Dieses Interview führte der Kanadier Allan MacInnis separat mit drei Mitgliedern der SUBHUMANS aus Vancouver, Kanada, ergänzt um ein separates Interview mit Gründungsmitglied Gerry Hannah. Zwei sehr interessante Gespräche darüber, was passiert, wenn aus den von jeher in der Punk-Szene gerne dramatisch inszenierten politischen Texten wirklich mal blutiger Ernst wird. Pflichtlektüre also für all die Großmäuler, die gerne von "Revolution" und "Kampf" faseln, aber weder aktiv werden, noch die Konsequenzen ihrer Rhetorik bedenken. Joachim Hiller
Die wie D.O.A. aus Vancouver, Kanada stammenden SUBHUMANS waren von 1978 bis 1982 aktiv und sollten nicht mit der gleichnamigen englischen Band verwechselt werden, aus der später CULTURE SHOCK und CITIZEN FISH hervorgingen. Sie veröffentlichten zwei Singles, eine EP und zwei LPs, "Incorrect Thoughts" und "No Wishes, No Prayers" (auf SST), die beide out of print sind. Wie bei so vielen Bands aus den frühen Tagen des Punkrocks steht auch bei den SUBHUMANS ihre nur geringe Lebensdauer im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihrer Bedeutung. Letztes Jahr kam es dann zu einer Reunion, man absolvierte eine Tour durch Kanada und veröffentlichte via Alternative Tentacles in den USA und G7 Welcoming Committee in Kanada ein neues Album namens "New Dark Age Parade", das überraschend frisch klingt und sowohl musikalisch als auch mit seinen klar politischen Texten begeistert. An der Besetzung hat sich im Vergleich zu den frühen Tagen nicht viel geändert: Gerry "Useless" Hannah spielt Bass, Brian Roy "Wimpy" Goble singt und Mike "Normal" Graham spielt Gitarre, Jon Card (Ex-D.O.A.) am Schlagzeug ist das einzige neue Mitglied.
Gerry Hannah, Gründungsmitglied und Autor von Klassikern wie dem hymnischen "Fuck you" und dem die Geschlechterrollen hinterfragenden "Slave to my dick", verließ die Band einst im Jahre 1981 und verstärkte sein politisches Engagement außerhalb der Musik. Er schloss sich einer Gruppe von Direct Action-Stadtguerilla-Aktivisten an und wurde schließlich 1983 verhaftet und als Teil der "Squamish Five" (auch "Vancouver Five" genannt) zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Ihnen wurden verschiedene politisch motivierte Sabotageakte zur Last gelegt, unter anderem ein Sprengstoffanschlag auf die Firma Litton Industries, die Teile für die Steuerung US-amerikanischer Cruise Missiles herstellte - durchaus zum Missfallen vieler Kanadier. Bei dem Anschlag wurden aufgrund ungeschickter Planung einige Personen teils schwer verletzt, und als man die Gruppe verhaftete, war diese gerade in einem abgelegenen Teil von British Columbia damit beschäftigt, sich einem Kampftraining zu unterziehen, mit dem Ziel, einen Geldtransport zu überfallen, um so das Leben im Untergrund und weitere militante Aktivitäten zu finanzieren. Nachdem sie auf einem Highway nahe dem Ort Squamish festgenommen worden waren, wurden die Mitglieder von Direct Action in den Medien als Terroristen vorverurteilt und schließlich vom Gericht hart bestraft. Dabei war es nie die Absicht der Fünf gewesen Menschen zu terrorisieren oder zu verletzen; ihnen ging es darum, Besitz zu schädigen, der der Zerstörung des Planeten dient. Gerry Hannah, der sich vor Gericht schuldig bekannt hatte und von seinen zehn Jahren Haftstrafe (während der er zum Maximumrocknroll-Kolumnisten wurde) fünf absitzen musste, hat sich seitdem zwar immer von seiner Vergangenheit distanziert, wird aber bis heute von der US-Regierung als "ehemaliger Terrorist" angesehen, was ihm die Einreise in die USA und damit eine Tour der SUBHUMANS unmöglich macht.
