IGNITE

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The fire still burns

Wenn das neue IGNITE-Album „A War Against You“ im Januar erscheint, sind tatsächlich fast zehn Jahre vergangen seit „Our Darkest Days“, das die Band aus Orange County, Kalifornien 2006 veröffentlichte. Wirklich weg waren IGNITE in der Zeit nicht, zumindest Frontmann Zoli Téglás war permanent präsent, wobei er von 2010 bis 2012 bei PENNYWISE deren vorübergehend ausgestiegenen Sänger Jim Lindberg vertrat. Seit dessen Wiedereinstieg konzentrierte sich Zoli erneut auf IGNITE, ab Anfang 2014 wurde wieder getourt, wobei das Line-up der seit ihrer Gründung 1993 von vielen Besetzungswechseln geprägten Band erstaunlich stabil blieb. Aktuell sind IGNITE Zoli Téglás (Vocals, seit 1994), Brett Rasmussen (Bass, seit 1993), Brian Balchack (Guitar, 1998-2000, seit 2005), Craig Anderson (Drums, seit 1997) und Kevin Kilkenny (Guitar, 2000-2003, seit 2006). Ich sprach Ende Oktober mit Zoli, der übrigens unlängst Vater wurde.

Als wir uns im Sommer 2014 zuletzt unterhielten, war noch nicht die Rede von einem neuen Album. Wann wurde das Projekt konkreter?


Also wir waren damals auch schon dran, aber wenn eine Band so eine lange Pause macht, dann muss man sich erst wieder aneinander gewöhnen, auch was das Songwriting betrifft. Das ist wie bei einer alten Beziehung, die auseinanderging und wo man acht Jahre später wieder zusammenfindet. Da ist man ein anderer Mensch, jeder von uns war seinen eigenen Weg gegangen, Brian etwa mit INTO ANOTHER und ich mit PENNYWISE und MISFITS.

War es schwer, wieder in den richtigen „Groove“ zu finden nach so einer langen Pause?

Wir mussten uns wieder kennen lernen. Das Songwriting ist ja viel mehr, als zusammen im Studio etwas aufzunehmen – man muss auf der geistigen Ebene zusammenpassen, um gute Songs zu schreiben. Mit die erste Musik, die je geschrieben wurde, stammte von gregorianischen Mönchen, und das gemeinsame Singen war damals gleichbedeutend mit Beten – es ging um eine spirituelle Verbindung mit einer höheren Macht. Musik ist also eine spirituelle Angelegenheit, eine Art von Gebet, und es wird oft vergessen, dass man nur dann zusammen Musik machen kann, wenn man durch ein spirituelles Band miteinander verbunden ist – nennt es von mir aus Freundschaft. Oder dass man sich gegenseitig als Musiker schätzt. Wenn das nicht der Fall ist, ist es schwer, zusammen Lieder zu schreiben. Wenn es aber passt, dann werden Bands auch sehr erfolgreich, denken wir nur mal an METALLICA oder GUNS N’ ROSES. Als die durch ihre Musik eng miteinander verbunden waren, waren sie gut, doch als sie dann reich geworden waren und sich gegenseitig bekriegten, klappte es auch mit der Musik nicht mehr. Und ja, es brauchte eine Weile, bis wir wieder „eng“ waren als Musiker, bis die Vibes wieder stimmten. Ich denke, unser neues Album ist wirklich gut geworden, die Leute werden es mögen. Oder um es genauer zu sagen: Sie werden es wirklich mögen oder sie werden es hassen.

Wenn eine Band in jungen Jahren zusammenkommt, schweißt das wohl enger zusammen, als es später gegründeten Bands möglich ist.

Nimm THE BEATLES, LED ZEPPELIN, VAN HALEN oder U2, das waren oder sind alles Bands, die als Kids zusammenkamen – es ist echt hart, so lange zusammenzubleiben. Wer ist denn schon 25 Jahre mit der gleichen Frau zusammen? Nur wenige. Und bei einer Band bist du mit vier Menschen seit 25 Jahren verheiratet, und da fängt es an, schwierig zu werden. Lauter unterschiedliche Persönlichkeiten, und dennoch muss man als Familie zusammenhalten. Und nur Bands, die das schaffen, können zu Bands werden, die die Kraft haben, das Leben anderer zu verändern und Songs zu schreiben, die zu Hymnen einer Generation werden. SICK OF IT ALL haben das geschafft, und SOCIAL DISTORTION – nur, wenn du lange zusammen bist, zusammen wächst, schreibst du auf Dauer gute Songs.

