An einem Sonntag Ende März 1996 verstarb Jeffrey Lee Pierce, Gründer der Band THE GUN CLUB, im Alter von 38 Jahren an einem Blutgerinsel im Hirn, Folge eines exzessiven Lebenswandels geprägt durch Alkohol und Drogen. Anfang bzw. Mitte der 80er waren THE GUN CLUB eine der wahrscheinlich einflussreichsten Bands der Musikszene in Los Angeles, schon alleine wegen ihres legendären Debütalbums „Fire of Love“. Was Pierce und THE GUN CLUB auszeichnete, war ihre wilde, rohe Verschmelzung von Punk und Blues, eingefangen in Killer-Songs wie „Sex Beat“ und „She’s Like Heroin to Me“, in etwa vergleichbar mit dem, was die CRAMPS fast zur selben Zeit ähnlich legendär mit Rockabilly angestellt hatten. Mit Pierce verabschiedete sich ein begnadeter Musiker – leider mal wieder viel zu früh –, der in den 90ern vor allem mit seiner angeschlagenen Gesundheit zu kämpfen hatte, was ihn aber nicht daran hinderte, 1994 mit „Lucky Jim“ noch ein letztes großartig bluesiges Album aufzunehmen. Uns bleibt zumindest seine Musik, die einer der wenigen wahrhaftigen amerikanischen Rockbands. Rest easy Jeffrey Lee, and thanks for the music!
Wie alles begann I:
Jeffrey Lee Pierce, Gründer, Sänger und Gitarrist der Band THE GUN CLUB, wurde am 27. Juni 1958 in Kalifornien geboren, zur Hälfte floss durch seine Adern mexikanisches Blut. Bevor er selbst Musik machte, war er Vorsitzender des BLONDIE-Fan-Clubs und arbeitete in Los Angeles als Musikjournalist für das Punk-Fanzine „Slash“, das sich aus Claude Bessys Reggae-Fanzine „Angeleno Dread“ entwickelte. Seinen musikalischen Vorlieben entsprechend schrieb er neben Punk vorwiegend über 50er-Jahre-Rock-a-billy, 30er-Jahre-Blues und eben Reggae. Über letzteres unter dem Namen „Ranking Jeffrey Lea“. 1979 unternahm er deswegen auch einen Trip nach Jamaica und hing dort mit Winston Rodney ab, auch bekannt als Burning Spear.
Im selben Jahr gründete Jeffrey Lee Pierce zusammen mit Kid Congo Powers, selbst Vorsitzender des RAMONES-Fan-Clubs, den er während eines PERE UBU-Gigs traf, die Band CREEPING RITUAL. Den ersten Auftritt bestritt man aber als THE CYCLONES, mit einem gewissen Pleasant Gehman als Sänger. Powers sollte ursprünglich der Sänger der Band werden, als er das nicht wollte, machte Pierce ihn zum Gitarristen, indem er ihm seine Gitarre und Verstärker lieh, und als Anschauungsmaterial LPs der THE SLITS und Bo Diddley
Neben Jeffrey Lee Pierce und Kid Congo Powers gehörten Brad Dunning (Drums) und Don Snowden (Bass) – damals Musikkritiker für die L.A. Times – zur Anfangsformation. Dunning und Snowden verließen die Band und wurden 1980 durch zwei Mitglieder der LA-Punk Band THE BAGS ersetzt, nämlich Terry Graham (Drums) und Rob Ritter (Bass). In den Anfangsjahren trat die Band lediglich in China-Restaurants – zu ihrem Repertoire gehörten auch kantonesische Volkslieder – oder in der Umgebung von Los Angeles im Vorprogramm von bereits bekannten LA-Punk Bands wie z.B. X auf.
