DAUFØDT

Foto© by Tonje Lona Eriksen

Keine Grenzen

DAUFØDT aus Norwegen verblüfften ihr Publikum mit dem Gewinn der norwegischen Version eines Grammy, treten in knalligen, zweifarbigen „Uniformen“ auf, die an Trikots eines Fußball- oder Cricket-Teams erinnern und einen absoluten Kontrast zu ihrem lärmigen und abgefahrenen Sound bilden. Untypisch auch, dass die Alben der vier Musiker:innen von Mal zu Mal immer lauter werden. Aber mit ihrem neuen, dritten Album „Glitter“ schaffen sie die Balance aus Experiment und Rockfaktor, den sie mit ihrem Debüt zum Ausgangspunkt erkoren haben. Ein perfekter Anlass, bei Gitarrist Eirik Albrethsen Reithaug einige grundsätzliche Infos einzuholen.

Gib uns bitte einen kleinen Einblick in eure musikalische Laufbahn. Habt ihr zuvor schon in anderen Projekten gespielt?

Wir haben die Band gegründet, als wir zum Studieren nach Oslo gezogen sind, also haben wir vor DAUFØDT hauptsächlich in kleinen Bands in unseren Heimatstädten gespielt, aber jetzt sind wir deutlich aktiver. Annika ist nicht nur unsere Sängerin, sondern auch Autorin und gestaltet Plattencover für andere Bands aus Norwegen. Bassist Eskild spielt noch in der Instrumentalband KANAAN, die einige vielleicht kennen, und als Leiharbeiter zum Beispiel bei GOULDIAN FINCH, einem Soloprojekt von Martin Horntvedt von JAGA JAZZIST. Ich spiele außerdem in den Hardcore-Bands ASINI und QUE LINDO, aber Black Metal interessiert mich auch. Unser Schlagzeuger Mads spielte unter anderem schon in der Rockband THE MEGAPHONIC DRIFT.

Apropos Black Metal: Zwei von euch spielen auch in einer Black-Metal-Band namens BLODKVALT, allerdings wird dieser Stil leider oft mit fragwürdigen Ideen in Verruf gebracht. Beinhalten eure Songs auch etwas Ironie und nehmen dieses Element des Metal ein bisschen auf die Schippe?
Ja, das würde ich so unterschreiben. Wir sind einfach Punks, die zufällig diese Musik spielen, und wollen uns gleichzeitig von Rechtsextremisten und Fanatikern distanzieren. Wir versuchen auch, etwas „bodenständiger“ zu sein und die pompösen, theatralischen Seiten des Black Metal abzulehnen. Rohe und schnelle Musik zu spielen macht uns einfach Spaß, aber wenn ein Faschist oder Extremist zu einem unserer Konzerte kommt, wird man ihm sagen, dass er sich verpissen soll.

In Norwegen habt ihr einen Grammy für die Veröffentlichung eures Debütalbums „1000 Island“ gewonnen, aber ihr wart keineswegs daran interessiert, das sogenannte nächste große Ding im Rock zu werden. Wie sehr überraschte euch die Nominierung, bekamt ihr danach plötzlich Angebote von großen Labels?
Wir sind sehr glücklich bei Fysisk Format und haben nicht wirklich ein anderes Label in Betracht gezogen, aber der Spellemann-Preis hat uns definitiv viele Türen geöffnet. Vor allem in Bezug auf Angebote für Live-Shows, sowohl in Clubs als auch auf Festivals, zu denen wir ansonsten wahrscheinlich nicht so leicht Zugang gehabt hätten. Es fühlte sich definitiv surreal an, den Preis zu bekommen, wenn zum Beispiel eine Band wie MOTORPSYCHO, zu der wir seit Ewigkeiten aufschauen, ebenfalls nominiert war.

Ist das Publikum im „kalten Norden“ abgehärtet in Bezug auf „knallende“ Musik oder einfach nur aufgeschlossener? Möglicherweise würde in unseren Breitengraden eher ein prägnanter Pop-Act einen solchen Musikpreis gewinnen.
Zum Glück haben wir in der Kategorie „Rock“ gewonnen, aber in der Vergangenheit hat Spellemannprisen es geschafft, weniger kommerzielle Musik zu präsentieren. Zumindest manchmal scheinen sie nicht die etablierten Namen zu bevorzugen, sondern sich auf Künstler zu konzentrieren, die als „Underdogs“ wahrgenommen werden.

