Es wäre ein Fehler, wenn sich Ikonen wie GANG OF FOUR nach vielen Jahren wieder zusammenfinden (von der Originalbesetzung sind es noch Sänger Jon King und Gitarrist Andy Gill) und mit einem neuen Album zurückkehren, und eine großartige „Kopie“ von ihrem fulminanten Debütalbum „Entertainment!“ erwartet wird.
Das kann nicht funktionieren. Gleichwohl haben GANG OF FOUR noch Energie und Wut und greifen immer noch gesellschaftliche und politische Themen auf, an denen sie sich seit je her reiben und das im bekannten Dialog zwischen den beiden Protagonisten, wie beispielsweise im Song „Do as I say“, in dem Andy Gill in die Figur eines Inquisitors aus dem 17.
Jahrhundert schlüpft und Jon King sein Opfer der Anklage ist (ein Gedanke, inspiriert durch das eigene Backcover von GANG OF FOURs „Solid Gold“-Album) und die Band damit den Bogen zum Thema Guantánamo spannt und somit auf Wiederholungen in der Geschichte hinweist.
Beim Song „It was never gonna turn out too good“ – musikalisch einer der ungewöhnlichsten Songs des Albums, da die Band hier erstmals mit einem Vocoder arbeitet (überhaupt kommt die Melodica von Jon King etwas zu kurz) – geht es um Fabrikarbeiter im Norden Englands, die sich durch die zunehmende Konkurrenz aus Osteuropa von ihren Arbeitsplätzen entfremdet fühlen.
Auch wenn es Jon King und Andy Gill immer gelungen ist, aber die Band selbst will nach eigenem Bekunden am epochalen Album „Entertainment!“ von 1981 anschließen. Doch der damals allgegenwärtige Duktus des rollenden Funkbasses von Dave Allen (der seit 2008 nicht mehr dabei ist) – GANG OF FOUR waren damals massiv von PARLIAMENT beeinflusst und wurden oft mit dem Etikett „Neo-Marixst Funk“ belegt – gelingt hier nicht immer so eindringlich, auch wenn gerade der Opener „She said you made a thing of me“ diesem frühen Sound der Band schon sehr nahekommt.
Das Album ist in völliger Eigenregie entstanden. EMI und Universal Records bemühten sich erfolglos um die Band und die Aufnahmen wurden teilweise durch ein wirklich spezielles Merchandise vorfinanziert: eine streng limitierte – längst vergriffene – Edition des Albums erschien unter anderem mit kleinen Ampullen voll Blut (angeblich von den Bandmitgliedern selbst und Andy Gill nennt es „die echte Kunst“) und einem Scrap & Sniff Book mit Zeichnungen und Fotos, die Bezug nehmen auf die letzten 40 Jahre Weltgeschichte, und einzelnen Seiten des Buchs, die den Duft von „Arbeit“, „Sex“ und „Industrie“ versprühen sollen – also durchaus klassische GANG OF FOUR-Themen.
Zweifelsohne ist „Content“ ein gutes Album geworden, das in Teilen den Geist von „Entertainment!“ atmet und besser geworden ist als die aktuelle Rückkehr der Zeitgenossen KILLING JOKE. „Content“ enthält zusätzlich den Song „2nd life“ (einer der Album-Highlights) von der gleichnamigen Vinylsingle von 2008.
Auch bei diesem Album wird es – wie bei der „Return The Gift“-Compilation – einige Remix-Versionen geben, wer immer so etwas braucht (so war der YEAH YEAH YEAHS-Remix von „I love a man in a uniform“ seinerzeit furchtbares Disco-Disneyland).
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