ASKING ALEXANDRIA

Foto© by Karo Schäfer

Rückbesinnung

Ein entspannter Ben Bruce sitzt mir gegenüber, bereit über das neue Album „See What’s On The Inside“ zu reden. Im Hintergrund hört man seine Kinder spielen und einen Hund bellen. Der britische Gitarrist wirkt voller Leidenschaft für das neue Werk seiner Band, was er im Gespräch auch immer wieder betonen wird.

Ich habe schon in einigen Interviews gehört, dass diese anderthalb Jahre Pause, die die Musikindustrie ertragen musste, bei allen Nachteilen, auch einigen Künstler:innen die Chance gegeben hat, durchzuatmen und sich neu zu finden.

Natürlich hat diese Pandemie für viel Leid gesorgt und auf der ganzen Welt zu schrecklichen Bildern geführt. Aber sie hat uns auch Zeit gegeben, ich konnte mal wirklich Vater sein und Zeit zu Hause mit meiner Frau und meinen Kindern verbringen. Für uns war diese Auszeit wirklich wichtig. In den letzten zehn Jahren unserer Karriere hieß es immer nur: „Go! Go! Go!“ Wir kamen von einer Tour? Okay, dann geht es ans nächste Album. Das drehte sich dann immer im Kreis, man nennt es ja „Albumcycle“. Du machst immer weiter. Da kann man schon den Weg aus den Blick verlieren, den man eigentlich eingeschlagen hatte. Nun konnten wir uns mal zurücklehnen und an das erinnern, was ASKING ALEXANDRIA eigentlich für uns war, als wir noch Teenies waren, die zusammen im Proberaum standen, dieses Gefühl wieder einfangen. Zum ersten Mal seit einer Dekade waren wir wieder gemeinsam im Studio, alle fünf von uns. Diese Energie im Raum, das Hin und Her der Ideen, das war aufregend!

Hat sich deiner Meinung nach auch die Dynamik innerhalb der Band während dieser Zeit im Studio verändert?
Absolut. Hier ist das Geheimnis von ASKING ALEXANDRIA: Wir sind nicht Ben Bruce und Danny Worsnop. ASKING ALEXANDRIA sind Ben, Danny, James, Cam und Sam. Wir fünf sind ASKING ALEXANDRIA. Dann sind wir am besten, am echtesten. So waren wir auf unserem ersten Album „Stand Up And Scream“ und dieses hat für uns alle Türen geöffnet. Es war nichts komplett Verrücktes, aber es hat die Magie eingefangen, die wir fünf zusammen haben. Und nun haben wir dies zum ersten Mal wieder geschafft. Ich denke, dadurch hat sich die Dynamik in der Band verändert. Einfach beisammenzusitzen, dass ich einfach meine Gitarre in die Hand nehmen kann und ein Riff direkt zeigen, alle steigen ein und wir jammen. All das hat einen kreativen Fluss erzeugt, der uns zu ASKING ALEXANDRIA macht. Und das hat uns bei den letzten Alben gefehlt. Es fühlt sich wieder frisch und spannend an. Es ist wirklich schade, wenn Bands das verlieren, aber das ist auch fast unumgänglich. Denn das, was häufig hinter den Kulissen passiert, ist meistens kein magischer Prozess, das ist alles sehr mechanisch. Aber diese Aufregung wieder zu haben und aufnehmen zu können, ist schon etwas Besonderes. Diese Gemeinsamkeit wieder zu spüren. Das Schlagzeug, das du hörst, ist auch genau das, was wir aufgenommen haben. Wir haben es nicht durch Samples ersetzt. Die Gitarren haben wir durch echte Verstärker und Boxen aufgenommen und nicht direkt in den Computer gespielt. Es gibt keine Synthies oder Sound-Programme. Es waren einfach nur wir. Dieses Album könnte nicht mehr ASKING ALEXANDRIA sein.

Mit eurem letzten Album „Like A House On Fire“ gab es ja eine Veränderung im Sound. Wie würdest du nun das neue Album einschätzen? Ist es der nächste Schritt oder eine weitere Neuausrichtung?
Ich glaube, man kann das gar nicht vergleichen. Bei „Like A House On Fire“ habe ich alle Songs zu Hause geschrieben, in meiner Komfortzone. Es war niemand da, der mich hätte fordern können, außer unserem Produzenten. So sind die Songs entstanden. Wir haben die Drums programmiert, Synthies und Geigen programmiert und dann die Songs an die Jungs geschickt. Die haben dann diese Parts neu aufgenommen. Das ist ja jetzt alles anders gelaufen. Es ist in keiner Weise eine Fortsetzung. Wir haben uns über die Jahre verändert, unser Stil hat sich verändert, wir wollen auch einfach nicht immer das Gleiche machen. Aber es gab einen Weg, dem wir gefolgt sind, den man auch vorhersehen konnte. Das ist nun nicht mehr der Fall. Eher sind wir ein paar Schritte zurückgegangen zu einem Album in der Mitte unserer Karriere, „From Death To Destiny“, auf dem wir wirklich unsere Liebe für Rock und Metal-Musik zugelassen haben. Aber wir hatten noch nicht das Selbstvertrauen, um es wirklich gut umzusetzen. Und wir hatten damals interne Probleme, es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht. So gesehen knüpfen wir eher wieder an dieses Album an, hören wieder die gleichen Bands wie damals: METALLICA, PANTERA, QUEEN, LED ZEPPELIN, AC/DC, NIRVANA, SOUNDGARDEN. Diese ganzen Rockbands. Aber dieses Mal hatten wir einfach das nötige Selbstvertrauen.

Glaubst du, dass euer Publikum für diesen Sound offen ist? Ich meine, jeder kennt NIRVANA, aber Menschen um die zwanzig haben vielleicht noch nicht von SOUNDGARDEN gehört.
Ich hoffe es. Unsere Fans sind recht unterschiedlich. Auf unseren Shows sind Leute um die fünfzig mit ihren zwanzig Jahre alten Kindern. Und die haben dann auch schon kleine Kinder auf ihren Schultern, haha! Das ist wirklich cool! Ich hoffe sehr, dass unsere jüngeren Fans diese Einflüsse sehen und dann die alten Bands auschecken. Und die älteren Fans erkennen sie hoffentlich auch. Aber Musik ist offen für Interpretationen. Du kannst dir rausziehen, was du brauchst oder willst. Auch wenn du nicht hörst, was wir hörten, als wir den Song geschrieben haben. Hoffentlich nehmen sie einfach nur das mit, was wir empfunden haben, und das ist so viel Freude, machen zu können, was wir machen. Das ist so wichtig. Ich weiß noch, als ich ein Kind war, habe ich mal das „Black Album“ von METALLICA gehört und aus Versehen Shuffle statt Play gedrückt. Es ging also nicht mit „Enter sandman“ los, sondern mit „Through the never“. Das war ein einschneidendes Erlebnis, es war, als wäre ich neu geboren. Das Riff hat einfach meinen Körper übernommen, ich war so elektrisiert. Das ist, was ich für die Leute will, wenn sie „Alone again“ anmachen. Dass dieses Riff am Anfang diese Energie erzeugt. Hoffentlich kann unser Album dies wenigstens immerhin für eine Person auf der Welt leisten.

Haha, ich hatte ein ähnliches Erlebnis mit „Run to the hills“ von IRON MAIDEN, ich dachte, mein Kopf explodiert!
Ja, genau. Das ist, was ich will! Das ist mein Ziel!