Dänemark hat schöne Strände, viele deutsche Urlauber:innen wissen das. Ob diese Tatsache wiederum etwas damit zu tun hat, dass THE TREMOLO BEER GUT sich einst Ende der Neunziger der Surfmusik verschrieben haben, wurde in diesem Interview nicht ergründet. Anlass war vielmehr „You Can’t Handle ...“, das erste neue Studioalbum seit über 13 Jahren. Meine Fragen beantwortete Yebo.
13 Jahre für ein neues Album?! Was habt ihr gemacht, am Strand entspannt, anstatt neue Songs zu schreiben?
Ja, wir hängen schon seit 13 Jahren am Strand ab. Es fängt damit an, du weißt schon, Urlaub zu machen. Chillaxing. Nichts zu tun. Alles gut, aber dann, nach einem Jahrzehnt oder so, fängt es an, an dir zu nagen. Man fragt sich, was wohl in der unwirklichen Welt vor sich geht? Vielleicht sollten wir mal eine Zeitung lesen oder so? Das taten wir, und kehrten prompt an den Strand zurück. Spaß beiseite, in den 13 Jahren seit der letzten Studio-LP „Nous Sommes ...?“ haben wir ein Album voller Coversongs veröffentlicht, einige waren älter, aber einige sind eigens für „Under The Covers With ...“ entstanden. Und vor fünf Jahren haben wir auch ein Live-Album rausgebracht, „Live, Beyond Our Means“. Schließlich hatten wir noch eine Doppel-B-Seiten-Single für unsere Tour durch Brasilien, diese beiden Stücke sind jetzt auch auf dem neuen Album enthalten. Und wo wir gerade beim Touren sind, auch wenn wir nicht viel unterwegs sind, sind wir damit gesegnet, viele Einladungen zu bekommen, so dass wir in diesen Jahren doch ein bisschen herumgekommen sind, was uns wohl gutgetan hat. Jetzt, da wir eine neue LP herausbringen, scheinen einige Fans rund um den Globus zusammengekommen zu sein. Hoffentlich kommen wir bald wieder in all diese wunderbaren Länder und noch mehr.
Wie steht es um das Surfmusik-Biz? Die Sechziger waren das Goldene Zeitalter dieses Genres, in den Neunzigern kam es durch „Pulp Fiction“ zu einem Revival.
Ich denke, je weiter wir uns von dem „Pulp Fiction“-Hype fernhalten, desto besser für uns. Ich liebe den Film und ich liebe Quentin Tarantino, aber für uns ging es nie darum, eine wahre Surfband zu sein oder wie Dick Dale zu klingen. Wir haben uns zwar als Surf’n’Western-Band gegründet, aber ich schätze, wir haben immer alles falsch gemacht, da wir uns nicht wirklich mit traditionellem Surf auskannten. Man kann sagen, wir machen das auf unsere Art, die sich von der Mehrheit der Surfbands unterscheidet. Unsere Inspirationen reichen von Filmmusik und Fifties- und Sixties-Pop – wie THE BEACH BOYS, die übrigens keinen Surf spielen, bis hin zu gutem, altem Garage-Rock’n’Roll. Die Surf-Elemente landeten meist durch andere Genres bei uns, die so etwas verwendet haben. Aber um deine Frage zu beantworten: Wir haben keinen Schimmer.
Gibt es eine international vernetzte Szene von Fans und Bands?
Es gibt auf jeden Fall eine starke Surfmusik-Community, und wir haben das große Glück, dass sie THE TREMOLO BEER GUT mit offenen Armen willkommen hieß. Ich glaube, sie betrachten uns als ihr schwarzes Schaf, der missratene Cousin aus Europa. Wir haben einige gute Freunde in dieser Szene gefunden, und sie akzeptieren es, dass wir unsere eigene langsame, dunkle, sexy, rauhe Version von Surf spielen. Einige mögen es sogar. Ein paar behaupten gar, es zu lieben.
Ihr habt etliche Gäste auf dem Album, wie Sune Rose Wagner von THE RAVEONETTES, Jon Spencer, ebenso wie seine Gattin Cristina Martinez von BOSS HOG, Evan D. Foster von THE SONICS, THE BOSS MARTIANS, Chris Barfield von THE HUNTINGTON CADS, THE COURETTES ... Was war ihr Beitrag?