Von Anfang an zusammen sind bei IGNITE du und Brett, die anderen kamen später.

Ja, aber Craig, Kevin und Brian sind auch schon fast zwanzig Jahre dabei. Wir vertrauen uns und sind bestens aufeinander eingespielt.

IGNITE sind schon eine ganze Weile wieder aktiv, erst jetzt kommt das neue Album. Warum?

Als ich bei PENNYWISE einstieg, versuchten wir, direkt mit der Arbeit an einem Album loszulegen. Aber es klappte nicht: die Art, wie wir Songs schrieben, was wir schrieben, das war einfach nichts. Ich schlug dann vor, zusammen auf Tour zu gehen, ein Jahr lang, damit wir uns auf der Bühne besser kennen lernen, mit allem Drum und Dran: Anschreien, Beschimpfen, Streiten. Sechs Monate später, während einer Show in São Paulo in Brasilien, war es dann endlich soweit, erst da fühlte ich mich wirklich als Sänger von PENNYWISE. Bis dahin war ich nur so ein Typ, der versuchte, der neue Sänger von PENNYWISE zu sein. Und bei IGNITE war das nach dem Neustart genauso: wir versuchten und versuchten und versuchten es, aber es klappte nicht. Ich schlug dann vor, erst mal wieder zusammen auf Tour zu gehen, damit wir uns wieder aneinander gewöhnen, und nach einem Jahr Touren fingen wir dann an, das neue Album zu schreiben.

Von „A Place Called Home“ 2000 bis „Our Darkest Days“ 2006 vergingen sechs Jahre, nun noch einmal zehn bis zum Releases von „A War Against You“. Warum so viel Zeit zwischen den Alben?

Ich steckte viel Arbeit und zwei Jahre in das „All Or Nothing“-Album von PENNYWISE, davor sang ich mehrfach bei den MISFITS, und die ZOLI BAND gab es auch noch. Und Brian machte ein gutes Album mit INTO ANOTHER. Wir bei IGNITE brauchten damals Abstand voneinander, und als wir uns dann wieder zusammen waren, brauchten wir eine Weile, bis wir uns wieder gefunden hatten. Dass wir in der Zwischenzeit alle was anderes gemacht hatten, war eine gute Erfahrung, wir lernten dazu, und deshalb ist das neue Album auch so anders als das davor – und so gut. Hätten wir in der Zwischenzeit lieber zwei nur ganz okayne Platten machen sollen?

Als Journalist ist man bisweilen in der undankbaren Situation, auf Basis eines Eindrucks über ein Album zu urteilen, das man erst wenige Male in einem kurzen Zeitraum hören konnte, doch dabei wissen wir alle, dass viele Platten Zeit brauchen, um sie sie zu verstehen. Ich habe den Eindruck, auch „A War Against You“ braucht noch etwas Zeit.

Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Apathie, Gleichgültigkeit. Ich gebe dir einen Tipp: Hör dir die Platte noch ein paar Mal an, bis du jeden einzelnen Song hasst, bis auf einen. Und dann hör dir diesen Song immer wieder an, und dann wirst du merken, wie auch die anderen Songs dir nach und nach zu gefallen beginnen. Ich habe einige Platten, die ich anfangs hasste und irgendwann dann doch so oft gehört hatte, dass sie zu Lieblingsalben wurden. Und wenn du unser neues Album nicht hasst, haben wir ein Problem. Die erste Reaktion wird bei vielen sein, dass es ja alles ganz ungewohnt klingt, dass es Bullshit ist – bis auf einen Song, der ja irgendwie okay ist. Bei PEARL JAM geht es mir immer so: Lieblingsband, aber ein neues Album? Scheiße. Und irgendwann erwischen sie mich dann doch, wenn ich verstanden habe, was sie da eigentlich zu erreichen versuchen. Wir haben eine Menge Energie in das Album gesteckt, und ich bin ja nicht dafür bekannt, irgendwelche Scheißmusik zu machen. Meine Musik ist echt, sie kommt von Herzen. Und deshalb bin ich mir sicher, dass das Album irgendwann hängenbleiben wird – wie Herpes, hahaha. Du wirst es einfach nicht mehr los! Okay, ich habe keine Erfahrung mit Herpes, aber es gibt hier die Redewendung „Das bleibt hängen wie Herpes“, wenn man etwas – einen Song, eine Platte – nicht mehr loswird.

