ZANDER SCHLOSS

Foto© by Alex Cox

Strumming with Strummer (Teil 2)

Zander Schloss hat eine bewegte Karriere hinter sich. Er ist nicht nur seit 1985 Bassist der CIRCLE JERKS, die derzeit wieder aktiv sind und touren, Schloss war auch an einigen außergewöhnlich coolen Projekten beteiligt. Von der Zusammenarbeit mit Joe Strummer bei mehreren Projekten bis hin zur Mitwirkung an mehreren Filmen von Alex Cox, darunter „Repo Man“, in dem er Ottos Freund Kevin spielt, und „Straight To Hell“. Folgendes Interview entstand im November 2021, als die CIRCLE JERKS gerade am Anfang ihrer Tournee standen. (Teil 1 war in Ox Nr. 161)

In einem hiesigen Magazin namens Montecristo gibt es einen Artikel von mir mit Storys rund um den THE CLASH-Gig in Vancouver 1979. Wie die Band vor der Show mit Punks Fußball spielte oder Leute durch den Hintereingang ins Commodore schmuggelte, weil sie noch minderjährig waren oder pleite oder sonst was. Oder die lokale Mädchen-Punkband THE DISHRAGS, die ein CLASH-Cover in ihrem Set hatten und überrascht waren, als sie bemerkten, dass THE CLASH neben der Bühne dazu tanzten. Und von dem Punk, einem Mitglied der Band RABOD, der Joes Schuhe bewunderte und es ihm gegenüber erwähnte – und es kaum fassen konnte, als Joe sie ihm nach der Show überließ ...

Ja, das sind perfekte Beispiele für das, was ich meine, und fast jeder, der ihn getroffen hat, kennt ähnliche Geschichten. Erst neulich habe ich mit einem Typen gesprochen, mit dem ich an einem Video arbeite. Er erzählte, dass er die MESCALEROS sah und Joe sie in die Garderobe einlud, wo großes Chaos herrschte, und Joe erzählte, wie sehr er sein Zuhause vermisste, und legte später buchstäblich seinen Kopf auf die Schulter dieses Mannes. Das klang so zärtlich und rührend für mich. Er war in der Lage, in den Seelen der Menschen zu lesen, und wollte auf diese Weise mit ihnen in Kontakt treten, um Menschen und das Leben zu erleben. Ich glaube wirklich, dass das eine viel wichtigere Lektion ist als irgendwelche Songwriting-Tricks, die ich von ihm lernen könnte. Und mein Ziel als Musiker und Songschreiber ist es nicht, wie Joe Strummer zu klingen oder irgendetwas zu verwenden, was ich musikalisch von ihm gelernt habe, sondern zu klingen wie ich selbst. Das war auch etwas, das ihm wichtig war – jegliche Beeinflussung durch andere Leute zu vermeiden. Ich sah, wie Leute ihm Kassetten übergaben, und ich will nicht sagen, dass er sie damit vor den Kopf stoßen wollte, aber er warf die Kassette einfach in eine Schublade. Das ist sogar Bob Dylan passiert. Dylan wollte, dass wir ein Cover für „Earthquake Weather“ aufnehmen, Strummers Soloalbum von 1989. Er erkundigte sich bei mir deswegen und ich fragte Joe: „Was hast du mit dem Tape gemacht?“ Er sagte: „Ich habe es zu den anderen in die Schublade geworfen.“ Ich sagte: „Mann, wenn Bob Dylan will, dass wir einen Song covern, sollten wir uns das vielleicht mal anhören?“ Und wir holten die Kassette heraus. Es war ein Lied von Pete Seeger mit dem Titel „Viva la quince brigada (Long live the 15th brigade)“ über den Spanischen Bürgerkrieg; es war gar kein Bob Dylan-Song, er fand nur, wir sollten doch mal eine Version davon aufnehmen. Das taten wir dann auch und hatten schließlich ein wirklich tolles, modernes Arrangement. Ich weiß gar nicht mehr, was daraus geworden ist. [Es war die B-Seite der „Island Hopping“-7“ und erschien auf „Joe Strummer 001“, als „The 15th brigade“ – Anm. d. Verf.].

