Ich bin Antikapitalist und betrachte den Kapitalismus als Wurzel der meisten Übel: Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung, viele Formen der Ausgrenzung, gesellschaftliche Spaltung und Krieg. Damit der Kreislauf des Geldes nicht und niemals gestört wird, setzen Großindustrielle und ihre Vertretung in der Politik und der Gesellschaft alles daran, dass jeglicher Widerstand in Form von neuen Ideen (Umverteilung, Systemwechsel, nachhaltiges Wirtschaften, Ressourcenschonung) oder realen Protesten (MeToo, Fridays for Future, Letzte Generation ...) im Keim erstickt werden. Sich Gedanken um den Zustand von Natur und Gesellschaft zu machen und Auswege aus einem „Weiter so!“ zu suchen, wird der Lächerlichkeit preisgegeben, in „Polit-Talkshows“ zerredet oder kriminalisiert.
Das stört mich schon seit meiner Jugend, und mit den Jahren hat sich daran nichts geändert. Ich stamme aus einer evangelischen Familie und meinen Eltern war es immer wichtig, dass wir, auch wenn wir nicht viel von der Institution Kirche hielten, ein paar Grundsätze beherzigen: Nächstenliebe, Solidarität und die Bewahrung der Schöpfung. Diese Grundhaltung trieb mich in die Subkultur, in den Punk. Ich hatte einfach das Gefühl, dass das, was mich meine Eltern lehrten, hier gelebt wurde, gepaart mit Spaß und Musik.
Das alles ist viele Jahre her, ich bin jetzt ein mittelalter Familienvater, aber die Grundhaltung, zu der ich erzogen wurde, hat mich niemals verlassen. Meine eigene Familie lebt immer etwas abseits der Normalität, zu der wir natürlich zweifelsohne trotzdem gehören. Aber wir arbeiten täglich daran, sie zu verändern. Wir leben extrem bewusst, produzieren auf unserem Hof viele Lebensmittel selbst, also Obst, Gemüse, Fleisch, nutzen dabei keine künstlichen Dünger oder Pflanzenschutzmittel, ernähren uns bewusst mit nur einer Fleischmahlzeit die Woche oder komplett ohne Fleisch, vermeiden Verpackungsmüll, reisen fast nie, fliegen nie in den Urlaub, machen keine Kreuzfahrten, nutzen alternative Energie und haben da unser gesamtes Erspartes reingesteckt. Wir engagieren uns in der Gesellschaft, sind eine Pflegefamilie und unser Sohn ist zum Beispiel in der Feuerwehr. Und wir kaufen bewusst und nachhaltig ein.
Bei uns dreht sich sehr viel darum, was wir wirklich im Alltag brauchen, was Quatsch ist, was überflüssig ist, worauf wir gut verzichten können, wo wir die benötigten Dinge herbekommen und wer sie wie produziert hat. Das war zuerst sehr anstrengend, aber wir sind als Familie und Freundeskreis daran gewachsen. Und es ist absolut möglich, ohne die „Big Player“ des Einzel- und des Onlinehandels auszukommen.
Diese Philosophie zieht sich natürlich auch durch meine Musik, ist Quintessenz meiner Texte, ist Rückgrat meiner Haltung. Und ich bemerke, wie mir auch hier in der Szene, in der diese kapitalismuskritische Einstellung doch grundsätzlich sein sollte, Wind entgegenweht. Es ist Normalität, einen guten Teil seiner Umsätze über Amazon zu machen, es ist normal, Amazon zu verlinken, um Verkäufe anzukurbeln, es ist normal, mit anderen Musikmonopolisten wie Live Nation zusammenzuarbeiten, es ist normal, riesige Berge an Merchandise und Super-Sonder-Deluxe-Ausgaben der eigenen Platten zu produzieren, versehen mit 3D-Brille, Feuerzeug und anderem Schrott, der weder nachhaltig noch sinnig ist und nur das Ziel von Umsatz und Chartplatzierung hat. Es ist normal, sich zu beugen und von einem System zu profitieren, das man in seinen Liedern und Gedanken ablehnt.
Amazon steht für mich stellvertretend für ein System, das ohne Rücksicht auf Mensch und Natur agiert, auf dem Weg zur Allmächtigkeit ist und aufgrund seines Einflusses und seines Geldes direkt in politische und gesellschaftliche Vorgänge eingreift.
Diese Macht kann jeder von uns an jedem Tag einschränken, ohne dafür bluten zu müssen – durch Verzicht, bewusste Entscheidung und die Suche nach Alternativen. Kauf nicht bei Amazon.
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