Nun habe ich mir das ganze Info zur Scheibe durchgelesen und das Werk auch schon mehrfach verschlungen, was aber geblieben ist, ist die runterhängende Kinnlade. Ich habe ja einiges von der neusten Scheibe des New Yorker Kollektives erwartet, aber kaum das.
Wieder beweisen ANIMAL COLLECTIVE, diesmal nur als Duo aus Avey Tare und Panda Bear agierend, dass sie ihren eigenen, typischen Sound haben, stets jedoch aufs Neue überraschen können. Erwartet man Elektronik, bekommt man ein Akustik-Werk, erhofft man sich schrägen Lärm gibt's Lagerfeuer-Folksongs, und sucht man nach dem perfekt säuselnden Soundtrack zum Einschlafen, überraschen sie mit wilden, elektronisch verzerrten Ausbrüchen.
Mit Verlaub, ANIMAL COLLECTIVE ist das Interessanteste und Beste, was sich momentan in den musikalischen Gewässern tummelt. Diese Platte ist, wie das letztjährige Rerelease ihrer beiden ersten Scheiben sowie die Split-12" von Avey Tare mit David Grubbs, auf dem englischen Fat Cat Label erschienen.
Mir fehlen die Worte, wenn ich dieses Klangerlebnis profan umreißen soll. Man erahnt stets deutlich ihre Haupteinflüsse. Fast bei jedem Song zwar andere, aber die Grundstimmung wird stets gewahrt.
"Sung Tong" ist eher ruhig ausgefallen. Es dominieren akustische Gitarren, mehr instrumental als Inhalte-transportierend eingesetzte, verzerrte Gesangssamples, knisternde Soundflächen und das ungemein gute Gefühl, sich in dieser Klanglandschaft geborgen zu fühlen.
Einflüsse, die auf Anhieb zu erkennen sind, könnten neben den allgegenwärtigen, und von der Idee schon naheliegenden, Krautrockern (CAN, AMON DUÜL, ...) hier vor allem Brasil- und Hawaii-Sounds, traditionelle Musik, Lagerfeuer-Folk und eben auch Bands wie die BEACH BOYS oder SIMON & GARFUNKEL sein.
Oberflächlich ist man schnell geneigt, die Musik als improvisierten Quatsch wegzustecken, aber hat man erstmal den Zugang gefunden, erkennt man erst die Vielschichtigkeit, die dahinter steckt und lebt praktisch jede niedergeschriebene Note mit.
Denn, und das wird bei näherer Betrachtung deutlich, hier ist nichts dem Zufall überlassen. Alle Stücke sind ausgefeilt bis zum Gehtnichtmehr, jedes ein Meisterwerk für sich. ANIMAL COLLECTIVE sind musikalische Grenzgänger, sicher auch so ziemlich die letzten, die noch wissen, wie's hinter der Grenze aussieht, und die nie müde werden, uns davon zu berichten.
Ich werde den Teufel tun, euch zu sagen, dass ihr diese Platte kaufen müsst, denn, und das betone ich hier: Um dazu einen Zugang zu finden, muss Punk erstmal den Stock aus seinem Arsch ziehen! Drei-Akkorde-Fetischisten werden hier kaum auf ihre Kosten kommen, es sei denn sie sind offen für die große weite Welt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Frank Nice
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