Sängerin Annika spie bisher in ihren Texten Gift und Galle gegen einheimische Milliardäre, und für das zweite DAUFØDT-Album „Aromaterapi“ konnte sie dieses „Spiel“ noch auf die Spitze treiben. Waren die Songs auf den textlichen Rahmen zugeschnitten oder könnten sie auch einen anderen Inhalt vermitteln? Man könnte fast so weit gehen, von einem Konzept zu sprechen, da sich ein Thema durch alle Texte des ganzen Albums zieht.
Annika hat oft Ideen und Konzepte für ihre Texte, die wir dann mit musikalischen Einfällen mischen. Auf der aktuellen Platte „Glitter“ sind sie hoffentlich ein bisschen erkennbarer, universeller und haben mehr mit der „conditio humana“ von jungen Erwachsenen zu tun. „Falske vekkelser“ ist einer der Tracks, die auf einem Konzept basieren, sowohl textlich als auch musikalisch. Wir haben versucht, viel mit Wiederholung zu arbeiten, indem wir die Dinge allmählich verändern, Ideen und Texturen entwickeln. Als die Vocals aufgenommen wurden, hatte Annika nur die wenigen Worte des Songs auf dem Papier, wobei sie improvisierte, Rhythmus und die Wortbetonung im späteren Verlauf entwickelte. Das Instrumental ist auf ähnliche Weise entstanden, natürlich live und ohne Click-Track; wir hatten nur das Riff und den Mittelteil des Songs und schauten, wohin er uns führte. Der Gesang von „Skjelvet“ wurde in einer ähnlich freien Form aufgenommen. Annika entwickelte eine Reihe von Texten, die sowohl improvisiert waren, als auch Rhythmus und Struktur enthielten.

Profitieren skandinavische Musiker:innen und Bands aktuell genauso von der Förderung der heimischen Subkultur wie vor zwanzig Jahren? Damals tourten Bands aus Skandinavien durch Europa und es war nicht ungewöhnlich, dass Leute sich fragten: Wie können sich die Kids nur diese teuren Instrumente und das Equipment leisten?
Wir haben das Glück, dass in Norwegen eine gut entwickelte Club- und Festivalszene existiert, die es uns bis zu einem gewissen Grad ermöglicht, professionelle Platten und Shows zu machen, ohne uns zu ruinieren.

Ich bin nicht sehr vertraut mit Punk und Hardcore aus Norwegen, außer vielleicht JR. EWING und AMULET. Bitte nenne mir eine Handvoll norwegischer Bands, die die ganze Welt kennen sollte und die einen kleineren oder größeren Einfluss auf dich oder auf eure musikalische Karriere hatten.
Zwei sehr große Einflüsse in meiner Jugend waren KVELERTAK, die wahrscheinlich größte norwegische Rockband, und HONNINGBARNA, eine brillante Punkband, die aus derselben Gegend kommt wie wir. Ihre letzte Platte ist außergewöhnlich gut und hat auch den Spellemann-Preis gewonnen. Andere wichtige Bands für uns sind OKKULTOKRATI und natürlich MOTORPSYCHO. Es gibt auch eine erstaunliche neue Welle von norwegischen Hardcore-Bands wie ASSISTERT, TEPPEBOMBE, MOLBO, ANEMISK und Klassiker wie PROBLEMS, die der Szene derzeit echtes Leben einhauchen. Außerhalb der vom Punkrock inspirierten Stile gibt es auch viele experimentelle Rockbands wie SERENA MANEESH.

„Glitter“ klingt anders, aber immer noch sehr deutlich nach DAUFØDT. Vielleicht ist es eine Art Essenz der ersten beiden Longplayer in puncto Schnittmenge und der gewissen Eingängigkeit. Gibt es Radiostationen in Norwegen, die eine Singleauskopplung wie „Knekken“ in ihre Playlists integrieren?
Danke schön! Leider gibt es nicht so viele Radiosender, die Bands aus unserem Genre spielen, außer minimal auf dem öffentlichen Sender NRK. Radio ist keine große Sache, denn es gibt nur eine Handvoll Stationen und diese spielen bevorzugt „nicht-herausfordernde“ Musik. Wir bekamen etwas Airplay mit ein paar Singles, aber es geht bei uns mehr um Live-Shows.

Das Ende der Welt scheint nicht weit weg zu sein und extreme Zeiten schreien nach extremer Musik. Welche Dinge werden auf „Glitter“ aus der Perspektive eines Teenagers angeprangert und hinterfragt?
In den Songs geht es um viele Dinge, die uns auf der Seele liegen: toxische Männlichkeit, religiöse Bigotterie, das Gefühl, vom Leben überwältigt und überreizt zu sein. All das sind Themen, mit denen wir als relativ junge Menschen vertraut waren und die unser Leben regelmäßig negativ beeinflussten. Hoffentlich können andere junge Menschen damit etwas anfangen.

Einerseits ist eure Musik laut und zerstörerisch, aber es artet nie in unhörbare Lärmorgien aus. Müsst ihr im Proberaum ab und zu die Handbremse ziehen, um sicherzustellen, dass ein Track nicht „unhörbar“ wird? Wo liegt die Grenze dessen, was für euch musikalisch akzeptabel ist?
Wir haben eigentlich keine Grenzen, solange wir es selbst mögen! Wir haben alles gemacht, von „schlichter“ Rockmusik auf „1000 Island“ bis hin zu Lärm mit Lasse auf „Eksponeringsterapi“. Uns geht es wirklich darum, einen offenen Geist zu bewahren und unsere Zuhörer herauszufordern.