Bei den Recherchen habe ich immer wieder was Neues zutage gefördert. So bin ich gerade erst darauf gestoßen, dass du für den Score des Alex Cox-Films „Highway Patrolman“ von 1991 einen Song mit Tito Larriva aufgenommen hast.
Nein, das stimmt so nicht. Tito Larriva hat einen Song gesungen, den ich aufgenommen hatte. Ich habe ihn dazugeholt, um einen Text auf Spanisch zu schreiben. Zugegeben, es war eine Zusammenarbeit, aber es war ein Lied, das ich geschrieben hatte und zu dem Tito hinzugezogen wurde.

Hast du auch eine Geschichte über Tito?
Ich liebe Tito, und als ich damals nach Los Angeles zog, stand ich sehr auf die PLUGZ. Sie waren eine fantastische Band. Ihr Drummer Chalo Quintana qualmte eine Zigarette nach der anderen, während er Schlagzeug spielte, und es hat mich einfach umgehauen, wie der Rauch zu den Scheinwerfern aufstieg und das Licht um ihn herum zerstreute. Ich habe mich immer gefragt: Wann schluckt er die Kippe mal aus Versehen runter? Ich musste ständig daran denken, dass der Typ Kette rauchte, während er beidhändig Schlagzeug spielte und die Zigarette im Mundwinkel klebte. Wird er sich irgendwann daran die Lippen verbrennen? Haha. Das fand ich wirklich faszinierend. Ihr Gitarrist Steven Hufsteter war auch fantastisch. Er sah toll aus, hatte diese riesigen Jagger-Lippen und trug immer diese langen Mäntel und eine Art Gaucho-Hut. THE PLUGZ hatten einen umwerfenden Look und natürlich waren Steven und Tito maßgeblich an der Filmmusik zu „Repo Man“ beteiligt, so dass ich sie kennen lernte und mit ihnen abhing.

Ich habe Chris D. mal nach einem Song von ihm und Tito gefragt, den die CIRCLE JERKS gecovert haben, „I, I & I“. Er konnte sich aber nicht mehr daran erinnern. Wie kamen CIRCLE JERKS zu dem Track?
Ich weiß es nicht. Ich meine, Keith Morris hat ihn mitgebracht. Er verehrt Chris und Tito sowie John Denney von den WEIRDOS [deren Songs „Solitary confinement“ und „We got the neutron bomb“ ebenfalls von CIRCLE JERKS gecovert wurden, und bei denen Zander auch schon gespielt hat, Anm. d. Verf.]. Keith zollt einfach Kollegen, die er bewundert, gerne Respekt. Ich glaube nicht, dass es irgendeine Vorgeschichte gab, außer dass er einfach einen Song gefunden hat, den er wirklich mochte und den er covern wollte.

