TED LEO & THE PHARMACISTS

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The Policy Of Truth

Tonnen von Kreativität lagen in den Mittneunzigern in der von Ruß und vom politischen Muff verseuchten Washingtoner Luft. Grund genug, dagegen anzustinken. Man formte - just for fun - Bands nur für einen Abend und war fasziniert vom Enthusiasmus, etwas bewegen zu wollen. Ted Leo war mit seiner damaligen Band CHISEL Teil der Postcore-Szene um Ian MacKayes Dischord-Label, immer schon großen Wert legend auf die politisch korrekte Aussage. Momentan betourt er zusammen mit den PHARMACISTS die europäischen Bühnen. Die Gelegenheit, mal nachzuhorchen, was denn vom alten Geist noch in den Knochen steckt.

Über die Jahre hast du in vielen verschiedenen Bands gespielt und mit vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet, unter anderem mit James Canty/MAKE UP, Alex Minoff/SIX FINGER SATTELITE oder Jerry Busher/FRENCH TOAST. Was meinst du, waren die wichtigsten Kooperationen auf dem Weg zu TED LEO AND THE PHARAMACISTS, so wie sie heute klingen?


Das ist eine interessante Frage. Ich glaube, was sehr wichtig für mich war, ist ein Projekt, das ich nur eine kurze Zeit hatte, die SIN EATERS. Das war 1997/98 eine Zusammenarbeit mit einem meiner Brüder, Danny. Es war direkt nach dem Split von CHISEL. Es war sehr noisy, THE EX-beeinflusst, gleichzeitig sehr minimal, sehr Hardcore-lastig. Es war für mich, als ob wir den 90ern einen Tritt verpassen und zum Kern, zur Basis zurückgekehrt seien. Eine weitere wichtige Sache für mich war, in den späten 90ern und Anfang 2000 Gitarrist bei Rebbeca Gates und ihrer Band THE SPINANES zu sein, die zum damaligen Zeitpunkt bei Sub Pop waren. Sie hat mir viel darüber beigebracht, dass es okay ist, ein Künstler zu sein. Du musst nicht Angst davor haben, dass du nichts Vernünftiges im Leben auf die Beine stellst. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon angefangen, unter meinem eigenen Namen Musik zu machen, aber das gab mir eine Menge Selbstbewusstsein, meine Musik wirklich in Angriff zu nehmen.


Du legst großen Wert auf deine Texte. Wenn man nur die Songtitel von "Shake The Sheets" und von "Living With The Living" vergleicht, hat man, so ging es mir zumindest, den Eindruck, dass die neuen Songs offensichtlich politischer sind. War das dein Anliegen?

Auch "Shake The Sheets" ist eine sehr politische Platte, aber ich glaube, dass du Recht hast. Der Unterschied ist, dass, "Shake The Sheets" in einer Zeit entstanden ist, in der in den Staaten unter den ersten vier Jahren Bush-Regierung eine große Orientierungslosigkeit herrschte. Auf der Platte wurde viel hinterfragt: Wie gehe ich durch diese Zeit? Wie kann ich mit den Umständen umgehen? Vieles davon verarbeite ich auch auf "Living With The Living" ein wenig gewollter.


Bei "Shake The Sheets" wurde dir unterstellt, dass die Platte für deine Verhältnisse nicht radikal genug ist. Sind die neuen Songs eine Reaktion auf die Kritiken von "Shake The Sheets"?

