeben – das neue Album sollte einerseits wieder mehr oldschool klingen, andererseits aber auch neue Elemente enthalten. Hierbei musst du sehr vorsichtig vorgehen, damit es auch wirklich zusammenpasst. Du hast auch nur zehn oder elf Songs, die dann auf einer LP landen. Und wir hatten knapp vierzig geschrieben, was auch zeigt, dass wir verdammt viel und hart arbeiten mussten. Unser vorgegebenes Ziel haben wir aus meiner Sicht erreicht.
Mit Eli Santana habt ihr einen neuen Sänger. Er schien wie aus dem Nichts aufzutauchen und man konnte nachlesen, dass er in einer Band namens HOLY GRAIL Gitarre spielt. Die Gruppe erinnerte mich an HELLOWEEN oder MEGADETH, als ich mir vor ein paar Tagen ein paar Songs angehört habe. Hatte Eli vorher schon einen Bezug zur Hardcore-Szene? Oder ihr zur Metal-Szene?
Beides. Er hört seit zwanzig Jahren IGNITE und kam immer wieder zu unseren Konzerten und hing mit uns im Backstage rum. Er kommt ganz aus der Nähe bei uns in Kalifornien und war ein Freund unseres Drummers Craig. Craig fragte ihn, ob er nicht einen passenden Sänger für IGNITE kennen würde. Eli meinte darauf, warum wir nicht ihn nehmen würden. Wir wussten bis dahin nur, dass er ein toller Gitarrist in einer Metal-Band war und hatten keine Ahnung, dass er auch singt. Er schickte uns ein Demotape, haha, besser gesagt einen Song per E-Mail – und das war es. Es hat perfekt gepasst und es war auch total angenehm, dass es so einfach geklappt hat.
Mit dem Opener eurer neuen LP, „Anti-complicity anthem“, tretet ihr gleich mal die Türe ein.
Das machen wir mit dem ersten Song immer, egal ob „Who sold out now?“ oder „Bleeding“ – der muss volle Power sein. „Anti-complicity anthem“ ist die perfekte Mischung zwischen dem bekannten IGNITE-Sound plus tollem Refrain und toller Melodie. Er hat eine super Energie und erschien uns als der perfekte Opener.
Eure neue Platte ist für mich kontinuierlich auf einem sehr hohen Level. Es gibt keine Schwankungen.
Das ist der Punkt. Wir wollten durchgehend viel Energie erzeugen, die über zehn oder elf Songs anhält. Jeder einzelne Track hilft dabei, das Level zu halten, indem wir unseren typischen Sound immer wieder mit neuen Ideen anreichern.
Wer ist für die Lyrics verantwortlich? Eli ist ja noch nicht so lange dabei.
Viele der Texte stammen von unserem Gitarristen Nik, der auch schon viel für die vorherigen Alben geschrieben hat. Ein paar sind auch von mir. Mit den Songs fingen wir Anfang 2020 an, als wir noch keinen Sänger hatten. Eli kam im Oktober dazu, was bedeutet, dass wir schon verdammt viel auch an den Lyrics gearbeitet hatten. Wir mussten also nicht von null anfangen.
Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich 90% der Texte nicht, da ich sie sehr metaphorisch finde. Zum Beispiel auf eurer LP „Our Darkest Days“ von 2006 waren sie einfach und klar und die Message kam rüber.
Logisch. Es sind bei diesem Album andere Songschreiber. Die anderen Platten waren sehr politisch, es ging um soziale Probleme und die Umwelt. Das beschäftigt uns als Band immer noch, die Platte ist aber in der Tat persönlicher. Aber „The river“ ist ein sehr politisches Stück, das sich mit der Einwanderung an der mexikanisch-amerikanischen Grenze beschäftigt. Dagegen ist „On the ropes“, wie gesagt, definitiv ein sehr persönlicher Song über frustrierende Zeiten im Leben und die ganzen Kämpfe, um nicht davon überwältigt zu werden. Insgesamt haben die Lieder auf dieser Platte eine tiefere Bedeutung, sind poetischer und arbeiten mehr mit Metaphern als bisher, da hast du recht ...
Ich habe die PMA lange gesucht – und dieses Mal nicht gefunden.
Haha, auf dem nächsten Album dann wieder. Unser neues hat definitiv ziemlich dunkle Momente.
Neben „The river“ ist „The butcher in me“ mein Favorit. Der handelt davon, jemanden aus seinem Leben zu verabschieden. Mir geht es öfter so – treffend ist die Zeile: „And though we had our problems / I need wish you well“. Da war dann doch etwas Positives im Negativen.
Den Text hat Nik geschrieben. Es geht nicht um eine bestimmte Person, aber Leute treten in dein Leben und gehen auch wieder. Wenn du bei diesem Prozess deine Negativität beiseite lässt, hast du die Chance, daran zu wachsen. Und das ist sehr wichtig.
Beim Song „The river“ musste ich an 2019 denken, als ich mich sehr mit der Situation an der Grenze zu Mexiko beschäftigt habe. Die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez hat mit anderen Kongressmitgliedern ein Lager besucht, in das Migrant:innen gesteckt und die Kinder von ihren Eltern getrennt wurden. In einer Zelle mussten Frauen aus der Kloschüssel trinken. Es hörte sich an wie in einem Horrorfilm, der von Trump gedreht wurde. Nun ist der weg und seit einem Jahr Biden Präsident – wie ist die Situation heute?
Ich weiß es nicht. Es ist nicht mehr in den Nachrichten und das war einer der Gründe, diesen Song zu schreiben. Wir sind uns sicher, dass es dort noch Probleme gibt. Natürlich ist viel anderes in der Welt los und irgendwann gab es scheinbar wieder Wichtigeres, über das berichtet werden musste. Du hörst mal hier, mal da etwas und kannst ein wenig online lesen. Aber genauso wie die Berichte über syrische Flüchtlinge an der ungarischen Grenze, die versuchten, nach Deutschland oder nach Schweden zu kommen, ist es in den Nachrichten nicht mehr präsent. Damals lief es bei uns jeden Tag auf CNN. Momentan wird alles von der Pandemie überlagert. „The river“ behandelt auf den ersten Blick lediglich ein US-Problem – das sich nicht einfach aufgelöst hat, nur weil es nicht mehr in den News ist. Für mich soll der Song allerdings daran erinnern, dass wir überall auf der Welt dieses Problem haben. Und das soll nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern es muss thematisiert und endlich gelöst werden.
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