Eine Bemerkung im Ox-Büro zum neuen Album war: „Sind das die SCORPIONS!?“

Hahaha, fuck yeah! Ich liebe Klaus Meine und die SCORPIONS. Und ich liebe Freddy Mercury und QUEEN. Und beides haben wir versucht beim Album-Opener unterzubringen. Absichtlich. Als Scherz. Für alle, die auf eine direkte Fortsetzung von „Our Darkest Days“ gewartet haben. Stattdessen bekommen sie eine operettenhafte Freddy Mercury-Nummer, damit auch alle mit „What the fuck!?“ reagieren. Bei dem Stück schaut erst mal jeder so, als habe einer im Aufzug gefurzt. Du hasst die Nummer? Gut! Immerhin ist dir das, was du hasst, so wichtig, dass du so eine starke Reaktion zeigst. Wenn du deine Ex hasst, dann empfindest du noch was für sie, sonst wäre sie dir gleichgültig. Ich hoffe, unser Album kann das Leben von ein paar Menschen verändern, so wie ich Mike Ness dankbar bin, dass der mir Musik gegeben hat, die mir durch schwere Zeiten geholfen hat. Und Mike wiederum sagt, dass Johnny Cash für ihn diese Rolle gespielt hat, und für Johnny Cash war es Elvis, und auch Elvis hatte seine Vorbilder.

„A War Against You“ – „Ein Krieg gegen dich/euch“: Was hat es mit dem Titel auf sich?

Schau dir doch an, was bei euch im Lande passiert. Wir sind alle Figuren in einem geopolitischen Schachspiel. Fünf Länder bomben Syrien in Grund und Boden. Und die Menschen dort flüchten, drängen über die Grenzen, kommen nach Deutschland. Und Europa soll die Moslems zu hassen beginnen, damit wir, die USA, noch mehr muslimische Länder bombardieren können. Was jetzt passiert, kommt doch nicht als Überraschung, das läuft schon seit vier Jahren. Ich sehe das als Teil eines großen Plans. Als England, Frankreich und Deutschland dem US-Kongress und US-Senat klarmachten, dass sie die Unterzeichnung des Atom-Abkommens mit dem Iran erwarten und sich andernfalls nicht mehr an das Embargo gebunden fühlen würden, reagierten die eben entsprechend. „Schön, ihr liberalen Europäer, dann schauen wir doch mal, was ihr davon habt. Wir sorgen jetzt dafür, dass die ganzen Flüchtlinge bei euch landen, und dann könnt ihr erst mal wieder Grenzzäune errichten. Und dann wird es irgendwann Terroranschläge geben, aus heiterem Himmel, und der Hass wird sich gegen die Flüchtlinge richten. Und dann werden wir ja mal sehen, ob ihr euch jemals wieder gegen irgendeinen unserer Kriegspläne aussprechen werdet! Und bei der Gelegenheit haben wir dann auch noch die EU gespalten.“ Ein perfekter Schachzug! Das ist nur meine Meinung, aber ich glaube eben, dass in dieser ganzen Situation nichts aus Zufall geschieht, sondern der klare Plan besteht, die Stimmung in der liberalen EU und gerade in Deutschland mit seiner Willkommenskultur zu drehen, hin zu „Raus mit euch, Immigranten!“ This is a war against you! Es ist ein Krieg nicht gegen Staaten und Völker, sondern gegen die einzelnen Menschen. Und dazu kommt noch, dass die Medienlandschaft in den USA auch noch Krieg gegen die Intelligenz ist.

Wie meinst du das?

