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UNSANE

s/t

Irgendwie waren wir früher wohl unempfindlicher. Als das erste, titellose UNSANE-Album 1991 auf Matador in den USA und City Slang in Deutschland erschien – das eigentliche Debüt „Improvised Munitions“ von 1989 blieb bis 2021 unveröffentlicht –, führte das Cover mangels des Vorhandenseins von Social Media nicht zu den in solch einem Fall heute zu erwartenden Proteststürmen. Zu sehen ist – auch bei der Neuauflage auf Spencers eigenem Lamb Unlimited-Label – das Foto eines Mannes, den (so Spencer im Ox-Interview) ein Kind vor die U-Bahn gestoßen hatte und dem diese den Kopf abtrennte. Ein Freund von Spencer arbeitete für die Polizei, schoss das Foto und gab es an ihn weiter. Eine absolute Tabuverletzung, in jeder Hinsicht, aber damals wurde so was bei Labels wie bei Musikfans als hart, etwas geschmacklos, aber zur harschen, extrem noisigen Musik passend durchgewunken. Auch spätere Platten der Band waren recht blutig bebildert, da war dann aber die Inszenierung klar – vielleicht hielten wir auch das Cover dieses Platte für eine Inszenierung oder wollten das glauben, ich weiß es nicht mehr. Der legendäre Wharton Tiers (SONIC YOUTH, HELMET ...) hatte das Album produziert, und es klingt so kaputt, wie Chris Spencer (gt, voc) sich und seine Bandkollegen Pete Shore (bs) und Charlie Ondras (dr) damals in Erinnerung hat: Nihilistische Junkies waren sie wohl, hier war nichts an Kaputtheit gefaket. Ondras spritzte sich 1992 ins Jenseits. UNSANE veröffentlichten diese Platte zu einer Zeit, als Amphetamine Reptile Records (wo sie selbst erst 1995 veröffentlichten) als Erfinder des Noiserock-Genres galten, sie waren in einer Zeit, als sich in Seattle Grunge aufbäumte und als lärmig und hart galt, noch extremer und kaputter. Uneasy Listening in Extremform, Musik wie Stacheldraht, ein schleppender Rhythmus, bohrender Bass und durchdringende Gitarre, gequälter Gesang – gut, dass Spencer die Auflösung der Band 2019 schon 2021 mit zwei neuen Mitstreitern rückgängig machte und seitdem das Frühwerk, speziell dieses Album, sehr überzeugend live zur Aufführung bringt. Heute aber drogenfrei. Das Vinyl ist transparent mit blutroten Spritzern à la Hirn auf Fensterscheibe.