Die vierköpfige norwegische Band DAUFØDT macht auf ihrem zweiten Album „Aromaterapi“ druckvollen, schnellen Noiserock mit verspielten Melodien und klarer politischer Kante. Details zum Zustandekommen dieser beeindruckenden Wall of Noise verrät Gitarrist Eirik Albrethsen Reithaug.
Ihr verfolgt ja eine sehr konsequente visuelle Linie, in die eure Frontfrau Annika einige Arbeit investiert.
Ja, Annika hat das komplette Artwork für „Aromaterapi“ und auch für das Album davor entworfen. Sie hat auch schon Albumcover für viele andere norwegische Musiker gemacht. Es ist schon ein großer Vorteil, jemanden dabei zu haben, der Visuelles und Sounds in Einklang bringen kann. In ihrem Artwork zu „Aromaterapi“ fängt sie damit sowohl abstraktere Dinge ein, die auf dem Album passieren, als auch die noisige und unheimliche Seite. Die ganzen Texturen spiegeln das sehr gut wider.
Auch das Video zu „Knekken“ greift das auf.
Absolut. Durch Annika haben wir eine klar definierte visuelle Identität. Einfach wiederzuerkennen, ohne sich dabei zu wiederholen, es ist auch immer was Neues dabei. Egal, ob es nun Merch oder ein Musikvideo ist, du erkennst auf den ersten Blick, dass es von uns ist. Eine Art visueller Signature auf allen Kanälen inklusive Social Media.
Zieht sich das auch durch eure Konzerte?
Schon. Unser Bassist Eskild, Mads, unser Drummer, und ich tragen bei jeder Show das gleiche Outfit. Annika hat verschiedene Sachen zur Auswahl, arbeitet aber auch mit den gleichen Kontrasten. Wir tragen alle Blau oder Orange, der Hintergrund ist farblich darauf abgestimmt, das ist schon auch Teil des Pakets. Ich denke, das ist eine gute Möglichkeit für die Zuschauer, richtig eintauchen zu können. Ohne überhaupt einen Ton gehört zu haben, muss dir schon die Kulisse bei einem Konzert mitteilen, dass du am richtigen Ort bist.
Welche Bedeutung haben Konzerte für euch als Band allgemein?
Wenn du Sachen aufnimmst, brauchst du immer ein paar Stunden, um richtig reinzukommen. Aber wenn du eine Bühne betrittst, bist du sofort voll da. Wenn du Musik machst, die so energiegeladen ist wie unsere, dann muss die Live-Performance einfach der Hauptfokus sein. Wenn die Dezibel auf dich einprasseln, kannst du erst so richtig loslegen. Lautstärke, Hitze, Schweiß und das Chaos, das eine Show begleitet, lässt unsere Musik erst so richtig lebendig werden. Kontrolliertes Chaos zu erschaffen und auch physisch gemeinsam mit anderen zu erleben, ist schon was ganz Besonderes. Dann kommt noch der Gefahr-Kick im Moshpit hinzu. Der physische Teil ist für mich fast genauso wichtig wie die Musik selbst. Eine gute Show muss auch physisch und visuell erfahrbar sein.
Was würdest du wählen, wenn du dich entscheiden müsstest, nur noch Live-Musik zu machen oder nur noch im Studio aufzunehmen?
Live-Musik, haha. Wenn ein Album fertig ist, ist es fertig. Live kannst du deine Lieder immer und immer wieder spielen, an verschiedenen Orten und mit anderen Leuten, und ein Song wird nie genau gleich klingen. Außerdem kannst du Sachen austesten und am Feedback des Publikums ausrichten. Wenn wir merken, dass ein Song nicht die Energie erzeugen kann, die wir wollen, überarbeiten wir ihn noch mal. Live-Musik gibt dir die Freiheit, tun zu können, was du willst. Zum Wohle des Songs natürlich. Du kannst an Feinheiten schrauben oder ausprobieren, wie du bei unserer heftigen Lautstärke trotzdem Dynamik erzeugen kannst, nur mit der Intensität, mit der du spielst. Weil: Laut muss es natürlich die ganze Zeit sein, haha.
Mit welchem Equipment schafft ihr es, extreme Lautstärke hinzubekommen, ohne das Ganze in einen einzigen Soundbrei zu verwandeln?
Live verwenden ich und unser Bassist ziemlich ähnlich aufgebaute Pedalboards. Dabei ist ein Octafuzz-artiges Pedal ohne Fuzz hauptbestimmend für den DAUFØDT-Signature-Sound, glitchy, gated und richtig schön schräg. Es basiert auf dem Earthquaker Devices Tentacle, wurde aber von einem Freund gebaut. Damit erzeugst du, wenn du Akkorde mit nahe beieinander liegenden Intervallen spielst, völlig abgedrehte Ringmod- und Noise-Texturen.