Das Fernsehen, die Medien insgesamt führen einen Krieg gegen die Intelligenz! Du kannst das echt nicht anschauen, was da läuft. Die wichtigste Nachricht aktuell ist, wie es um den Arsch von Kim Kardashian bestellt ist. Nicht der Krieg in Syrien. Wobei die meisten Amerikaner ja sowieso nicht wissen, wo Syrien überhaupt ist. Aber die finden ja auch die USA nicht auf einer Karte. Wir sind das dümmste Volk auf dem Planeten. Versteh mich nicht falsch, eigentlich ist es ein großartiges Land, aber die Medien haben die Menschen dumm und faul gemacht. Wir sind an dem Punkt, an dem das Römische Reich zum Schluss war. Unsere Macht haben wir nur noch wegen des starken Militärs. Und wenn uns jemand droht, schicken wir eben unsere Truppen los, um die Scheiße aus jemandem rauszubomben, der uns nicht passt. Und deshalb geben wir soviel Geld für Rüstung aus. Aber irgendwann muss doch mal jemand merken, was da läuft! Man darf nie vergessen: der Teufel schleicht sich nicht als ein furchterregendes Wesen ein, sondern als Freund, als Retter. Der Teufel sagt, er sei von Gott auserwählt, um dich ins Licht zu führen. Diese ganzen wiedergeborenen Christen hier, diese ganzen dummen Religionen, die führen die Welt ins Verderben. In Verbindung mit all der Technologie, über die wir verfügen, werden wir das dunkle Mittelalter zurückbringen – und genau darum geht es auf unserem Album.

Du hast familiäre Verbindungen nach Ungarn, dein Vater flüchtete einst von dort in die USA. Ungarn wurde für seine Rolle bei der Wiedervereinigung Europas lange gefeiert, hatte es doch 1989 die Grenzen Richtung Westen für Ostdeutsche geöffnet. Unter Viktor Orbán jedoch wurde das Land in der jüngeren Vergangenheit zu einem rechtspopulistischen Alptraum, das Vorgehen gegen Flüchtlinge wird stark kritisiert.

Ich kenne einige Menschen aus der ungarischen Politik, und das Problem war, dass zuletzt nur die Wahl bestand zwischen den Ex-Kommunisten und Fidesz, den vermeintlichen Demokraten – mit dem bekannten Ergebnis. Und jetzt sind die Ungarn diejenigen, die auf Druck von Deutschland und Österreich ihre Grenzen geschlossen haben – und werden dafür kritisiert. Verstehe mich nicht falsch, ich verteidige niemand, es ist einfach eine schlimme Situation für alle Beteiligten. Man sieht Menschen, die barfuß über Felder laufen, auf der Flucht, in Europa, 2015! Was von diesen Bildern in den USA ankommt? Nichts. Khloé Kardashian ist ein Thema und ihr Ex-Mann Lamar Odom, der sich fast eine tödliche Überdosis verpasst hätte. Das ist ein Nachrichtenthema, seit Tagen. Und das ist wichtiger als alles andere, was in der Welt passiert. Es tut weh, wie ungebildet die Menschen hier sind.

Sprechen wir zum Schluss über etwas Positives: Mit deiner eigenen Organisation setzt du dich seit Jahren für die Rettung verletzter Seevögel ein, vor allem Pelikane. Viel zu tun gerade?

Es ist El Niño, wie alle paar Jahre. Die Meeresströmungen ändern sich, führen warmes Wasser die Küste hoch, von Mexiko bis nach Los Angeles und weiter nach Norden. Die Fische, die zur Nahrung der Pelikane zählen, sind in kältere, tiefere Wasserschichten abgetaucht, so dass die weniger Beute finden. Es verenden derzeit unzählige Tiere im Wasser, aber auch Seevögel und Seehunde. Das Meer ist derzeit hier so warm wie vor den Bermudas, darauf sind die Lebewesen nicht eingestellt. Der Ozean wird zur Wüste, und die Fischer hier geben den Seehunden und Pelikanen die Schuld, dass sie nichts fangen. Es ist ein weiterer Kriegsschauplatz ...

Und wie erträgst du das?

Unwissenheit ist ein Segen, wie man so schön sagt. Manchmal würde ich mich auch gerne einfach nur vor die Glotze hauen und Bier trinken, wenn mein Hirn mal wieder zu überdrehen droht. Stattdessen widme ich mich meiner Musik, das hilft auch. Und Tiere retten. Das gibt meinem Leben Sinn.