Bei unserem dritten Album haben wir damit angefangen, ein paar Gaststars dabeizuhaben, und für „You Can’t Handle ...“ haben wir uns noch mehr angestrengt. Es begann damit, dass wir Zombierella von der herausragenden russischen Surf-Combo MESSER CHUPS für „Codename Tremstar“ um ein paar Spoken Words auf Russisch baten, und danach hatten wir wohl Blut geleckt und kamen mit immer mehr Ideen an, die einige unserer Freunde aus anderen Bands realisieren könnten. Sune war natürlich selbst früher bei THE TREMOLO BEER GUT, also war „Hot! Hot! Heatwave!“ eine Art Heimkehr für ihn. Und als der Titel für „Jive Jimmie Juma“ im Gespräch mit Evan Foster aufkam, verstand es sich beinahe von selbst, dass er die kleine Gesangseinlage für den Song macht. Er und das Label No-Count von seinem Bruder Erik veröffentlichen das Album übrigens in den USA zusammen mit MuSick Recordings, es ist toll für uns, mit solch coolen Typen zu arbeiten – sowohl kreativ als auch geschäftlich. Spencer und Martinez kennen wir schon lange und Nalna und ich haben zusammen in Jons Band HEAVY TRASH gespielt. Wir haben sie gebeten, „Hey hello“ zu machen, weil wir einfach wussten, dass sie diese coolen sexy-verspielten Vocals draufhaben. Und das hatten sie auch. Der Grund, warum Chris Barfield auf der Platte ist, ist eine lustige Geschichte. Wir kennen ihn aus der Surf-Community und finden, dass er einer der Besten, wenn nicht der Beste ist, bei ihm klingt es immer interessant und hat einen melodischen Touch. Seine Gitarre erzählt eine Geschichte statt der ewig gleichen müden Riffs über eine zwölftaktige Blues-Akkordfolge. Wobei: Ich bin Schlagzeuger, ich bin mir nicht 100% sicher, was eine zwölftaktige Blues-Akkordfolge ist. Wie auch immer, er postete auf Facebook ein Video, wie er ein paar Akkorde spielt, und Nalna schrieb eine Melodielinie dazu und schickte sie ihm. Aus diesem Austausch entstand der Song, und als wir die TBG-Version aufgenommen hatten, baten wir Chris, in Kalifornien ein paar zusätzliche Sachen aufzunehmen. Er schickte einige coole Fuzz- und Zwölfsaiter-Gitarrenparts, die wir dann zu unserer Version hinzufügten. Die COURETTES „schuldeten“ uns etwas, da wir Backing Vocals für ihre X-Mas-Single von 2019 gesungen haben, also war es eine Freude, Flavia und Martin dazu zu bringen, einige Adlibs für „The tremolo death wray“ und „Hot! Hot! Heatwave!“ aufzunehmen.
Was macht dieses Genre für Musiker besonders, interessant, anspruchsvoll? Ich schätze, man kann wenig „schummeln“, da alle Details klar zu hören sind?
Als wir die Band gegründet haben, war es ziemlich spannend, dass alles instrumental war. Sune, Per und ich waren zu der Zeit alle Sänger in unseren Hauptbands und es war toll, sich völlig auf das Spielen – und Trinken – konzentrieren zu können. Als Songwriter ist wohl die Herausforderung, die Musik interessant genug zu gestalten, damit die Melodie auch ohne Text trägt. Jetzt sind zwanzig Jahre vergangen, und da die ursprünglichen Bands alle auf der Strecke geblieben sind, ist es für uns längst normal geworden, in diesem Modus zu arbeiten. Die einzige „Schummelei“, die wir uns leisten, ist, dass wir nicht besonders viel proben, bevor wir etwas aufnehmen. So war das auch bei diesem Album. Aber wie du schon sagst, du kannst jeden Fehler auf der Platte hören, also wenn du dich verspielt hast, musst du entweder von vorne anfangen – oder du lernst es zu lieben.
Im Surf spielt die Aufnahmetechnik eine wichtige Rolle, oder?
Ja, ich denke, dass der Sound stimmen muss, damit er den richtigen Punkt trifft. Deshalb nehmen wir auf Zwei-Zoll-Band auf und mischen auf dem tollen Neve-Mixer in den Tambourine Studios. Wir brauchen dieses druckvolle, aber „warme“, leicht verzerrte analoge Gefühl, damit es in unseren Ohren richtig klingt. Ich bevorzuge alte Aufnahmen oder die aktuellen Bands, die es im Old-School-Stil machen.
Euer Name impliziert weniger Cocktails als ... einen Bierbauch. Kannst du uns irgendeine Marke, ein Craft Beer empfehlen?
Tolle Musik, kaltes Bier und heiße Frauen – ungeachtet Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht natürlich – passen einfach gut zusammen, oder? Wir stehen alle auf ein Brewski, aber seit wir gut mit dem Craft-Brauer Mikkeller befreundet sind, haben wir gelernt, alle möglichen verrückten Biersorten zu schätzen. So altmodisch wir in Sachen Rocken und Rollen sein mögen, so neugierig sind wir in Sachen Getränke. Mikkellers Brauerei in San Diego hat tatsächlich ein spezielles TREMOLO BEER GUT-Bier namens „Planet Urf!“ gemacht, ein Hazy New England Style-IPA mit Jalapeño – es ist fantastisch. Und da Jengo, Nalna und ich Miteigentümer von mehreren Bars und Restaurants sind, stehen wir auch auf gute Weine und Cocktails. Alles, was die Welt an Essen und Trinken zu bieten hat, interessiert uns. Ich denke, dass wir uns manchmal darauf genauso sehr konzentrieren wie auf die musikalische Seite der Dinge. Das macht Touren für uns viel lustiger und angenehmer. Wir haben beim Touren immer alles falsch gemacht: beschissenes Bier, beschissenes Essen ... jetzt machen wir es richtig!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Axel M. Gundlach
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #77 April/Mai 2008 und
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Gereon Helmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #99 Dezember 2011/Januar 2012 und Axel M. Gundlach
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Gereon Helmer