CITY AND COLOUR

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Being Dallas Green

Viele Leute sagen, dass es die persönlichste Art von Musik ist, wenn ein Künstler, nur mit einer Gitarre bewaffnet, Einblicke in sein Seelenleben gewährt. In diesen Songs gibt es keinen Krach, der die Intimität stören könnte ... Es gibt nur Dallas Green und seine Stimme. Ganz anders als bei seiner Hauptband ALEXISONFIRE benutzt der Kanadier auf seinem zweiten Album "Bring Me Your Love" eine melancholische Stimmung, um sich und die Dinge, die ihn beschäftigen, der Welt zu offenbaren. Er scheint traurig zu sein, da sich viele der zwölf Songs um den Tod und eher unerfreuliche Themen wie Einsamkeit drehen. Am Telefon antwortet mir jedoch ein grundsympathischer und ausgeglichener Musiker, der anscheinend noch viel vorhat.

Du hast mit deinem Soloprojekt mittlerweile schon genauso viel Erfolg wie mit deiner "Hauptband". Was sagen denn die anderen zu diesem Erfolg?

Die gehen da recht locker mit um. Man kann schon sagen, dass es im Grunde jeden überrascht hat, wie populär CITY AND COLOUR geworden ist.

Für viele Leute in Deutschland wird "Bring Me Your Love" dennoch das erste Album deines Soloprojektes CITY AND COLOUR sein, das sie in die Finger bekommen. Viele Leute, die dich nur als den Gitarristen und Sänger von ALEXISONFIRE kennen, werden erstaunt sein über die ruhige Seite, die sie von dir zu hören bekommen. Was denkst du, werden diese Leute denken?

Da gibt es bestimmt eine Menge Menschen, die so was nicht von mir erwartet hätten. Die Sache ist so: Ich liebe jede Art von Musik. Ich mag es, sie zu hören, und ich mag es, sie zu spielen. Wenn man die meiste Zeit seines Lebens damit verbringt, "Rockmusik" oder von mir aus auch "Heavy Rockmusik" zu spielen, verspürt man manchmal auch den Drang, eine andere Seite von sich auszudrücken.

Deine Songs sind wirklich sehr persönlich und von einer ruhigen Stimmung geprägt. Gibt es etwas, was die Leute über dich wissen sollten, bevor sie sich mit "Bring Me Your Love" auseinandersetzen?

Nicht unbedingt. Eigentlich möchte ich nur, dass die Leute offen für neue Sachen sind, wenn sie sich das Album anhören. Natürlich erwarte ich auch nicht, dass alle das Album mögen. Das wäre auch ein ganz falscher Weg, um sich mit dem Musikmachen auseinander zusetzen: "Ich mache eine Platte und hoffe, dass sie den Leuten gefällt." Die meisten Menschen hören Musik auf so verschiedene Art und Weise und allein daher kann man nicht erwarten, dass es allen gefällt. Du kannst nur hoffen, dass du die besten Songs schreibst, die du kannst, und dass jemand dich versteht.

Deine Lyrics sind sehr persönlich und du beschreibst in einer direkten, aber dennoch poetischen Sprache deine Gefühle. Da du auf dem ganzen Album immer aus der "Ich-Erzähler"-Perspektive singst, habe ich mich gefragt, ob du nur über dich selbst singst oder ob du dich in eine andere Person hineinversetzt.

Bei CITY AND COLOUR singe ich hauptsächlich auch für mich selber. Ich singe über Sachen, die mich beschäftigen und über die ich reden möchte. Dafür kann ich dieses Soloprojekt benutzen und mir fällt es auch nicht leicht, mich in andere Charaktere zu versetzen. Ich bin wirklich besser darin, direkt zu sein, und versuche dem Zuhörer klarzumachen, wie es mir gerade geht.

Bei der melancholischen Grundstimmung und den vielen Songs über den Tod auf "Bring Me Your Love" dachte ich wirklich, dass du dich eher als Geschichtenerzähler siehst.