Der Prozess gegen Direct Action und den Support, den die Fünf seitens der Punk-Community von Vancouver erfuhren, wurde zu einem wichtigen Teil der Geschichte der dortigen Punk-Szene. Es gab seinerzeit diverse Demonstrationen und "Free The Five"-Benefizkonzerte, und D.O.A., die andere legendäre Vancouver-Band, schrieb aus diesem Anlass die Songs "Burn it down" und "Trial by media". Heute ist die Einschätzung tendenziell so, dass die Ideale von Direct Action und das, wogegen sie einstanden - die Zerstörung der Umwelt, die Ausbeutung von Frauen, der militärisch-industrielle Komplex - durchaus ehrenhaft waren, aber nicht ihre Methoden. Zu den starken Kritikern der Fünf gehört auch der aus Calgary stammende einstige Punk und heutige kanadische Regierungsberater Warren Kinsella, der in "Fury's Hour", seinem Buch zur Geschichte des Punkrock, sich über mehrere Seiten negativ über Gerry Hannah äußert. Hier nun ein Interview mit den SUBHUMANS, das kurz vor ihrer Kanada-Tour geführt wurde.
Mike, von dir stammt "Urban guerillas", das freilich vor den Aktivitäten von Direct Action entstand.
Mike: Ja, das entbehrt nicht einer gewisse Ironie. Ich schrieb das Lied aber lange bevor Gerry mit so was zu tun hatte. Im verschlafenen Vancouver gab es keine Stadtguerilla, ich hatte mich da von Berichten über die Rote Armee Fraktion und Action Direct in Europa beeinflussen lassen. Der Song ist reine Phantasie, er war nicht mal ernst gemeint, sondern ging das Thema sogar eher spaßig an.
Aber dieser humorvolle Ansatz macht es nicht gerade einfach zu erkennen, wie radikal die SUBHUMANS in politischer Hinsicht durchaus waren. "Death to the Sickoids" vom ersten Album etwa kann man als Unterstützung militanter Aktionen von Gruppen wie den Roten Brigaden auffassen.
Brian: Nun, ich denke, mit dem Song wollte ich darstellen, wie die Medien die Nachrichten machen, wie sie Fakten herumschieben und verdrehen, bis man nicht mehr versteht, was wirklich geschehen ist. Wenn sie wollen, können sie jeden in einem schlechten Licht erscheinen lassen, verstehst du? Dieses Element der Nachrichtenmanipulation ist seit 9/11 und dem Krieg im Irak wirklich außer Kontrolle geraten. Es weiß doch niemand mehr, was wirklich vor sich geht. Da werden einfach Leute in ein Lager in Guantanamo Bay gesteckt und bekommen nicht mal einen Pflichtverteidiger gestellt. All so was hatte ich beim Schreiben von "Death to the Sickoids" im Kopf, und wie gesagt, das ist alles eher ironisch gemeint.
Und es ist ja auch ein lustiger Song, mit einer Zeile wie "Kill them all - they bug me" ...
Brian: Nein, es geht darum, Ideen zu töten, nicht Menschen ...
Wie war damals eure Reaktion, als ihr von Gerrys Verhaftung erfahren habt?
Graham: Du meinst, außer dass wir schockiert waren?
Ja - hattet ihr denn keine Ahnung, was er so trieb?
Mike: Nein, nicht die geringste. Als sie verhaftet wurden und das dann alles rauskam, hat das auch uns total überrascht. Natürlich, rückblickend hätte man natürlich mal eins und eins zusammenzählen können, aber so schlau war keiner von uns. Gerry hatte sich damals ja total von der Szene verabschiedet, lebte zurückgezogen in den Rocky Mountains. Er kam dann zwar nach Vancouver zurück, aber er ging nicht viel aus, man sah sich nur selten. Wir trafen uns ein paar Mal zufällig auf der Straße, aber ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was er so trieb.
Brian: Ich war gerade mit D.O.A. in den USA auf Tour, als ich von seiner Verhaftung hörte. Es war ein echter Schock für mich, und als D.O.A. dann zurück in Vancouver waren, organisierten wir eben ein paar Benefiz-Konzerte, damit er einen Anwalt bezahlen kann, und es gab auch die "Free The Five"-Benefiz-EP. Wir besuchten ihn auch ein paar Mal im Gefängnis, blieben eben in Kontakt, und mehr konnten wir auch nicht tun für ihn.
Er hatte vor Ort also durchaus Unterstützer.
Mike: Es ging uns damals nicht darum, ein Urteil über die Taten der Fünf abzugeben, sondern grundsätzlich darum, ihnen einen Verteidigungsfond einzurichten, damit sie ihr Recht auf Verteidigung vor Gericht wahrnehmen konnten. Darum ging es den Unterstützern letztlich. Über alles andere, also ihre Ziele und ihre Mittel, war sich die damalige Punk-Szene keinesfalls einig.