Kommen wir noch einmal auf das Strummer-Album „Earthquake Weather“ zurück – das ist ein wirklich interessantes Album, sozusagen ein Mittelding zwischen THE CLASH und den MESCALEROS. Es besitzt einige sehr experimentelle Elemente, die sehr gewagt sind. Wie habt ihr da zusammengearbeitet?
Ich glaube, Joe war daran interessiert, etwas zu machen, das sich von dem unterscheidet, was er mit THE CLASH gemacht hat. Und es ist ziemlich schwierig, in die Rolle des Gitarristen von Joe Strummer zu schlüpfen. Es hat mich sehr verletzt, dass die Leute mich so schlecht behandelt haben, weil ich meine Individualität als Gitarrist zum Ausdruck gebracht habe. Die Leute wollen Künstler immer in eine Schublade stecken und sagen: „Das ist dein Potenzial und du solltest immer nur das wiederholen, was wir an dir mögen und nie deinen Horizont erweitern.“ Ich glaube, Joe wollte eher eine Art Reisebericht schreiben, eine Art ätherische, fast beatnikartige Herangehensweise an das Schreiben von Texten – Bewusstseinsströme, verträumtes Zeug. Ich glaube nicht, dass die Leute darauf vorbereitet waren und es deswegen nicht akzeptierten. Im Nachhinein betrachtet hat Joe vielleicht versucht, sich von seinem Label zu lösen, indem er etwas Experimentelles und Gelasseneres gemacht hat, das weniger bissige sozialpolitische Kommentare enthielt. Ich glaube, das war so geplant. Er kam mit einer sehr, sehr einfachen Aufnahme, vielleicht mit Drumcomputer, Gesang und Gitarre, und es lag an mir, diese Songs in ein Bandarrangement zu verpacken. Damals war ich noch jung und musste mich als Gitarrist beweisen, und so wurde das Album oft dafür kritisiert, dass es viele verschiedene Gitarrenschichten enthielt. Aber du kannst dir vorstellen, wie es ist, als 26-jähriger Junge mit zwei 24-Spur-Maschinen zu hantieren, die miteinander verbunden und automatisiert sind, und wahrscheinlich zwanzig Gitarren herumliegen zu haben und das Studio zu beherrschen ... Ich nehme einen Teil der Schuld dafür auf mich, dass manches davon etwas verworren und vielleicht etwas komplex ist. Aber kann man mir das verübeln? Ich meine, ich war sehr überschwänglich, und musste nicht nur Joe, sondern auch mir selbst viel beweisen, als ich in die Fußstapfen von THE CLASH trat, die sich trennten. Ich weiß, dass Joe nicht wollte, dass es unbedingt wie THE CLASH klingt. Es gibt ein paar rasante Leads und einige Gitarrenschichten, die vielleicht nicht in Mick Jones’ Revier lagen. Mick war zu BIG AUDIO DYNAMITE gewechselt und hatte etwas ganz anderes gemacht, und ich glaube nicht, dass er deswegen angefeindet wurde. Ich finde einfach, dass jeder die Freiheit haben sollte, das zu tun, was er zu dem Zeitpunkt tun möchte. Ich will den Mythos meiner eigenen Geschichte einfach nicht glauben. Das ist der Grund, warum ich das tue, was ich jetzt tue. Nun, nicht der einzige Grund. Ich tue einfach, was ich tue, aber ich würde mir wünschen, dass die Leute einen Künstler an jedem Punkt seiner kreativen Entwicklung akzeptieren.

Auf „Earthquake Weather“ sind ein paar tolle Songs drauf. Es gibt aber auch Songs, die ich nicht verstehe – bei einem Song wie „Gangsterville“ höre ich zu und lese den Text und es gibt einige interessante Phrasen, aber ich verstehe sie nicht und habe das Gefühl, dass ich immer noch nicht dabei bin. Aber „Ride your donkey“ kommt gut rüber und ...
„Ride your donkey“ ist eine Coverversion.

Das wusste ich gar nicht. Wer hat das Original gemacht?
Ich weiß nicht, ein paar Reggae-Typen! [LLOYD CAMPBELL AND THE TENNORS, Anm. d. Verf.]

Kannst du mir erklären, was das überhaupt bedeutet – deinen Esel zu reiten? Es scheint eine Metapher für etwas zu sein ...
Ich glaube, du müsstest Joe Strummer fragen, warum er dieses Lied covern wollte. Ich war eigentlich nur Joes musikalischer Leiter und Gitarrist.