Eure Texte sind sehr politisch, ihr sprecht Themen wie religiösen Fanatismus, Homophobie oder Body Bashing an.
Ja, wir würden keine Musik machen, wenn wir nichts zu sagen hätten. Annika schreibt zwar alle Texte, die Themen orientieren sich aber hauptsächlich daran, worüber wir uns miteinander auch unterhalten. Wir haben alle in denselben Städten in demselben Teil des Landes gelebt und haben auf unserem letzten Album besonders lokale Probleme in den Vordergrund gestellt. Das ist auf „Aromaterapi“ anders, die Themen sind breiter aufgestellt und bieten auch Anknüpfungspunkte für ein Publikum über unseren regionalen politischen Horizont hinaus. Das kannst du in Oslo, Kopenhagen, Berlin oder wo auch immer verstehen und es mit deinen Erfahrungen verbinden.
Eure Musik wird häufig mit dem Schlagwort „violent“ umschrieben.
Ja, da ist ja auch was dran. Für mich beinhaltet das aber eine produktive und positive Seite. Wir können brutale und destruktive Musik machen, ohne dabei direkt gewalttätig zu sein. Besonders bei unseren Lives-Shows gibt es ein sehr rabiates Element, aber eher auf eine freundliche Weise, die Leute haben Spaß im Moshpit. Im DAUFØDT-Universum ist das für Musik und Live-Shows eher eine inspirierende Sache.
Gibt es auch eine negative, angstgetriebene Seite?
Auf der neuen Platte ist das auf jeden Fall ein Thema. Da sind ja auch in der jüngsten Vergangenheit ein paar Dinge passiert, die die Zukunft auf jeden Fall ein wenig düsterer werden lassen. Ich würde das aber nicht Angst nennen, sondern eine realistische Sichtweise der Dinge. In Live-Shows ist ein wenig Angst im Sinne von aufgeregt sein vielleicht sogar Teil des Kicks. Im Gegensatz zu einigen japanischen Performance-Künstlern ist das, was wir auf der Bühne abliefern, aber nicht wirklich brutal und daher auch nur sehr begrenzt gefährlich oder furchteinflößend. Wir verwenden keine Pyrotechnik oder Abrissbirnen oder so, haha. Aber du weißt natürlich trotzdem nie, ob vielleicht doch mal etwas schiefgeht.
Du hast mit der japanischen Avantgarde gerade ein interessantes Thema angeschnitten: Was hat euch beeinflusst oder tut es noch?
Wir sind da alle ziemlich offen. Wenn wir unterwegs im Tourbus Musik hören, sorgt das bei den anderen immer für Gelächter. Das reicht von Hardcore-Klassikern bis hin zu Popmusik. Dann aber auch experimentellere Sachen wie Noise oder Jazz mit viel freier Improvisation. Und auch elektronische Musik wie Hardcore-Techno, bis zum Anschlag verzerrter Gabba und so. Laut und schnell. Da geht es um die Energie, nicht darum, wer spielt. Schlechter Geschmack irgendwie, aber wir lassen uns von dieser Energie inspirieren, haha. Es beinhaltet dieselbe Art von Brachialität und Chaos, die wir mögen. Wir müssen das quasi nur noch in Rockmusik übersetzen.
Wie setzt ihr das dann im Studio um?
Wir nehmen eigentlich immer live auf. Manchmal muss im Nachhinein die eine oder andere Sache noch zusätzlich eingespielt werden, Vocals oder ein Gitarrendub zum Beispiel. Meistens sind wir aber einfach zusammen in einem Raum und das war’s. Auf dem neuen Album haben wir noch nicht mal einen Clicktrack benutzt, einfach auf Aufnahme gedrückt und los geht’s. Nur so kannst du die Energie einfangen, die entsteht, wenn wir zusammen spielen. Das kann schon ziemlich intensiv und chaotisch werden, darum haben wir viele Raummikrofone verteilt, damit das möglichst gut funktioniert. Bei „Aromaterapi“ haben wir uns die Frage gestellt, wie wir unsere Live-Energie ohne den ganzen visuellen Kram trotzdem möglichst gut rüberbringen können. Es ist nun mal ein ganz anderes Medium, wie können wir das dennoch ähnlich chaotisch und unberechenbar gestalten? Man kann es ja schließlich nicht wirklich miteinander vergleichen. Ich glaube, das ist uns dank der eingebauten Irrungen, Wirrungen und Dekonstruktionen ganz gut gelungen. Ein Album ist zwar eine ganz andere Erfahrung als eine Live-Show, transportiert aber die gleiche Energie.
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