Die einzigen Aufnahmen aus dieser Zeit (mit Kid Congo Powers an der Gitarre) wurden 1983 unter dem Titel „The Birth, the Death, the Ghost“ von ABC-Records veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um verschiedene Konzertmitschnitte von Lois Graham, dem Bruder des Schlagzeugers. Die Aufnahmen sind zwar nur von mäßiger Tonqualität, vermitteln aber dennoch einen guten Eindruck von der ursprünglichen Kraft der Band und sind authentischer als spätere offiziell veröffentlichte Livealben wie das kraftlos wirkende „Dance Kalinda Boom“ aus dem Jahr 1985.
Die Umbenennung in THE GUN CLUB erfolgte 1980. Der Name stammt übrigens von Pierces ehemaligem Mitbewohner Keith Morris, seinerzeit Sänger bei BLACK FLAG. Im Gegenzug schrieb Jeffrey Lee Pierce für ihn den Song „Group Sex“, den Morris später sogar als Albumtitel für seine nächste Band CIRCLE JERKS verwendete.
Wie alles begann II:
Irgendwann 1981 – nachts lief auf BFBS „John Peel’s Music“ – hörte ich zum ersten Mal die beiden Titel „Ghost on the Highway“ und „She’s like Heroin to me“ von THE GUN CLUB – und ich war begeistert. Dieser energiegeladene Punk mit Slideguitar – das war etwas ganz Neues. Meine Begeisterung hielt an, als ich später die erste GUN CLUB-LP „Fire of Love“ in den Händen hielt, erschienen auf Ruby, dem Slash-eigenen Label von Chris D., dem Kopf der FLESH EATERS.
Auf der Vorderseite befinden sich vor einem rosa Hintergrund drei ausgeschnittene Fotos von Farbigen, die sich mit Voodoo-Praktiken befassen. Sie halten Totenschädel und Schwerter in ihren Händen. Auf der Rückseite befinden sich zwei Reihen mit Flaschen und Gläsern, die auf ihrem Etikett ein Bild mit dem jeweiligen Songtitel tragen. So z.B. die Zeichnung einer Mumie auf einem Highway, oder eine Frau in einer Spritze stehend – „She’s like heroin the me, she cannot miss a vein“. Zwischen diesen beiden Reihen befindet sich eine Art Altar mit Voodoo-Utensilien und vier Schnapsflaschen. Bezeichnenderweise sind auf den Flaschen die Musiker abgebildet. Neben Jeffrey Lee Pierce sind dies: Ward Dotson (Gitarre), Rob Ritter (Bass) und Terry Graham (Schlagzeug). Beim Song „Promise Me“ an der Violine übrigens Tito Larriva von den PLUGZ, einer der frühen L.A.-Punkbands, aus denen später die CRUZADOS wurden. Tito Larriva komponierte später den Soundtrack von „Repo Man“ und gründete TITO & TARANTULA, vielen sicher aus der Saloon-Szene in „From Dusk Till Dawn“ bekannt. Kid Congo Powers hatte den GUN CLUB zum Zeitpunkt des Erscheines der 1. LP bereits verlassen und spielte nun bei den CRAMPS Gitarre (auf den beiden Alben „Psychedelic Jungle“ und „Smell of Female“).
Als Jeffrey Lee Pierce seine ersten Stücke schrieb, war er erfüllt von heftigsten Emotionen: deprimiert, entmutigt und enttäuscht. Folglich drehten sich seine Texte um Sex, Mord, Drogen, Wahnsinn, Verzweiflung, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und unerfüllte Sehnsüchte; also um Dinge, über die eigentlich niemand wirklich gerne sprach.
Einen Punkrock-Klassiker schuf Jeffrey Lee Pierce mit dem Song „Sex Beat“ – wie kompliziert wir uns auch unser Leben zu machen verstehen, landen wir doch immer wieder bei den Basics. Neben den Blues-Klassikern „Preachin’ the Blues“ von Robert Johnson und „Cool Drink of Water“ von Tommy Johnson ist noch das Stück „For the Love of Ivy“ besonders erwähnenswert, eine Liebeserklärung von Jeffrey Lee Pierce und Kid Congo Powers an die CRAMPS-Gitarristin Ivy Rorschach.
