CEREMONY

Rohnert Park

Ist das wirklich die gleiche Band, die „Still Nothing Moves You“ aufgenommen hat? Damals: 15 Songs in 21 Minuten. Heute: 13 in 35:44. Sind CEREMONY lahm geworden? Nein, die genauere Betrachtung jenseits des Zahlenspiels fördert zutage, dass hier bedingt durch konzeptionelles Arbeiten wie dem „Into the wayside“-Thema, das in drei Teilen als Intro, als Mittelteil und als Outro (mit 9 Minuten) auftaucht, etwas Spielzeit geschunden wurde.

Die Hardcore-Punk-Brecher mit unter zwei Minuten gibt’s weiterhin, aber eben auch das hardrockige, düstere Interludium  „Into the wayside Part II“ oder das direkt anschließende „Terminal addiction“, das ebenfalls auf Intensität statt auf Geknüppel setzt, was man beim Vorgänger mit Songs wie „Learn/without“ oder „Overcast“ umgesetzt hatte.

CEREMONY, aufgewachsen nördlich von San Francisco in Rohnert Park und heute in der Bay Area ansässig, wo sie mit dem einschlägig bekannten Dan Rathbun im Polymorph-Studio aufgenommen (von jeher ein Zeichen von Qualität), haben sich mit ihrem neuen Album erneut gesteigert, sind musikalisch weit entfernt vom „typischen“ Hardcore, scheinen sich abarbeiten zu wollen an den Helden von vor 25, 30 Jahren wie BLACK FLAG, die hier zwangsläufig in den Sinn kommen angesichts der Komplexität der Songs, die aber auch in einer Tradition stehen, wie man sie von Alternative Tentacles in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern mit ALICE DONUT oder VICTIM’S FAMILY kennt und heute mit den FLESHIES oder GIT SOME.

Ein Album, eine Band, die sich völlig abseits stellt, indem sie in stilistischer Eigenständigkeit Genreklischees hinter sich lässt. Und wenn ich das nächste Mal richtig genervt bin, drehe ich „Sick“ unglaublich laut und brülle den gesamten Texte mit, der mit der Zeile „Sick of mankind“ endet.

Sick of it all.