Hast du persönliche Lieblingsmomente auf „Earthquake Weather“?
Ja, ich mag „Dizzy’s goatee“. Und „Ride your donkey“ hat mir sehr viel Spaß gemacht, so als ob ich meine eigene Art von Lee Scratch Perry-Dub gemacht hätte. Aber ehrlich gesagt steckte ich bis zum Hals in meiner Arbeit. Ich habe damals buchstäblich 14 bis 18 Stunden am Tag im Studio verbracht und so hat auch Joe gearbeitet. Wir blieben wach und arbeiteten, bis wir nicht mehr wach waren. Die ganze Sache war ein Lieblingsmoment wegen meiner Freundschaft mit Joe und der Tatsache, dass Joe so großzügig mit seiner Kreativität war und mir erlaubte, mich selbst auszudrücken. Ohne mich in eine Schublade zu stecken und zu sagen: „Jetzt musst du wie Mick Jones spielen.“ Das gab es nicht.

Es ist sogar ganz anders als das, was du auf dem „Permanent Record“-Soundtrack gemacht hast. Songs wie „Trash city“ sind viel direkter und punkrockiger, wenn auch vielleicht weniger ambitioniert als die Sachen auf „Earthquake Weather“. Waren die Umstände sehr unterschiedlich? Es war auch eine andere Band. Ich war überrascht zu erfahren, dass Tupelo Joe von TUPELO CHAIN SEX bei diesen Aufnahmen dabei war.
Ich meine, Tupelo Joe war nicht so sehr an dem Soundtrack beteiligt. Er wird zwar erwähnt, aber ... Ehrlich gesagt haben wir eine Filmmusik gemacht, die einen ganz bestimmten Zweck erfüllt, nämlich die Bilder in den Szenen zu verstärken, die gerade passieren. Bei „Earthquake Weather“ haben wir versucht, diese Szenen zu kreieren, und ich glaube, es war viel ehrgeiziger und verträumter, weil es kein Bild gab, das wir mit der Musik erzeugen mussten. Es gibt also viele Anspielungen auf verschiedene Städte und Reisen, und es liegt keine klare und direkte Botschaft zugrunde. Die Musik unterstreicht also die Verträumtheit der Texte auf diesem Album.

Was waren deine letzten Begegnungen mit Joe?
Das letzte Mal, an das ich mich erinnere, war am Ende der Tournee. Es war eine unglaubliche Enttäuschung für mich. Die Tournee war abgesagt worden, und wir gingen auf unsere Zimmer und sagten: „Wir sehen uns, wenn wir uns wiedersehen.“ Ich glaube, er war auch enttäuscht. Aber die Plattenfirma war offensichtlich an einer CLASH-Reunion interessiert, und das war Joe ein ständiger Dorn im Auge. Rückblickend denke ich, dass Joe mit „Earthquake Weather“ und der Zusammenstellung der Band versucht hat, seinen eigenen Mythos zu zerstören. Aber ich glaube, dass die ganze Zeit über hinter den Kulissen Dinge vor sich gingen, die die Plattenfirma dazu veranlassten, die Tournee abzusagen und Joe bei Epic rauszuwerfen, was vielleicht Joes Absicht war. Ich kann nicht in seine Gedankenwelt eindringen, aber ich könnte mir vorstellen, dass es Teil seiner Absicht war, aus dem Plattenvertrag mit Epic auszusteigen. Die Leute sprechen von Joes „wilden Jahren“, aber er war in der Zeit nach der Auflösung von THE CLASH sehr, sehr produktiv. Von „Sid And Nancy“ bis hin zu Joes Rolle in „Straight To Hell“ und „Walker“, und der Filmmusik für „Walker“, was eine unglaubliche Erfahrung war. Bis hin zur Anarchy-Tour, die wir gemacht haben, und der Produktion von „Earthquake Weather“ und „Permanent Record“ und all diesen Sachen. Wir waren unglaublich produktiv. Ich glaube, Joes sogenannten wilden Jahre begannen nach dieser Zeit, als Joe von Epic fallen gelassen wurde, und ich glaube, das machte ihn sehr, sehr, sehr traurig. Ich glaube, er bereute die Auflösung von THE CLASH, und ich glaube, dass ihn die ganze Erfahrung ein wenig aus der Bahn geworfen hat. Wie ich gehört habe – denn wir hatten den Kontakt zueinander verloren –, wollte er einfach nur auf Festivals gehen und Bands sehen. Und er machte seine Radioshow und so weiter, bis ihn die Inspiration wieder packte, neue Musik zu machen.

