Immer wieder spannend, sich mal mit so banalen Dingen wie Albumtiteln zu beschäftigen – und dann doch wieder ganz woanders zu landen. Ein Wheeltapper ist ein Bahnmitarbeiter – ob es die heute noch gibt? —, der mit einem Hammer Räder und Achsen abgestellter Züge abklopft und am Klang erkennt, ob da möglicherweise ein Defekt vorliegt.
Ein Shunter wiederum ist ein Rangierarbeiter. Sind die 1997 gegründeten CLINIC aus Liverpool nun also unter die Eisenbahnenthusiasten und Trainspotter gegangen? Zunächst einmal sind sie nach einer endlos langen, genauer gesagt siebenjährigen Pause, wieder zurück, unverändert in der Besetzung Ade Blackburn, Brian Campbell, Jonathan Hartley und Carl Turney, und haben mit „Wheeltappers And Shunters“ den Nachfolger zu „Free Reign“ (2012) veröffentlicht.
Und was nun den Titel betrifff, so muss man für dessen Entschlüsselung entweder sehr im britischen Kulturraum verwurzelt sein – oder Zugriff auf das Begleitschreiben des Labels haben: In der 70er Jahren gab es auf ITV die Sendung „The Wheeltappers and Shunters Social Club“, eine von einen gewissen Bernard Manning moderierte Unterhaltungsshow, die versuchte die Atmosphäre nordenglischer Männerclubs (hier: ein Eisenbahnerverein?) im Studio nachzuempfinden.
Und dazu erklärt dann Ade Blackburn: „Es ist schon seit einigen Jahren eine Art geflügeltes Wort zwischen uns. Wann immer wir über einen Song sprechen, der zu ‚cabaret‘ oder zu schön klingt, sagen wir: ‚Das ist ein bisschen wie Wheeltappers und Shunters‘.“ Also nix Trainspotter, sondern, so Ade, „ein satirischer Blick auf die britische Kultur“ und darauf, wie die Siebziger heute als glorreiche Zeit verklärt würden.
Im Sinn hatte die Band vielmehr, wie das nahe Liverpool und Manchester gelegene Seebad Blackpool – man muss mal dort gewesen sein, um die bittere Ironie zu verstehen – einst als Inbegriff britischer Verlustierungskultur galt.
Hier wurde quasi vor über hundert Jahren schon Massentourismus à la Ballermann-Mallorca erfunden. Als „ lustiges Dancefloor-Album in dunklen, konservativen Zeiten“ beschreibt Blackburn „Wheeltappers And Shunters“ auch noch, aber wer CLINIC mag, der ahnt, dass nichts ferner von der Realität liegen könnte als diese Beschreibung, denn CLINIC haben sich mitnichten von ihrem Trademark-Sound verabschiedet, diesem einzigartigen, pulsierenden, an Dub erinneren Post-Punk mit dem markanten Gesang und Melodica-Einsprengseln.
Beschwörend und düster, mit markanter Percussion, schleichen die 12 Songs daher, sind einerseits samtig und plüschig, auch mal psychedelisch, im nächsten aber wieder tight und packend wie auf all den sieben Alben davor.
Schade, dass die Texte nicht beiliegen – und schade, dass es so aussieht, als würde dieser Band weiter die gebührende Anerkennung verweigert.
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