Es dauert kaum eine halbe Minute, bis Dave King auf „Life Is Good“ zu den Klängen von Violine, Banjo, Handtrommel und Akustikgitarre vor seiner Angebeteten auf die Knie fällt. „Dear majesty. I kneel down on my knees.“ So singt er es in „There’s nothing left, pt.
1“, dem Opener des neuen Albums. Und natürlich handelt es sich hierbei eigentlich um einen Song, der konsequent an die Tradition irischer Volksmusik anknüpft und lediglich eine erfundene, alte Geschichte erzählt.
Indes: Dieses erste Stück steht auch ein klein wenig symbolisch für diese Band. Für FLOGGING MOLLY. Denn es gibt im weltweiten Universum des Folkrock und des Folkpunk nur wenige andere Interpreten, die sich mit der gleichen Liebe und Leidenschaft und Rücksichtnahme an dieses Genre heranwagen.
Meist muss es einfach krachen und so klingen, wie Whisky und dunkles Bier schmecken. Und meist reicht das ja auch, um zumindest urteilen zu können: solide, okay, gut. Aber wenn FLOGGING MOLLY Irish Folk spielen, dann tun sie das noch mehr als alle anderen aus hörbarer Überzeugung und vor allem mit viel Achtung vor der Musik aus Frontmann Kings Heimat.
FLOGGING MOLLY aus Los Angeles wissen auch am Sunset Boulevard oder in Kings zweiter Heimat Detroit: Der Folk ist König. Und seine Musiker sind die aufrichtig Ergebenen, die ein jahrhundertealtes Erbe verdammt noch mal gut zu verwalten haben.
Diese Einstellung hört man den Platten von FLOGGING MOLLY seit jeher an. Und man hört sie auch „Life Is Good“ an. Zwar ist der Punk – eine Stufe härter als bei den POGUES, aber auch eine Stufe zurückgenommener als der DROPKICK-MUPRHYS-Oi! – stets existent und nicht zu verleugnen.
Aber er bestimmt die Szenerie nicht. FLOGGING MOLLY lassen das Urwüchsige ihres Genres atmen. Das kann mal freudig und mit, jawohl, schmissigen Trompeten durchsetzt sein wie in „Welcome to Adamstown“.
Oder so rasend wie in „The hand of John L. Sullivan“. Oder das Leben feiernd wie in „Reptiles“. Oder so hektisch wie im sozialkritischen „Crushed (Hostile nations)“. Das ist aber genauso häufig auch all die dem Irish Folk innewohnende Melancholie und die in wunderbare Melodien gepackte Nachdenklichkeit auskostend – etwa wenn man sich Songs wie „Life is good“, „The last serenade“ oder „Until we meet again“ herauspickt.
„Life Is Good“ ist ein Album, das runder nicht sein könnte. Ja, FLOGGING MOLLY präsentieren sich hier vielleicht so wenig punkig wie nie zuvor. Es ist schon ein gehöriger Schritt von „Drunken Lullabies“ (2002) oder „Float“ (2008) bis hin zu dieser sechsten Platte in der Historie der Band.
Aber das zeigt letztlich doch nur, wie abwechslungsreich FLOGGING MOLLY sind. Wie sehr sie den Irish Folk mit all seinen Facetten verinnerlicht haben und modifizieren können, ohne seine Seele zu verraten.
Es zeigt, wie groß ihr Respekt vor jenem alten Fundament ist, auf dem sie ihre Musik gründen.
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