Mit ihrer wilden und neuen Mixtur aus Rock’n’roll, Blues und Country fegten THE GUN CLUB wie ein Sturm über die Independent-Szene hinweg. 1982 nutzte Jeffrey Lee Pierce als ehemaliger Vorsitzender des BLONDIE-Fan-Clubs seine alten Beziehungen, um mit dem BLONDIE-Gitarristen Chris Stein als Produzent das zweite GUN CLUB-Album „Miami“ auf Animal Records aufzunehmen, dem von Stein gegründeten Label. Neben Stein wirkt auch Debbie Harry unter dem Pseudonym D.H. Lawrence Jr. als Backgroundsängerin mit. Jeffrey Lee Pierce verband eine tiefe Freundschaft mit den beiden BLONDIE-Musikern – so erklärt es sich auch, dass BLONDIE auf ihrem 1998er Comeback-Album „Exit“ Jeffrey Lee Pierce das Stück „Under the Gun“ widmeten.
Anknüpfend an das Debütalbum schafft Jeffrey Lee Pierce mit „Miami“ einen weiteren Meilenstein. Neben schnellen Punkstücken wie „Bad Indian“ und purem Country wie „Mother of Earth“, eigenwilligen Interpretationen des Reggaesongs „Watermelon Men“ der REVOLUTIONARIES und „Run through the Jungle“ von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL (Pierce verwendet hierbei Auszüge aus einem Willie Brown-Blues-Song, da er den Originaltext – nach eigener Aussage – nie ganz verstanden hat), sind es Stücke wie „Carry Home“ und „Devil in the Woods“, in denen diese verschiedenen Einflüsse zu einer genialen Mischung verarbeitet werden. Damit schaffen THE GUN CLUB eine Grundlage für Bands, die später einmal mit der Bezeichnung „Cow Punk“ einen neuen Musikstil kreieren sollen.
Aufgrund der immer zahlreicher werdenden Alkohol- und Drogenexesse kommt es in der Folgezeit zu heftigen Umbesetzungen innerhalb der Band. Rob Ritter (Bass) wechselt zu 45 GRAVE und wird durch Patricia Morrison ersetzt; sie spielte zuvor bei den BAGS und LEGAL WEAPON.
Jeffrey Lee Pierce löst zwischenzeitlich die Band auf und nimmt in New York 1983 die EP „Death Party“ mit einer komplett neuen Besetzung auf. Produziert wurde diese Platte übrigens wieder von Chris Stein und ist auf Animal-Records herausgekommen. Neben der düsteren Ballade „The House on Highland Ave“ enthält diese 5-Track EP mit dem Song „Come back Jim“ einen ins Mark bzw. ins Tanzbein gehenden Punksong – GUN CLUB at its best.
Der Titeltrack „Death Party“, ein Midtempo-Stück mit einem monotonen Gitarrenriff und wüsten Rückkopplungen, entstand als Co-Produktion mit der LA-Legende FLIPPER. Eine spätere Soloplatte von Jeffrey Lee Pierce („Flamingo“) enthält eine neue Version des FLIPPER-Songs „Get away“.
Bei der folgenden Tour 1983 durch Australien ist zwar Patrica Morrison am Bass wieder dabei, diesmal sind es aber die anderen beiden Mitglieder, die vorzeitig aussteigen und Jeffrey Lee Pierce und Morrison zurücklassen. Jeffrey Lee Pierce versucht die fehlenden Musiker durch Australier zu ersetzten, und kann die Tour schließlich mit dem zurückgekehrten Gründungsmitglied Kid Congo Powers an der Gitarre fortsetzen.
Mit dem ebenfalls wieder zurückgekehrten Terry Graham am Schlagzeug folgen dann 1984 die Aufnahmen zum Album „The Las Vegas Story“, veröffentlicht auf Animal Records, die GUN CLUB zum eigentlichen Durchbruch verhelfen. Die LP beginnt mit den Worten: „This is the Las Vegas story, it’s the Story of a couple of...“, dann bricht die Stimme ab und im Bo Diddley-Beat beginnt das Stück „Walking with the Beast“, ein Song, den die Band mit Kid Congo Powers bereits fünf Jahre zuvor spielte.