Konntest du die MESCALEROS mal live sehen?
Ja, ich mochte sie und fand, dass sie eine gute Band waren. Ich fand es gut, dass Joe wieder in Kontakt mit dem Älterwerden kam und sich mehr auf die Welt einließ, und dass er eine solide Band hatte, die seinen Weg mitgehen konnte. Ich habe mich für ihn gefreut.

Lass uns mal über dein neues Soloalbum „Song About Songs“ sprechen. Es gibt ein paar Songs, die bereits auf früheren Soloalben waren, richtig?
Nein, ich hatte noch nie ein Soloalbum. Das ist mein erstes Soloalbum!

Aber es gab ein Album mit Sean Wheeler, auf dem „Song about songs“ war ...
Nein, ein Song ist auf dem ersten SEAN WHEELER & ZANDER SCHLOSS-Album „Walk Thee Invisible“. Und der Grund, warum ich den Song neu gecovert habe, ist, dass ich glaube, dass ich ihn nicht so gut gesungen habe, wie ich es auf dem ersten Album hätte tun können. Ich habe es eine kleine Terz tiefer gelegt, damit ich den Song besser singen konnte, und ich glaube, meine Stimme hat sich in dieser Zeit weiterentwickelt. Ich war damals ein neuer Sänger, ein reiner Instrumentalist und Songwriter, und obwohl ich den Text geschrieben und den Song auf „Walk Thee Invisible“ mit Sean aufgenommen habe, ist es mein Song, also kann ich so viele Versionen davon machen, wie ich will.

Auf Discogs wird eine Platte von dir namens „Dear Blue“ aus dem Jahr 2017 aufgeführt, die auch einige Songs von „Song About Songs“ zu enthalten scheint. Ist es ein Demo oder so was?
Nein, das ist ein Bootleg von „Song About Songs“. Ich habe für „Song About Songs“ einen der Songs weggelassen, „Dear Blue“ in „My Dear Blue“ umbenannt, alles neu abgemischt und gemastert, und das Ganze so neu interpretiert. Als Sean und ich uns trennten, brauchte ich etwa ein Jahr, um ins Studio zu gehen und das Album aufzunehmen. Als ich es dann aufgenommen hatte, ging ich für sechs Wochen nach Europa und tourte auf eigene Faust und wollte einfach nur ein paar Platten verkaufen. Das Artwork war nicht final, die Reihenfolge war nicht final. Das Album war noch nicht in der richtigen Reihenfolge gemastert worden ...

Wer spielt denn mit dir auf „Song About Songs“?
„Song About Songs“ wurde live auf Band aufgenommen, auf einer 16-Spur-Zwei-Zoll-Maschine, mit Gus Seyffert, der zurzeit bei Roger Waters Bass spielt. Jake Blanton spielt Keyboard – er hat schon bei Brandon Flowers und bei THE KILLERS Keyboard gespielt, und ein Typ namens Josh Adams, der auch bei Jenny Lewis und einigen anderen Leuten spielt. Gus war im Regieraum, um zu produzieren, die Knöpfe zu drücken und E-Bass zu spielen. Jake war im anderen Raum und spielte Klavier oder Wurlitzer, Josh war im Schlagzeugraum und spielte Schlagzeug, und ich sang und spielte gleichzeitig Gitarre in der Isolationskabine. Ich würde sagen, die grundlegenden Tracks wurden im Laufe von vier Tagen aufgenommen. Wir haben den Song durchgespielt, etwa zwei Takes gemacht und das Beste von einem oder zwei ausgewählt. Dann hatten wir noch ein paar Tage Zeit, um die Leadgitarre, das Keyboard oder den Hintergrundgesang zu überarbeiten. Das ganze Album wurde innerhalb von sechs Tagen aufgenommen. Das lag zum einen daran, dass das Budget so klein war, und zum anderen daran, dass wir nicht viel Zeit mit der Automatisierung und der Autokorrektur des Gesangs verbringen wollten. Gus wollte nichts von alledem machen. Das macht den klassischen Sound des Albums aus, denn du musst gut spielen, Entscheidungen auf der Stelle treffen und gleichzeitig singen und spielen, also gibt es kleine Fehler. Ich glaube, das gibt dem Album einen richtig klassischen Charakter.

