Foto

LENE LOVICH

Toy Box – The Stiff Years 1978-1983

Die frühen Achtziger waren eine seltsame Zeit: Punk war noch nicht so lange her, aber mittels „New Wave“ im Mainstream angekommen und wurde von der Modeindustrie zu seltsamen Styles verarbeitet. Die 1949 in Detroit geborene Lili Marlene Premilovich, die seit ihrem 13. Lebensjahr in England lebte, war 1977 schon Ende zwanzig, hatte musikalisch diverse Erfahrungen und Projekte hinter sich, und fand den Zugang zu Punk/New Wave zusammen mit ihrem Songwriting-Partner und Gitarristen Les Chappell, mit dem sie zunächst in der Band THE DIVERSIONS war. Stiff Records nahm sie als Lene Lovich unter Vertrag, das erste Album „Stateless“ erschien 1978, „Flex“ folgte 1980 und „No Man’s Land“ 1982. Als Nachzügler kamen „March“ (1989) und „Shadows And Dust“ (2005), und bis vor der Pandemie war sie noch regelmäßig auf Tour in Europa. Mit „Lucky number“ (vom Debüt) und „Bird song“ (von „Flex“) hatte sie zwei Hits – es sind brillante Songs, wie ihre Fantasie-Outfits leicht überdreht, und dass sie bei „Don’t kill the animals“ mit Nina Hagen zusammenarbeitete, passt auch. Speziell das „Flex“-Album war es, das junge Punks Mitte der Achtziger auf den Geschmack brachte: die LP wurde über die 9,99 DM-Ramschkisten verschachert, und wer einmal „Bird song“ gehört hatte (war Standard in jedem DJ-Set zu jener Zeit), wer Wave- und Goth-angefixt war, wer Nina Hagen und Hazel O’Connor („Breaking glass“) feierte, Kate Bush und Siouxsie Sioux faszinierend fand, all diese starken Frauen jener Zeit, musste die Platte zum Taschengeldkurs haben. Und „Flex“ ist eine dieser Platten, auf denen gleich mehrere starke Songs sind: „Angels“ ist famos, „What will I do without you“, „You can’t kill me“ mit seinem Dub-Touch ebenso. Demgegenüber, aber das ist Ansichtssache, war das Debütalbum einen Hauch schwächer, von „Lucky number“ mal abgesehen. Nachdem Lovich 2013 die Kontrolle über ihre Alben zurückerlangt hatte, erschien damals die Box „Others: Volume 1“ mit den ersten drei Alben. Cherry Red hat jetzt mit dieser 4CD-Box nachgelegt und sie vollgestopft mit allem, was an Bonusmaterial zu bekommen war: 7“- und 12“-Versionen, die Originalversion des Debüts wie dessen US-Mix und auch die „New Toys“-Mini-LP. Macht 81 Songs und damit ein echt komplettes Package, ergänzt um ein dickes Booklet mit Fotos und Linernotes. Der Beweis, wofür das CD-Format immer noch seine Berechtigung hat.