INTERPOL

Antics CD/LP/5x7"

Wie habe ich mich auf diese Platte gefreut, und war dann doch erst einmal irritiert! "Antics" ist anders als der Vorgänger, denn sie klickt nicht sofort, obwohl es unverkennbar dieselbe Band ist. "Turn On The Bright Lights " war als erster Longplayer schon fast zu perfekt und eigentlich auch nicht zu toppen, deswegen ist es nur gut, wenn INTERPOL es gar nicht erst krampfhaft versuchen, dieselbe Platte nochmal klammheimlich zu kopieren, oder sich beim Versuch verkünsteln, dem Vorläufer noch etwas draufzusetzen.

Die Ohrwürmer, die einem beim ersten Hören im Gehörgang steckenbleiben und deren Refrain man bereits beim zweiten Durchlauf mitsingen kann, gibt es auf "Antics" nicht. Man erinnert sich vielmehr an Passagen, endeckt eine Ecke wieder oder genießt einfach die vielschichtige Tiefe dieser Platte, denn tief ist sie.

"Antics" ist wie eine grandiose Aussicht in einem Caspar David Friedrich-Gemälde (dort gibt es auch keine Mitsing-Refrains) und macht nach dem dritten, vierten Hören erst richtig Spaß, vor allem, weil sich immer neue Dinge entdecken und heraushören lassen, die vorher noch nicht da waren.

Geblieben ist die markante Stimme, die Nähe zu Bands wie JOY DIVISION und die abgrundtiefen Gitarrenriffs, die fast verloren geglaubt waren, weil sich kaum eine Band der letzten Jahre in diese Regionen gewagt hat.

Trotz erster Anlaufschwierigkeiten ist dieser zweite Longplayer der Beleg dafür, dass INTERPOL ihr gesamtes Pulver nicht mit der ersten Scheibe verschossen haben. Stücke wie "Next exit", "Not even in jail" oder "A time to be so small" sind Songs für die Ewigkeit.

Und wenn künftig andere Generationen bei Platten wie "Antics" oder "Turn On The Bright Lights" dieselben glasigen Augen bekommen wie man selber bei "Still" oder "Closer", dann macht das Hoffnung.

Eine Band für trübe kalte Herbsttage, regnerisches Wetter und endlose Stunden voller Selbstmitleid und aufrichtigen Weltschmerz. Seit 1982 hat mich keine Band mehr auf solch eine Weise berührt wie Interpol.

(10/10)