RAZZIA

Menschen zu Wasser

Ein seltsames Gefühl, diese Platte in den Händen zu halten ... „Menschen zu Wasser“ muss eine der ersten Promo-Platten gewesen sein, die ich 1989 fürs Ox zugeschickt bekommen hatte, in meiner LP steckt noch das originale zweiseitige Bandinfo, von einem Nadeldrucker ins Papier gehämmert.

Zwei Jahre zuvor hatte ich die Band in Ludwigshafen erstmals live gesehen, „Ausflug mit Franziska“ hatte mich begeistert, weil die Verbindung aus deutschsprachigem Punkrock und „wavigem“ Synthie-Einsatz einfach unwiderstehlich war.

Bernhards Keyboard prägt auch den Sound von „Menschen zu Wasser“, dem nach „Tag ohne Schatten“ (1982/83) und „Ausflug ...“ dritten Studioalbum der Hamburger Band. Es war ihr zweites auf dem bandeigenen, von Sänger Rajas Thiele betriebenen Triton-Label (mit der legendären Kleingartenanlagenadresse „Klg.V.459.Paz.106, 2000 Hamburg 52“), das Coverartwork (basierend auf einem Foto der US Navy – eine Information, die leider vom Textblatt der Neuauflage wie ein paar andere Details nicht wiedergegeben wird, dafür gibt’s Fotos ...) beeindruckte mich damals schon durch seine Blautöne, das unklare Motiv, und sprachlich erwiesen sich die Texte von Gitarrist Andreas Siegler erneut als Alleinstellungsmerkmal von RAZZIA.

Der zu meinem Favoriten „Stahlherz“ allerdings stammt von Bassist Sören Callsen und glänzt mit der Zeile „Wer Freitagmorgens in der S-Bahn fährt, weiß, warum wir aussterben müssen“ – ÖPNV-Nutzer wissen bis heute um die Wahrheit dieser Aussage.

Ein epochales Album von einer der besten Punkbands, die hierzulande jemals existierten – bitte spätestens jetzt entdecken. RAZZIA bewiesen damals, dass man Punkrock weiterentwickeln kann, dass die Klischees, die sich im „Deutschpunk“ bis heute fortsetzen, schon 1985 hohle Folklore waren.

Für die Neuauflage auf dem Hamburger Label Colturschock wurden die Aufnahmen neu gemastert – und man erkennt, dass RAZZIA schon 1989 Wert legten auf eine gute Produktion.