In den letzten Jahren ist der Tod zu etwas geworden, über das ich sehr viel nachgedacht habe. Sei es, dass Leute, die ich kenne, gestorben sind, oder dass viele Kids mir E-Mails geschrieben und mir gesagt haben, wie sehr meine Musik ihnen durch eine schwierige Zeit geholfen hat. Zum Beispiel waren da auch Leute, die meine Songs auf Beerdigungen gespielt haben. Des Weiteren ist mir aufgefallen, dass ich, je älter ich werde, mir auch mehr Gedanken über das mache, was es heißt, tot zu sein. Das hat sich dann in die Songs eingeschlichen, auf dieser Platte viel häufiger als auf "Sometimes".

Kann man dann sagen, dass "Bring Me Your Love" ist ein Album über den Konflikt zwischen dem Tod und dem Leben?

So kann man das definitiv sehen. Es gibt viele Songs, in denen ich jemandem sage, dass ich ihn liebe, aber auf der anderen Seite sind da, wie schon gesagt, auch diese Songs über den Tod. Dennoch sollte das Ganze nicht als Konzeptplatte aufgefasst werden.

Schon auf deinem Debütalbum "Sometimes" hast du tiefe Einblicke in dein Seelenleben gewährt. Ist es für dich nicht seltsam, dass so viele unbekannte Menschen eine sehr intime Seite von dir entdecken können und damit ein Teil deines Lebens werden?

Wenn ich die Songs schreibe, dann mache ich es in erster Linie, um mir zu helfen. Wenn ich sie dann veröffentliche, hoffe ich, dass es auch Leute gibt, die mit den gleichen Ängsten und Problemen umgehen müssen. Vielleicht können ihnen meine Songs dabei helfen, diese Probleme zu überstehen. Es ist für mich irgendwie auch eine Ehre, wenn jemand zu mir kommt und mir sagt, dass meine Musik ihm oder ihr durch schwere Zeiten geholfen hat. Alles, was mir übrig bleibt, nachdem ich die Songs veröffentlich habe, ist, dass man versteht, was ich sagen wollte.

War es für dich einfach, das "Liebeslied" "The girl" aufzunehmen?

Wenn man heute ein Liebeslied für jemanden schreibt, gerät man in Gefahr, ausgelacht zu werden. Entweder bist du dann "Emo" oder nicht politisch genug. Schließlich gibt es zur Zeit genug Dinge, die nicht so laufen, wie sie sollten. Ich wollte jedoch einfach nur ein Liebeslied aufnehmen, mit dem ich jemand anderem sagen konnte, was ich fühle.

Anscheinend setzt du dich sehr intensiv mit den Dingen, die dich beschäftigen, auseinander. Was machst du denn, wenn du mal keine Musik machst?

Oh, eigentlich mache ich das die ganze Zeit. Wenn ich bei ALEXISONFIRE mal eine Auszeit nehmen kann, arbeite ich an den CITY AND COLOUR-Sachen. Ich bin also komplett verplant. Ich sitze eher selten herum. Man kann schon sagen, dass ich ununterbrochen Musik mache.

Kannst du dich daran erinnern, wer dich am meisten beeinflusst hat, als du mit dem Musikmachen angefangen hast?

Als ich zehn oder elf war, fing Grunge an populär zu werden. NIRVANA und PEARL JAM haben mich damals infiziert. Ich weiß nicht genau, was es war, aber irgendetwas in dieser Musik startete eine Kettenreaktion in mir. Grunge war meine Grundlage, als ich mit dem Gitarrespielen anfing. Mein erstes Konzert war eines von PEARL JAM. Sie haben als Vorgruppe für Neil Young gespielt und ohne dieses Konzert, vermute ich, wäre ich nicht auf Neil Young gekommen, der mich bis heute immer noch beeinflusst. Ich bin der Meinung, dass es gut ist, wenn man als junger Mensch aggressive Musik hört. Es sind die intensiven Momente, die man braucht, um sich mit dieser Musik zu verbinden.