Auf ihrer Europatournee 1984 waren THE GUN CLUB am 30. September auch erstmals in Hamburg zu sehen. Neben Patricia Morrison, die im Vampira-Look auftrat, war es Jeffrey Lee Pierce, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. In Kapitänsuniform und mit blond gefärbten Haaren stand er betrunken auf der Bühne und konnte zum Ende des Sets nur noch von Roadies gestützt die Bühne verlassen. Nichts desto trotz war es ein tolles Konzert – denn mit einer solchen Hingabe spielend habe ich THE GUN CLUB 1986 und 1987 nicht mehr gesehen.
Noch während GUN CLUB auf Tournee sind, kommt es zu einem endgültigen Zerwürfnis zwischen Jeffrey Lee Pierce und dem Schlagzeuger Terry Graham – mit dem Ergebnis, dass sich die Band gerade jetzt, als sie den Durchbruch geschafft hat, auflöst. Patricia Morrison wechselt zu SISTERS OF MERCY und landet später bei THE DAMNED (inzwischen verheiratet mit Dave Vanian). Jeffrey Lee Pierce spielt noch einige Konzerte unter dem Name GUN CLUB, dann widmet er sich einem Soloprojekt. Auf dem Plattenlabel Statik veröffentlicht er 1985 zusammen mit ehemaligen CURE- und SPEAR OF DESTINY-Mitgliedern sein Soloalbum „Wildweed“. Pierce lebt in dieser Zeit mit seiner neuen Freundin und Bassistin Hiromi Otari (alias Romi Mori) in London. Romi Mori wurde ihm während eines Gigs Ende 1984 in London zusammen mit den SCIENTISTS von Kim Salmon vorgestellt. Die hatte gerade die Photos für den Innenteil des Gatefold-Covers der SMITHS-Compilation-LP „Hatful of Hollow“ gemacht. Übrigens stammt das Bild auf dem Cover von „Wildweed“ nicht aus Texas oder Kansas – es zeigt Jeffrey Lee Pierce mit einer Schrotflinte auf der Schulter, vor einer Steppenlandschaft. Da kein Geld vorhanden war, wurde es an der Südküste Englands, in der Nähe des Kanals aufgenommen.
Während der „Wildweed“-Tour – man spielte 1985 übrigens auch in Deutschland – bekamen sie bei den Auftritten in den USA Schwierigkeiten, sowohl mit der Plattenfirma, die eine Japanerin als Musikerin nicht ernst nehmen konnte, als auch mit dem Publikum, das die Ironie der Rebellenflagge in der Bühnendeko nicht verstand. Die anhaltenden Vertragsprobleme mit der Plattenfirma führten zu dem Ergebnis, dass Jeffrey Lee Pierce nach einer Mini-LP mit dem Titel „Flamingo“ im Herbst 1986 stattdessen wieder mit einem neu reformierten GUN CLUB auf Europatournee ging.
Parallel dazu startete Jeffrey Lee Pierce eine kurze Spoken Word-Karriere und trat zusammen mit Lydia Lunch und Henry Rollins u.a. in London auf. Teile seiner Arbeiten wurden 1998 in dem Buch „Go tell the Mountain - the Stories and Lyrics of Jeffrey Lee Pierce“ von Rollins’ Verlag 2.13.61 veröffentlicht.
Neben Jeffrey Lee Pierce und Mori kehrte Kid Congo Powers trotz seines zwischenzeitlichen, dreijährigen Gastspiels (1986-1989) bei NICK CAVE & THE BAD SEEDS zum GUN CLUB zurück. Zusammen mit dem Schlagzeuger Nick Sanderson fand sich nun endlich ein Line-up, das bis zum Ende bestehen sollte. 1987 erscheint auf dem Label Red Rhino das vierte Studio-Album mit dem Titel „Mother Juno“. Diese Platte wurde in den Hansa-Studios in West-Berlin aufgenommen und von Robin Guthrie (COCTEAU TWINS) produziert, Blixa Bargeld (THE BAD SEEDS, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN) spielt bei dem Stück „Yellow Eyes“ Gitarre. Zwischen den Aufnahmen saß Jeffrey Lee Pierce im Foyer und sah sich das Programm des Musiksenders MTV im Fernsehen an. Nach Aussage von Jeffrey Lee Pierce war das für ihn sehr inspirierend, denn es zeigte ihm deutlich, wie er auf keinen Fall sein wollte.
