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BAD BREEDING

Contempt

Punk kann so viele Ausformungen haben, und manche sind musikalisch so eingängig, im Auftreten so konform und textlich so beliebig und gefällig, dass man sich die Frage stellen kann, ob da jemals ein Funke Rebellion war. Dann aber gibt es Bands wie BAD BREEDING aus Stevenage, UK, die fast wirken, als habe man sie ihrer ungestümen, fassungslosen Wut aus dem England der frühen Achtziger in die Jetztzeit teleportiert. Aus jener Zeit, als CRASS und Co. für Anarcho- und Peace-Punk standen und Musik und Texte eine Symbiose der Wut waren. Wut allerdings mit guter Begründung, grafisch und textlich smart umgesetzt – so wie heute von BAD BREEDING. Die haben nun ihr neues, fünftes Album „Contempt“ am Start, nach „Bad Breeding“ (2016), „Divide“ (2017), „Exiled“ (2019) und „Human Capital“ (2022), was an sich schon eine Leistung ist, gibt es doch reichlich Bands, gerade aus UK, die einen schnellen Start hinlegen, ein, zwei Alben machen ... und dann nichts mehr. Vielleicht hat es auch was mit ihrem Label zu tun, mit One Little Independent, einst in den Achtzigern als One Little Indian gegründet von Derek Birkett von FLUX OF PINK INDIANS, der auch heute noch hinter OLI steckt. Das Label ist längst musikalisch breit aufgestellt, aber ein Release wie „Contempt“ von BAD BREEDING wirkt fast schon wie eine Reise zurück zu den Anfängen des Labels und eines Genres. BAD BREEDING wirken fast schon wie ein Gegenentwurf zu all den poshen Neo-Post-Punk-Bands der jüngeren Vergangenheit, die musikalisch sehr wohl zu gefallen wissen, aber eines vermissen lassen: eine gewisse Härte und Direktheit in Ausdruck und Attitude. Oder wie Sänger Chris Dodd es ausdrückt: als Band aus der Arbeiterklasse auf Tour zu gehen, sei aus finanziellen Gründen so gut wie unmöglich. Entsprechend deutlich artikuliert er seine Texte, entsprechend brachial (und dennoch nicht den alten Stiefel Crustpunk oder UK82 durchkauend) ballert die Musik, werden einerseits CRASS und FLUX OF PINK INDIANS, aber auch SPK, THIS HEAT und EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN als Ausgangspunkte genannt. Die Songs tragen suggestive Titel wie „Survival“, „Devotion“, „Liberty“, „Discipline“, „Retribution“ oder „Contempt“ (die Texte kann man im dicken Beiheft nachlesen), und die komplexen, sägenden Songs mit den wütend herausgebellten Vocals (Dick Lucas meets Barney Greenway?) sind jenseits irgendwelcher neumodischer Genreklischees. Ein Mittelmaß kennen BAD BREEDING scheinbar nicht: entweder es wird in +- zwei Minuten abgeliefert, oder sie breiten sich fünf Minuten aus. Wenn authentisch nicht so ein totgerittener Begriff wäre, ich würde ihn hier auspacken. Für mich eine der spannendsten Bands gegenwärtig, die unbedingt genaues Hinschauen und Hinhören erforderlich macht. Bleibt nur zu befürchten, dass sie vielen zu stacheldrahtig sind ...