Nach seinem Tod im Jahre 1996 war das musikalische Vermächtnis von Jeffrey Lee Pierce lange Jahre nur noch schwer erhältlich, doch in den letzten Jahren änderte sich das und via Sympathy For The Record Industry erschienen Neuauflagen der GUN CLUB-Alben "Death Party", "Las Vegas Story" und "Miami" sowie von "Mother Juno" und dem Solo-Werk "Wildweed".
Mit der Serie 9Lives (die Pierce nicht hatte ...) wurde jetzt durch das niederländische Label Flow Records eine Rerelease-Serie ins Leben gerufen, die nach und nach neun Alben von Pierce beziehungsweise GUN CLUB nebst zusätzlicher Bonus-CD erneut verfügbar macht.
Alle Rereleases wurden betreut von Pierce-Biograph Gene Temesy, die drei oben zuerst erwähnten Über-Klassiker freilich fehlen bislang, aber vielleicht werden ja auch "12 Lives" aus der Serie ...
Jeffreys grandioses Soloalbum "Wildweed" von 1985 war zuletzt 1993 in Deutschland via WSFA in CD-Version aufgelegt worden und die letzten Jahre über wohl nicht mehr zu bekommen, was eine Schande war.
Denn Mr. Pierce, die Stimme und die Gitarre von GUN CLUB, zeigte sich mit diesem Album sowie der 12" "Flamingo" aus dem gleichen Jahr ("Get away" und der 12"-Remix von "Love & desperation" finden sich auf der CD als Bonustracks, während "No more fire" und "Flamingo parts 1 + 2" weiter auf eine Neuauflage warten müssen) in Höchstform.
Gleich drei Hits und Höhepunkte hat die in London aufgenommene Scheibe zu bieten: das tanzbare "Love and desperation" mit dem markanten Gitarrenakkord, das sehr gunclubbige Sex killer" und das mitreißende, punkige "Wildweed".
Leider ist das Coverartwork nicht original, sondern nur ein Ausschnitt, in zudem recht mieser Qualität. Und dabei ist das ein Foto, das für mich immer DAS typische JLP-Bild war: Der Herr in einem Wintermantel und mit Hut irgendwo in der Prärie stehend (okay, es war in England ...), ein Gewehr lässig auf der Schulter.
Irgendwie fand ich immer, dass Jeffrey hier so aussieht, wie seine Musik klingt: Einsame, verzweifelte Countrysongs der anderen Art, wobei JLP damals wohl Dylan und V.U. als starke Einflüsse empfand.
Eingespielt wurde die Platte seinerzeit kurz nach dem Split von GUN CLUB, mit dem damaligen CURE-Drummer Andy Anderson und John Mackenzie. Ein wirklich essentielles Album, das auch nach 20 Jahren noch völlig zeitlos wirkt.
Für "Mother Juno" rauften sich Pierce und Kid Congo Powers als zentrale GUN CLUB-Mitglieder 1986 wieder zusammen und nahmen mit Romi Mori als Bassistin und Nick Sanderson (Ex-CLOCK DVA) als Drummer (sowie Blixa Bargeld bei "Yellow eyes" als Gastgitarrist) in Berlin ein neues Album auf.
Produziert wurde es von Robin Guthrie von den COCTEAU TWINS, eine Band, von der JLP wohl immer ein großer Fan war. GUN CLUB zeigen sich auf diesem Album härter als noch auf "Las Vegas Story", doch unterm Strich ist "Mother Juno", das seinerzeit für das bald wieder verschwundene Red Rhino-Label aufgenommen wurde, dann eben doch wieder ein typisches GC-Album, das geprägt wird von JLPs Gesang, der auch hier wieder sehr prägnat und teils recht hallig auf der Musik thront.
GUN CLUB waren, das macht auch diese Neuauflage klar, wahre Meister des Americana-Sounds, nur dass das damals keiner so nannte. Nein, ihr Platz war einst zwischen NICK CAVE & THE BAD SEEDS, DINOSAUR JR, HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH, ihre Platten gehörten in jede gute Sammlung.
Auf der Bonus-CD finden sich die "Berlin Tapes", andere Versionen der Album-Songs aus den gleichen Aufnahmesessions. Noch vor "Mother Juno" war 1985 das Livealbum "Danse Kalinda Boom" erschienen, das ein Jahr zuvor in Rotterdam mitgeschnitten worden war und auf dessen Bonus-CD sich ein weiteres Konzert findet, das 1983 in Australien mitgeschnitten wurde und dessen Tracklist sich nicht mit den "Danse ..."-Songs überschneidet.
Beide Aufnahmen zeigen, was für ein brillanter Perfomer Jeffrey war, ganz egal wie chaotisch sich die Situation durch plötzlich ausgestiegene oder frisch rekrutierte Bandmitglieder auch gestaltete.
1993 erschien mit "Lucky Jim" das dann leider letzte GUN CLUB-Album, und wie Gene Temesy in seinen Linernotes schreibt, wusste in den frühen Neunzigern keiner so recht, ob die Band noch existiert, und wenn ja, wer dabei ist.
In einer Dreier-Besetzung mit Romi Mori und Nick Sanderson entstanden schließlich in einem Studio in den Niederlanden die zehn Songs von "Lucky Jim" (zum Titel wurde Pierce inspiriert durch seine Reisen durch Fernost, speziell Vietnam), und die Neuauflage wurde ergänzt durch den Bonus-Track "Blue monsoons".
Auf der zweiten CD finden sich 13 weitere Tracks, alle unveröffentlicht und aus der gleichen Zeit. JLP war damals gesundheitlich schon schwer angeschlagen, Leberzirrhose und Hepatitis C machten ihm das Leben schwer, doch seine Musik war so einzigartig und brillant wie eh und je, mit dem Titelsong "Lucky Jim" gelang ihm zudem noch ein später Klassiker.
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