Nachdem Pierce die vergangenen zwei Jahre in Deutschland, Großbritannien, Japan und in Vietnam verbracht hatte, kehrte er 1988 wieder nach Los Angeles zurück. Aufgrund innerer Schmerzen begab er sich hier in ärztliche Behandlung. Die Diagnose war niederschmetternd: als Folge einer anhaltenden Hepathitis und seines übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums heißt die Diagnose Leberzirrhose, Unterernährung sowie eine akute Herzinfarktgefahr. Ihm wird vorgeschlagen, einen Schwerbehindertenantrag zu stellen und aus dem Musikgeschäft auszusteigen.
Jeffrey Lee Pierce befand sich nun nach eigenen Angaben in der tiefsten und schwärzesten Phase seines Lebens: ohne Geld, komplett alkoholabhängig und ohne Plattenvertrag. Extrem depressiv und selbstmordgefährdet schrieb er dennoch Stücke für ein neues Album. Zu dieser Zeit hatte Jeffrey Lee Pierce nur einen Vorvertrag mit einer britischen Plattenfirma über Demoaufnahmen. Dieser Vertrag untersagte ihm aber in größeren Städten in Großbritannien aufzutreten, bevor die Plattenfirma etwas von ihm veröffentlicht hatte. GUN CLUB produzierten Demos und spielten Showcase-Gigs – fanden aber keine Zustimmung seitens der Plattenfirma. Ganz im Gegenteil: seine verbissenen und depressiven Texte wurden kritisiert und man hielt ihm vor, nicht wie die ROLLING STONES zu klingen. Wegen dieses acht Monate laufenden Vertrages konnten GUN CLUB während dieser Zeit nur in kleinen Städten und ohne Gage auftreten.
Erst im Herbst 1990 erschien auf dem Hamburger Independentlabel What’s So Funny About das fünfte GUN CLUB-Album mit dem geheimnisvollen Titel „Pastoral hide and seek“. Dies ist eigentlich der Titel des japanischen Films „Pastoral Hide-and-Seek“ von Shuji Terayama aus dem Jahre 1974. Mit dieser Platte wollte Jeffrey Lee Pierce mit den Punkrock-Verbindungen brechen, denn er war es Leid immer nur die alten Stücke zu spielen – ihn reizten jetzt etwas ausgefallenere Arrangements. Seine Stücke werden etwas ausgefeilter und klingen sauberer produziert, ohne allerdings an Härte einzubüßen, wie z.B. „Humanesque“ oder „The Great Divide“ eindrucksvoll dokumentieren. Auch wenn seine Musik etwas ruhigere Elemente aufweist, klassische Rock- oder Popsongs sind es auf keinen Fall.
Nach diesem Album begann Jeffrey Lee Pierce mit der Arbeit an einem schon lange geplanten Projekt: Zusammen mit Cypress Grove und Willie Love arbeitete er an einem Akustikalbum mit „old traditional country murder ballads“, einigen Eigenkompositionen und Blues-Klassikern. Unter dem Namen „Ramblin’ Jeffrey Lee“ wurde das Abum von What’s So Funny About 1992 veröffentlicht. Im selben Jahr sang Pierce einen Song für die Berliner Band DIE HAUT. Für ihr Album „Head on“ schrieb die Band auf verschiedene Künstlerinnen und Künstler abgestimmte Musikstücke. Beteiligt waren z.B. Kim Gordon, Debbie Harry, Lydia Lunch und Alan Vega.
