100 KILO HERZ liefern mit bemerkenswerter Konstanz intelligenten und tanzbaren Punkrock auf hohem Niveau ab. Nachdem die Band Anfang des Jahres mit „Akustisch im Gewandhaus“ bereits ein gefühlvolles Live-Album veröffentlicht hat, legen die sechs Leipziger mit „Zurück nach Hause“ am 1. September ihr drittes Studioalbum nach, das so wirkt, als sei es in derselben Schaffensphase wie die beiden Vorgänger entstanden und zugleich deren kondensierte Essenz. Es bietet zwölf typische 100 KILO HERZ-Songs im bewährten und mit Hilfe von Produzent Michael Czernicki nochmals verfeinerten Brass-Punk-Songwriting. Das macht sich besonders beim Gitarrensound, beim Schlagzeug und beim Gesang bemerkbar. Brass steht für den stilbildenden elementaren Einsatz von Saxofon und Trompete, jedoch ohne den für Ska-Punk typischen Offbeat, unter dem die Band oft rubriziert wird. „Zurück nach Hause“ ist in einen ersten eher politischen und einen zweiten eher persönlichen Teil gegliedert. Im ersten Teil thematisiert die Band die Flucht in den Alkohol („Lichter aus“) vor dem tristen Alltag, der von Gleichförmigkeit, uniformierten Bedürfnissen und Fremdsteuerung bestimmt ist („Und das nennt ihr dann Leben“). Anderen erscheint das Leben wie eine „Hölle in Pastell“, die hinter grauen Vorstadt-Fassaden von häuslicher Gewalt geprägt ist. Für diesen Song hat sich die Band gesangliche Unterstützung von Amy Vialon von KOPFECHO ins Studio geholt. „Es gibt Momente, wo Worte und Diskussionen nicht mehr helfen, wo ein entschlossenes Entgegentreten vielleicht das Einzige ist, was noch funktioniert“, antwortet Rodi im Interview mit dem Ox-Fanzine (#169) auf die Frage, ob Antifaschismus alles darf und verweist auf die Lyrics zu „Keine Zeit für Angst“, meinem Lieblingssong auf der LP. „Ich möchte endlich Wut / Ich will ein lautes Schreien / Wenn sie ihre Lügen brüllen, müssen wir noch viel lauter sein!“ Mit Nicholas Müller von JUPITER JONES hat die Band sich hier ein weiteres Mal gesanglichen Support gesichert. „Keine Zeit für Angst“ richtet sich gegen Resignation und ermutigt zum Widerstand. Auf die anhaltend schlimmen Bedingungen für zu Pflegende und Pflegende in der Care-Arbeit weisen 100 KILO HERZ in „Station 30“ hin: „Du hängst wieder in den Seilen und der Alltag frisst dich auf / Und kein Mensch weiß so gut wie du / Niemand kommt hier lebend raus“. Im zweiten Teil handeln die Lyrics allgemein gesprochen von der bisweilen untertemperierten zwischenmenschlichen Wärme in sozialen Beziehungen sowie von Selbstaufgabe und -aufopferung. 100 KILO HERZ spielen mit „Zurück nach Hause“ sämtliche vergleichbaren „Blaskapellen“ locker an die Wand. Ein starkes Album ohne Ausfall, auf dem Empathie und Haltung genauso im Gleichgewicht stehen wie das Verhältnis von schnellen und Midtempo-Songs. Ganz feiner Stoff. Einfach schön.
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