Nein, ganz und gar nicht. Ein paar Leute unterstellten das der Platte und urteilten mit "Fuck that". Meine Reaktion darauf ist: "Fuck you, das war die Platte, die ich zu diesem Zeitpunkt schreiben musste." Viele Leute, die mir zu wenig Radikalität unterstellt haben, haben einfach nicht gut genug aufgepasst. Ich war Jahre lang sehr radikal in meinen Texten. Vieles auf "Shake The Sheets" handelt davon, erschöpft von dieser radikalen Einstellung zu sein. Das Gefühl, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, nichts wirklich bewegen zu können, im Gegenteil, es wird immer schlimmer. Ich habe in den vorherigen drei Jahren Bush-Regierung kritische Songs geschrieben, wie beispielsweise den SIN EATERS-Song "The high party" oder Songs von der "Treble In Trouble"-EP, und ich war jeden Abend auf der Bühne und habe meinen Unmut herausgeschrieen. Ich habe all meine Energie für diese Sache aufgebracht. Und die Kids, die gerade vom College kommen und in ihren Blog schreiben, "Ted Leo ist nicht politisch genug", denen sage ich: "Fuck you, ich mache das schon immer." Darüber hinaus ist mein Leben, wie jedes andere auch, nicht einem einzigen Thema unterstellt, ich bin keine Maschine.


Ich habe gehört, dass du "I never gave up" von CHUMBAWAMBA für deine Bonus-CD coverst. Warum dieses Lied?

Ich finde, dass "I never gave up" ein unglaublich inspirierender Song ist. Ich liebe alles, was CHUMBAWAMBA bis zu einem bestimmten Punkt gemacht haben. Für ihre Entwicklung danach hatten sie sicher ihre Gründe, damit kann man übereinstimmen oder es sein lassen. Aber es schmälert die vorherige Geschichte von CHUMBAWAMBA nicht.


Du spielst im August die Lollapalooza-Show in Chicago. Lollapalooza ist eine große Festival-Maschine, die von großen Firmen gesponsert wird. Klar, so kann man viele Leute erreichen, aber fühlst du dich wohl, Teil einer derart großen Maschinerie zu sein?

Diese Konflikte sind mir durchaus bewusst, und mir ist klar, was dahinter steckt. Am Ende ist es allerdings so, dass die meisten Dinge, die wir machen, wie nicht auf einem Majorlabel zu sein etc., den einen oder anderen Festivalauftritt nicht in Frage stellt. Aber es ist uns klar, dass wir auch Nein hätten sagen können.


Du hast kürzlich das Label gewechselt, von Lookout Records zu Touch&Go. Was waren die Gründe dafür?

Lookout mussten aus finanziellen Gründen aufhören, neue Platten herauszubringen. Ich hätte sie sonst nicht verlassen. Die Kurzversion lautet, dass sie einige schlechte Geschäftsentscheidungen getroffen haben, und so einfach viele Leute nicht auszahlen konnten. Lookouts Lösung war, die Plattenproduktion einzustellen und den Backkatalog zu verkaufen, um alle Beteiligten auszuzahlen. Sie haben einen Kostenplan mit allen ausgearbeitet, aber es dauert einfach seine Zeit, bis das über die Bühne ist. In der Zwischenzeit brauchte ich ein neues Label, und wo sollte ich ein besseres Label als Touch&Go finden?


Steve Albini hat mal gesagt, wenn man sich mit einem gewissen Underground-Status zufrieden gibt, ist man in der Lage, für immer weiterzumachen. Würdest du das unterschreiben?

Absolut, hundertprozentig. Als ich unter meinem eigenen Name das erste Mal allein unterwegs war, nachdem CHISEL sich aufgelöst hatten, war es der eigentliche Road-Test für mich. Wenn man das ein paar Jahre mitgemacht hat, und ich bin zu dem Zeitpunkt so um die 30 gewesen, dann hat man sich schon seine Gedanken gemacht, was man denn bisher so mit seinem Leben angestellt hat. Und ich habe mir gedacht, scheiß drauf, ich habe es so weit gebracht, ich kann auch weiter machen. Und wenn du, wie Albini sagt, glücklich sein kannst, Musik zu machen, kann all dieser Business-Kram dir nicht wirklich etwas anhaben. Sogar auf dieser Tour: wir spielen in New York vor ungefähr 1.500 Leuten, und dann fahren wir nach Frankreich und spielen vor zwanzig Leuten. Aber es ist das, was wir machen, wir machen Musik.