Wie die Zeit vergeht, merke ich immer daran, dass man plötzlich Rereleases in der Hand hält von Platten, bei denen man sich denkt „Moment, die kam doch gerade erst raus ... ach nee, doch schon 16 Jahre her.“ 2007 erschien „Handbuch für die Welt“, das zweite Album nach der Reunion, und ich schrieb in Ox #71: Willkommen im Hier und Jetzt, FEHLFARBEN. Bis zu „Knietief im Dispo“ war alles noch beim Alten in Düsseldorf: Die in wirklich jedem Artikel über Peter Hein erwähnte Beschäftigung desselben bei Xerox bestand noch, und damit die Legende, die sich darum rankt, dass Hein einst nach dem ersten, legendären Album „Monarchie und Alltag“ seines Jobs wegen aus der Band ausstieg. 2003 sah das anders aus, die hässliche Fratze des Kapitalismus zeigte sich auch im Xerox-HQ in Neuss, wo die langjährigen Mitarbeiter zu Hunderten auf die Straße gesetzt wurden, um das Versagen der Manager zu kompensieren, und es war plötzlich vorbei mit der Legende um Janie Jones. Und es kommt noch dicker: Mittlerweile ist es sogar vorbei mit der Dualität von Hein und Düsseldorf: Wien heißt die neue Heimat. Und dann ist da dieses neue Album, das zweite seit der Reunion von 2002, denn die Tribut-Platte „26 1/2“ von Anfang 2006 zählt ja nicht so richtig. [...] Dieses Album ist wieder voll von wundervollen Zeilen und Zitaten für das innere Poesiealbum, und man verspürt eine unbändige Wut auf all die unfassbar stumpfsinnigen Dünnbrettbohrer, die seit ein paar Jahren als die deutsche Popelite gelten, ja man möchte Heins Texte auswendig lernen, sie als scharfes Schwert den Schwachsinnigen der Welt entgegenschleudern [...]. Und ein Peter Hein, der darf als (Ex-)Düsseldorfer in „Das schöne Herz“ auch ein Heine-Gedicht rezitieren, ohne dass man sich wünscht, ein Blitz aus heiterem Himmel möge herniederfahren, den Barden zu vernichten. Aus zwölf Liedern besteht das Handbuch, mit dem federnden, tanzbaren „Politdisko“, dem mitreißenden „Teufel in Person“, dem MONKS-Tribut „We do wie du“ sind allein drei Titel herausragend, und wo „Knietief im Dispo“ noch ein kleines bisschen von Nostalgie leben musste, sind die FEHLFARBEN mit „Handbuch für die Welt“ in der Gegenwart angekommen und unglaublich relevant, wobei „relevant“ leider ein furchtbares, aber an dieser Stelle unersetzbares Wort ist. – So mein Urteil damals, dem ich 2023 nichts hinzuzufügen habe.
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