NEUROSIS

Fires Within Fires

„Unsere Musik rettet unser Leben, immer wieder. Wenn diese Energie, die in unsere Musik fließt, in unseren Körpern und Köpfen bleiben würde, hätte das sicher keine positiven Konsequenzen. Ich schätze, das würde sich in Form psychischer Erkrankungen äußern.“ Das bekennt Steve Von Till, Gitarrist und Co-Sänger von NEUROSIS, im Ox-Interview.

Eine starke Aussage, die von Herzen kommt und kein Stück prätentiös ist, denn wer immer sich in den letzten dreißig Jahren dem Erlebnis eines NEUROSIS-Konzerts ausgesetzt hat, bekam diese Energie zu spüren und kann bestätigen, dass sich die Auftritte der Kalifornier genau so anfühlen.

Musik als Katharsis, als, ich zitiere Wikipedia, „psychische Reinigung durch Ausleben innerer Konflikte und verdrängter Emotionen, speziell von Aggressionen“? „Absolut“, bestätigt Steve. Funktioniert für die fünf auf der Bühne, funktioniert für die fünfzig, fünfhundert oder fünftausend vor der Bühne.

Man geht nach einer NEUROSIS-Performance aus dem Saal und fühlt sich anders als vorher. Gereinigt, erleichtert, „durchgeblasen“, euphorisiert – es ist immer wieder ein Erlebnis. Enorme Dynamik, ein Wechsel aus enorm leisen Passagen, bei denen man die sprichwörtliche fallen gelassene Stecknadel auf den Boden aufprallen hören könnte, und einem unfassbar lauten Brausen, Dröhnen, Toben, bei aller Wildheit so sorgsam arrangiert wie bei einem klassischen Orchester.

Solch eine akustische, sinnlich erfahrbare Wucht auf Platte zu bannen, war schon immer eine Herausforderung, der sich NEUROSIS mit ihrem neuen, elften Album „Fire Within Fires“ einmal mehr stellten.

Die Alben stehen den Konzerten, entsprechend laut gehört, in nichts nach. Hilfestellung leistete auch diesmal wieder Steve Albini: „Wir bauen unser Equipment selbst auf, wir spielen live, alle zusammen, alle zur gleichen Zeit, nur den Gesang nehmen wir separat auf, denn dann können wir besser Gitarre spielen und besser singen.

Ansonsten werden Drums, Bass, Gitarre, Keyboards, Samples live eingespielt – so wie jede Rockband das machen sollte.“ Klingt simpel, ist es aber nicht, denn sonst würden nicht seit 25 Jahren schon zig Bands NEUROSIS nachzueifern versuchen, mit mal mehr, mal weniger Erfolg.

Sie erweisen sich mit „Fires Within Fires“ – davor war 2012 „Honor Found In Decay“ erschienen – erneut als (Mit-)Erfinder dieses speziellen monumentalen Post-Hardcore-Sounds. Für Fans knackiger Drei-Minuten-Songs hat das Album erwartungsgemäß nichts zu bieten, auf nur fünf Stücke verteilt sich die Spielzeit.

Höhepunkt ist das abschließende, knapp elfminütige „Reach“, auf dem NEUROSIS zur Höchstform auflaufen, mit einem unglaublich direkten, harten Gitarrenriff – fühlt sich an wie eine Reise zurück zu den Wurzeln, zu „Souls At Zero“ (1992) und „Enemy Of The Sun“ (1993).