ASKING ALEXANDRIA

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Was muss das muss

Für die Veröffentlichung ihres sechstes Studiowerks „Like A House On Fire“ hätten sich die Briten zweifelsfrei andere Rahmenbedingungen gewünscht. Warum eine Verschiebung des Release-Termins dennoch nicht infrage kam und was ihn am meisten an der Corona-Krise abfuckt, erklärt uns Klampfer Ben Bruce im Interview.

In wenigen Wochen kommt eure neue Platte „Like A House On Fire“ raus. Könnt ihr das angesichts der aktuellen Situation überhaupt irgendwie genießen?

Tatsächlich ändert sich das jeden Tag. Manchmal bin ich total aufgeregt und hoffnungsvoll, dann wieder total niedergeschlagen. Wir haben echt lange an der Scheibe gearbeitet und große Pläne für den Release und Shows geschmiedet. Und vieles davon ist nun den Bach heruntergegangen. Aber hey, am Ende des Tages ist das alles eine temporäre Geschichte. Wir freuen uns jedenfalls schon darauf, wieder auf Tour gehen zu dürfen, um dieses Album gebührend zu feiern.

Schon vor längerem habt ihr gesagt, es gebe auf der Scheibe Songs über „Triumph, Stärke und Widerstandsfähigkeit“. Ebenso wie Titel über „Einsamkeit oder Hoffnungslosigkeit“. Bekommt das Album aufgrund der aktuellen Situation noch einmal eine ganz andere Bedeutung?
Absolut. Für mich ist es zuletzt zu dem berühmten Licht am Ende eines ziemlich dunklen Tunnels geworden. Wir hatten als Band schon mit viel Scheiße und Schwierigkeiten zu tun, und wir haben das gegenüber unseren Fans immer sehr offen und ehrlich gehandhabt, meiner Meinung nach. Dieses Album verkörpert für mich die Stärke, die wir daraus gewonnen haben. Drogen und Alkohol, Todesfälle im Freundeskreis. Dannys damaliger Abschied ... und jetzt die aktuelle Krise. Es war eine wilde Fahrt. Ich habe aber das Gefühl, dass wir mit der Platte gerade wieder auf bessere Zeiten zusteuern.

Inwiefern hat sich deine ganz persönliche Wahrnehmung der Songs zuletzt verändert?
Meine Wahrnehmung ändert sich ständig, je länger ich mit den Songs lebe. Es passieren immer wieder neue Dinge in unserem Leben, ich mache neue Erfahrungen. Und dabei entdecke ich immer wieder neue Parallelen und Dinge, die sich in den Songs wiederfinden. Und das gilt wirklich für alle Songs, die alten wie die neuen.

Das Album verkörpert ohne Frage den nächsten Schritt in eurer musikalischen Entwicklung. Wie, glaubst du, werden es die Fans aufnehmen?
Ich habe das Gefühl, dass neunzig Prozent unserer Fans diese Weiterentwicklung von Platte zu Platte nachvollziehen können und sie auch gut finden. Zehn Prozent sind wiederum immer ein wenig verwirrt. Aber das Schöne ist: nachdem sich Leute mit unseren Alben auseinandergesetzt haben, kommen sie meistens wieder und sagen: Hey, das war doch richtig cool! Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt. Viele werden das Teil lieben, andere werden ein paar Durchläufe benötigen. Aber das ist ja auch das Wunderbare bei der Musik: Sie kann gemeinsam mit den Menschen wachsen.

War eine Verschiebung des Release-Datums für euch ein Thema? Warum habt ihr euch dazu entschieden, den ursprünglich angepeilten Termin beizubehalten?
Das wurde tatsächlich von unseren Partnern an uns herangetragen. Auch mit dem Ziel, mehr Alben verkaufen zu können. Aber das war zu keiner Zeit eine Option für uns. Wir wollen unsere neuen Songs mit den Menschen da draußen teilen. Wir wollen ihnen etwas geben, das ihnen in diesen schweren Zeiten womöglich eine Hilfe sein kann.

Kannst du es nachvollziehen, wenn Bands sich in dieser Frage anders entscheiden?
Ja, ich kann das schon verstehen. Jede Band hat individuelle Verträge und Vereinbarungen mit ihrem Label. Jede Band befindet sich auch finanziell in einer individuellen Lage. Und jede Band muss für sich jetzt die beste Entscheidung treffen. Es ist einfach von Fall zu Fall verschieden, da gibt es keine pauschale Antwort.

Ihr werdet nicht die Möglichkeit haben, die Platte in den kommenden Monaten auf Tour zu promoten. Wie hart trifft euch das – auch in finanzieller Hinsicht?
Was die Kohle angeht, sind es tatsächlich ziemlich herausfordernde Zeiten. Kein Wunder, etwa achtzig Prozent unserer Einnahmen generieren wir beim Touren. Aber ehrlich gesagt ist der finanzielle Schaden nicht einmal ansatzweise so schlimm wie der psychische. Das Touren war schon immer fester Bestandteil unseres Lebens. Wir waren jetzt länger als ein Jahrzehnt ständig unterwegs, haben so ziemlich unser gesamtes Erwachsenendasein auf der Bühne verbracht. Wenn dir das plötzlich genommen wird, ist das verdammt hart. Wir sehnen uns wirklich nach dem Moment, in dem wir wieder eine Show spielen dürfen.

Ist es für euch als eine Band von gewissem internationalen Status und Bekanntheit einfacher, mit der aktuellen Krise umzugehen?
Ja, hundertprozentig. Wir haben natürlich schon etwas mehr Einfluss und Bekanntheit und können uns so ein wenig besser durch die Krise manövrieren. Ich denke aber oft an Künstler, die es vielleicht noch nicht auf dieses Niveau geschafft haben, und werde dann sehr nachdenklich und traurig, weil ich genau weiß, wie schwierig die Situation für sie ist. Glücklicherweise gibt es in der Musikindustrie ja aber auch solidarische Aktionen für jene, die mehr Hilfe benötigen als wir.

Wie hat sich euer Bandalltag durch die Krise verändert?
Wir sind alle sehr eng befreundet. Auch wenn wir nicht auf Tour sind, hängen wir oft zusammen ab, gehen gemeinsam essen oder abends raus. Wie so ziemlich für jeden ist all das jetzt sehr schwierig geworden oder nicht mehr möglich. Das gilt auch fürs Proben. Das ist natürlich irgendwie merkwürdig, aber gerade leider nicht zu ändern.

Viele Bands streamen aktuell Live-Shows im Internet. Habt ihr diesbezüglich etwas geplant?
Ich finde das echt schwierig. Es ist das Schönste am Musikerdasein, wenn du eine Show vor deinem Publikum spielst. Diese Energie kannst du nirgendwo anders fühlen, und du kannst sie auch nicht reproduzieren. Es ist einfach magisch. Und ein gestreamtes Konzert hat das einfach nicht. Damit müsste ich mich wohl wirklich erst mal arrangieren.