Der Titeltrack „Song about songs“ ist ein geniales Stück. War zuerst der Text da oder die Musik? Gab es bestimmte Inspirationen?
Nun, ich schreibe eigentlich immer auf dieselbe Art und Weise. Ich schreibe zuerst die Musik und die Melodie. Ich glaube, ich habe den Song sehr schnell geschrieben, und ich glaube, ich wollte jemandem, mit dem ich zusammengearbeitet habe und der ungenannt bleiben soll, etwas beweisen, der viele Songs über Angeberei, Geld und Juwelen und all die anderen Dinge schrieb, die er für sexy hielt. Ich wollte etwas Romantisches schreiben wie: „I hope you find a song that loves you for all time and that song saves your life.“ Das ist sozusagen das Herzstück des Liedes. Und einen Song zu schreiben – denn ich habe große Ehrfurcht vor der Macht der Musik –, der andeutet, was mich inspiriert hat, aber diese Titel nicht benennt, um den Zuhörern die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen, welche Songs ihnen durch schwierige Zeiten geholfen haben, wie den Tod eines geliebten Menschen oder eine Scheidung oder die Geburt eines Kindes oder was auch immer. Wichtige Momente, in denen die Musik in ihrem Leben von großer Bedeutung war. Das war also meine Absicht mit diesem Lied.

Aber wahrscheinlich möchtest du nicht öffentlich festhalten, welche Songs genau das für dich bedeutet haben, die diese Dinge für dich getan haben.
Nun, ich meine, da gibt es so viele. Ehrlich gesagt würde ich den Zaubertrick lieber nicht verraten. Die Lieder, die mir das Leben gerettet haben, sind sehr persönlich, und ich möchte, dass die Leute ihre eigene Liste aufschreiben können. Also nein, ich werde dir meine Liste nicht verraten.

Die Melodie von „Song about songs“ erinnert mich ein bisschen an „Long black veil“, eine berühmte Version stammt von Johnny Cash, und wenn ich mich recht erinnere, hat Joe sogar etwas mit Johnny Cash aufgenommen. Ich glaube, es war der „Redemption song“. War „Long black veil“ hier also relevant für dich?
Nein, meine Absicht war es damals und ist es immer noch, Dinge zu schreiben, die einen Einfluss haben, der über eine kurze Zeitspanne hinausgeht. Und ich konzentriere mich generell – wenn ich versuche, einen Song zu schreiben – auf Lieder, die potenziell einen Platz im Great American Songbook haben könnten. Weißt du, was ich meine? Ich denke da an Songs wie „Oh, my darling Clementine“ und „Camptown races“ – solche Sachen, bei denen die Melodie eindeutig in das American Songbook gehört. Und die Einflüsse, die ich dabei verwendet habe, waren, glaube ich, Gospel- und appalachischer Herkunft. Wenn man darüber hinausgeht, kommen diese Einflüsse aus der englischen, schottischen und irischen Volksmusik. Archetypen gibt es auch in den Melodien und in Musikstilen. Ich möchte den Leuten also etwas Vertrautes geben, sie an den Tisch setzen und ihnen das Gefühl geben, dass sie mitmachen, dem Lied zuhören und es verdauen können, so als ob man Truthahn mit Preiselbeersauce und Kartoffelpüree serviert. Du schickst nicht zuerst die exotischen Gerichte raus, die zu scharf sind und die sie nicht kennen.

