Nachdem Sympathy For The Record Industry unlängst die Alben "Death Party", "Las Vegas Story" und "Miami" neu aufgelegt hat, gibt's jetzt den nächsten Teil der Aufbereitung des Vermächtnisses von Jeffrey Lee Pierce: GUN CLUBs "Mother Juno"-Album von 1987 sowie Jeffreys grandioses Soloalbum "Wildweed" von 1985.
Letzteres war zuletzt 1993 in Deutschland via WSFA in CD-Version aufgelegt worden und die letzten Jahre über wohl nicht mehr zu bekommen, was eine Schande war. Denn Mr. Pierce, die Stimme und die Gitarre von GUN CLUB, zeigte sich mit diesem Album sowie der 12" "Flamingo" aus dem gleichen Jahr ("Get away" und der 12"-Remix von "Love & desperation" finden sich auf der CD als Bonustracks, während "No more fire" und "Flamingo parts 1 + 2" weiter auf eine Neuauflage warten müssen) in Höchstform.
Gleich drei Hits und Höhepunkte hat die in London aufgenommene Scheibe zu bieten: das tanzbare "Love and desperation" mit dem markanten Gitarrenakkord, das sehr gunclubbige "Sex killer" und das mitreißende, punkige "Wildweed".
Leider ist das Coverartwork nicht original, sondern nur ein Ausschnitt, in zudem recht mieser Qualität. Und dabei ist das ein Foto, das für mich immer DAS typische JLP-Bild war: Der Herr in einem Wintermantel und mit Hut irgendwo in der Prärie stehend (okay, es war in England ...), ein Gewehr lässig auf der Schulter.
Irgendwie fand ich immer, dass Jeffrey hier so aussieht, wie seine Musik klingt: Einsame, verzweifelte Country-Songs der anderen Art, wobei JLP damals wohl Dylan und V.U. als starke Einflüsse empfand.
Eingespielt wurde die Platte seinerzeit kurz nach dem Split von GUN CLUB, mit dem damaligen CURE-Drummer Andy Anderson und John Mackenzie. Sehr gut: Die Linernotes von Stevo Olende. Ein wirklich essenzielles Album, das auch nach 20 Jahren noch völlig zeitlos wirkt.
Für "Mother Juno" rauften sich Pierce und Kid Congo Powers als zentrale GUN CLUB-Mitglieder 1986 wieder zusammen und nahmen mit Romi Mori als Bassistin und Nick Sanderson (Ex-CLOCK DVA) als Drummer (sowie Blixa Bargeld bei "Yellow eyes" als Gastgitarrist) in Berlin ein neues Album auf.
Produziert wurde es von Robin Guthrie von den COCTEAU TWINS, eine Band, von der JLP wohl immer ein großer Fan war. GUN CLUB zeigen sich auf diesem Album härter als noch auf "Las Vegas Story", Linernote-Schreiber Steve Olende spricht sogar von "swamp rock".
Doch unterm Strich ist "Mother Juno", das seinerzeit für das bald wieder verschwundene Red Rhino-Label aufgenommen wurde, dann eben doch wieder ein typisches GC-Album, das geprägt wird von JLPs Gesang, der auch hier wieder sehr prägnat und teils recht hallig auf der Musik thront.
GUN CLUB waren, das macht auch diese Neuauflage klar, wahre Meister des Americana-Sounds, nur dass das damals keiner so nannte. Nein, ihr Platz war einst zwischen NICK CAVE & THE BAD SEEDS, DINOSAUR JR, HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH, ihre Platten gehörten in jede gute Sammlung.
Und so ist das auch heute noch. Mit "Crabdance" und "Nobody's city" gibt's auch hier zwei Bonus-Songs. (9/8)
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