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HIRSCH EFFEKT

Urian

Wieder einmal lotet Deutschlands visionärstes Trio die Grenzen des musikalisch Machbaren aus. Die rein technischen Fähigkeiten der drei beteiligten Protagonisten laden auch auf dem sechsten Studiowerk zum Staunen ein – das kennt und erwartet man mittlerweile sogar. Was „Urian“ aber so herausragend macht, ist seine Ausdrucksstärke. Selten hat anspruchsvolle, verzwackte und komplexe Experimental-Kost doch so nahbar und nachvollziehbar geklungen. Das ist umso bemerkenswerter, weil es diesmal hieß: Weniger ist mehr. So finden sich in „Eristys“ und „Agora“ beispielsweise zwei Tracks auf der Platte, die komplett ohne Moritz Schmidts ausgefeiltes Drum-Spiel auskommen. In textlicher Hinsicht wird es unterdessen bisweilen ausgesprochen persönlich und emotional: In „Otus“ beispielsweise verarbeitet Lappin seine inneren Konflikte und Kämpfe während der Corona-Pandemie, der Track fungierte für ihn letztlich als Hoffnungsanker auf eine bessere Zukunft, wie er verriet. In „Granica“ thematisiert Gitarrist Nils Wittrock seine bewegenden Erlebnisse auf einem Rettungs-Trip an die ukrainische Grenze. All das fügt sich zu einem eindrucksvollen Musikstück zusammen, das diesmal mit weniger „Ballern“ auskommt, wie es die Band nennt. Was dem Gesamteindruck am Ende aber mitnichten schadet. Denn auch so gilt: „Urian“ ist schlicht eine Urgewalt.