Es ist also musikalisches „comfort food“?
Ja.

Ich wollte dich nach einem weiteren möglichen Einfluss fragen, bei „Dead friend letter“. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, wie du ihn spielst, und ich kann nicht herausfinden, an welchen Song er mich erinnert, aber irgendwie muss ich bei „Dead friend letter“ an Mississippi John Hurt denken. Gibt es da eine Verbindung?
Nein, ich meine, es könnte sein. Ich bin ein großer Fan von Leuten, die diese Art von Muskulatur in der rechten Hand haben. Ein Teil des Prozesses, ein Solokünstler zu werden, ist, dass ich wollte, dass die Grundlagen der Songs sehr solide sind. Ich gehe an die Sache heran wie ein Tischler. Das heißt, ich wollte Bass, Melodie, Akkorde und all das gleichzeitig einbauen, und der Weg dorthin führt über die Einflüsse von Leuten, die Gitarre spielen und singen. Es ist ein sehr direkter und kraftvoller Sound für mich, weil er so einen direkten Kanal zum Zuhörer hat. Also ja, Mississippi John Hurt ist ein gutes Beispiel dafür. Du kannst auch einige der anderen Delta-Blues-Musiker und Folk-Fingerpicker und so weiter zitieren.

Ich habe das Video gesehen, das du mit Alex Cox für den Song „Straight to hell“ gemacht hast, und da sind ein paar wirklich schöne Sachen auf der Zwölfsaiter zu sehen. Ist das dieselbe Gitarre, die du in „Dead friend letter“ spielst? Gibt es eine Geschichte mit diesem Instrument?
Ja, das ist die gleiche. Ich habe sie auf Drop D gestimmt, um einen tieferen, bassigeren Klang zu bekommen. Es ist eine Gitarre, die ich vor etwa 20 Jahren geschenkt bekommen habe und die ich immer mit mir herumgetragen habe. Sie ist wirklich nichts Besonderes und nichts, was die Leute als „High-End“-Gitarre bezeichnen würden. Es ist eine Yamaha Dreadnought aus den frühen Achtzigern oder so. Aber die Gitarre selbst hat etwas sehr Magisches und Inspirierendes an sich. Das hat mich dazu inspiriert, sehr, sehr lange ausschließlich auf ihr zu schreiben und zu spielen. Und sie lässt sich wirklich gut aufnehmen. Sie klingt einfach unglaublich, sie spielt sich wirklich gut und ist inspirierend.

Kannst du mir etwas über den Text des Songs „Dead friend letter“ erzählen? Wovon wurde er inspiriert?
Es war ein Experiment für mich, das ich in der dritten Person verfasst habe. Es geht um einen ziemlich tragischen Typen, der keine Familie hat und nicht gerade die hellste Kerze auf dem Kuchen ist. Es ist eine Art Selbstmordbrief. Und der Typ wettet darauf, dass sein Freund den Brief findet, ihn sieht und so dumm ist, dass er nicht einmal merkt, dass er tot ist. Es ist sehr schwarzhumorig und eine Art verdrehtes Märchen, das wie ein Brief geschrieben ist.

Gibt es Songs auf dem Album, die autobiografischer sind als andere?
„I have loved the story of my life“ natürlich. Das ist eine Geschichte darüber, trotz aller Hürden und Hindernisse, die uns im Leben begegnen, dankbar zu sein. Vieles davon ist auf meine jahrzehntelange Heroinsucht zurückzuführen und darauf, dass ich seit 16 Jahren trocken bin, sowie auf meine lange Reise durch die Musikindustrie und was es mich gekostet hat, dort Fuß zu fassen. Es geht einfach um das Leben im Allgemeinen. Es ist also ein Lied über Dankbarkeit. Es ist sehr persönlich.