Das letzte Studio-Album vom GUN CLUB, „Lucky Jim“, wurde 1993 wieder vom Label What’s So Funny About veröffentlicht. Diese Platte ist noch ruhiger und weist noch mehr Blues-Elemente auf als ihr Vorgänger, aber durch Pierces ausdruckvollen Gesang ist sie noch immer unverwechselbar. Neben dem genialen Titelstück „Lucky Jim“ gibt es noch immer diese ‚typischen’ GUN CLUB-Stücke wie z.B. „A House is not a Home“. Jeffrey Lee Pierce spielt auf diesem Album selbst Rhythmus- und Leadgitarre, da Kid Congo Powers ihn nur noch bei den immer seltener werdenden Liveauftritten des GUN CLUB unterstützt. Ausgedehnte Tourneen sind für Jeffrey Lee Pierce aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustandes nicht mehr möglich.
Live sah ich Jeffrey Lee Pierce zuletzt im Winter 1995 in Hamburg zusammen mit Cypress Grove als Akustikduo auf Tour. Neben Blues- und Countrysongs hörte ich zu meiner Begeisterung auch alte GUN CLUB-Stücke wie z.B. „John Hardy“ in einer Akustikversion. Nach dem Konzert sah ich Pierce als kranken und müden Mann, der mit seinem langen schwarzen Ledermantel frierend in der Brandstwiete vor dem ehemaligen Knust (ein ganz kleiner Laden) stand und auf seine Gage wartete.
Im März 1996 erlitt Jeffrey Lee Pierce während eines Besuchs bei seinem Vater einen Schlaganfall und lag eine Woche im Koma. Er starb am 31. März 1996 in einem Krankenhaus in Salt Lake City. Vor seinem Tod arbeitete Jeffrey Lee Pierce zuletzt an einem Projekt namens „Rappanes“, wo er Hip-Hop mit japanischer Sprache verbinden wollte. Diese Kultur hatte ihn schon immer fasziniert. Der zusammen mit THE MASTER FREQUENCY entstandene Titel „Pasties and a G-String“, für die 1995 veröffentlichte CD-Compilation „Step right up - the Songs of Tom Waits“, ist die letzte Studioaufnahme von Jeffrey Lee Pierce.
Was bleibt noch zu sagen:
Auf jeden Fall gehört das erste GUN CLUB-Album „Fire of Love“ in meine ewige Top 10. Desweiteren kann ich die ersten drei Studioalben jedem an Punkmusik interessierten Menschen empfehlen. Darüber hinaus möchte ich noch auf die CD „Early Warning“ hinweisen. Diese Doppel-CD enthält die ersten Studio- bzw. Demoaufnahmen aus dem April 1981 sowie einen Livemitschnitt aus dem Frühjahr 1982 in sehr guter Tonqualität, u.a. mit dem erst 1990 auf dem Album „Pastoral hide and seek“ veröffentlichten Titel „I hear your heart singing“. Als besonderen Leckerbissen enthält die zweite CD unter dem Titel „Six String Shermon“ Homerecordings von Jeffrey Lee Pierce (Gesang und Akustikgitarre) aus den Jahren 1980-81. Neben Blues- und Country-Klassikern finden sich geniale Versionen von teilweise erst später veröffentlichten Stücken („The Devil and the Nigger“/„Ghost on the Highway“, „An American Promise“/„Midnight Promise“).
Selbstverständlich gibt es auch diverse Bands, die GUN CLUB-Songs covern. Stellvertretend nenne ich hier nur TERRORGRUPPE, THE JET BUMPERS, WARUM JOE („Sex Beat“) und 16 HORSEPOWER („Fire of Love“). Interessant ist der Gedanke, ob es eine Band wie 16 HORSEPOWER ohne THE GUN CLUB überhaupt geben würde; und wenn ja, wie würde sie klingen?
© by - Ausgabe # und 31. März 2021
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Kay Wedel
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #52 September/Oktober/November 2003 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #107 April/Mai 2013 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #107 April/Mai 2013 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #63 Dezember 2005/Januar 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #164 Oktober/November 2022 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Joachim Hiller