Jon: Ich lebte damals auch schon in Vancouver, in dem großen Punk-Haus, dem legendären "The Plaza". Joey Shithead wohnte da mal, es fanden immer wieder Konzerte statt, und es war recht berüchtigt. Die Polizei ließ es sich nicht nehmen, das Haus vom daneben liegenden Restaurant aus zu verwanzen und abzuhören. Ken Lester wohnte damals auch da, der managete D.O.A. und war politisch ebenfalls sehr aktiv. Es gab da auch eine Menge richtig militanter Punks, und ein Freund, Bristles, der auch mal Roadie von D.O.A. war, druckte damals Aufkleber gegen die Waffenfabrik, "Refuse the Cruise" stand da drauf. Es war eben normal, sich gegen die USA aufzulehnen, und so hatte ich da ständig Kontakt mit standhaften Direct Action-Unterstützern.
Das war vor den Verhaftungen, nehme ich an?
Jon: Davor und während das alles lief. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages aufwachte und direkt vor meinem Fenster ein Hubschrauber schwebte, darin ein Kamerateam von CBC, dem kanadischen Staatsfernsehen. Ich winkte denen einfach zu. Als die Fünf dann verhaftet wurden, wohnte Ken Lester gar nicht mehr im Plaza, aber die durchsuchten seine Wohnung, einfach nur, weil er da mal gewohnt hatte. Die traten seine Tür ein, durchsuchten alles nach Waffen. Die Polizei glaubte damals an eine richtig große Verschwörung. Ich habe das, was ich dir gerade erzähle, gestern auch Gerry erzählt, und der hatte gar keine Ahnung, was für ein Ausmaß das damals angenommen hatte.
Hattest du denn damals Sympathien für die Fünf?
Jon: Na ja, diese geplante Aktion mit dem Geldtransporter, das war für mich dann zu heftig, aber ich fand ihre konsequente Haltung gut, denn ob richtig oder falsch, sie ließen ihren Worten auch Taten folgen. Außer Gerry kannte ich damals keinen von den Fünf, und ihn auch nicht richtig. Ich kannte auch keine Details ihrer Aktionen, fand nur generell die Aktion gegen die Rüstungsfabrik gut, wusste nichts von den Verletzten. Ich fand es eben cool, dass da jemand was gegen die Rüstungsindustrie unternommen hatte. Aber ich empfinde keine Sympathie dafür, Terror auszuüben, Menschen zu verletzen, Raubüberfälle zu begehen ...
Als Gerry dann verhaftet wurde, saht ihr seine Taten als konsequente Fortführung dessen an, was bei den SUBHUMANS begonnen hatte, oder eher als Irrweg?
Brian: Es war ein Irrweg. Ich selbst habe nie mit dem Gedanken gespielt, mich an radikalen, terroristischen Aktionen oder so was zu beteiligen. Ich denke auch nicht, dass das jemals unsere Ziele waren.
Alternative Tentacles hebt bei der Promotion des Albums schon recht stark auf den Aspekt der Squamish Five ab, ja, es klingt beinahe, als seien die SUBHUMANS und Direct Action synonym. So findet sich da folgender Satz: "This titan of Vancouver punk lived by their ideology, with Gerry Hannah's involvement in Direct Action protests in the 1980s leading to a jail term for involvement with a plot to blow up a power station & a weapons plant, and rob a bank." Wie findet ihr das? Gerry selbst hat betont, dass die Beschreibung nicht mal im Detail stimmt.
Mike: Nun, das war die Entscheidung von AT, das so zu schreiben ... Wir würden die damaligen Ereignisse niemals verwenden, um damit die Band zu vermarkten. Wir gehen in unserer Band-Bio nur kurz darauf ein, weil es eben zur Geschichte unserer Band gehört. Aber ich hätte kein gutes Gefühl dabei, die damaligen Ereignisse mit dem Zweck herauszustellen, das Interesse der Leute an uns zu wecken.
Brian: Ja, das sehe ich genauso. Ich schätze, ich muss da mal mit AT drüber reden, aber bisher hatte nicht das Gefühl, mich um diesen Aspekt der Promotion kümmern zu müssen.
Wie sind denn generell die Reaktionen der Leute auf eure Band und Gerry angesichts seiner damaligen militanten Aktionen?
Mike: Also bislang stand noch bei keinem Konzert jemand vor der Bühne und hat uns ein "Terroristen!" entgegen geschrieen. Sollte so was vorkommen, ist unsere Verteidigungslinie, dass die Ereignisse von damals ein Teil von Gerrys Vergangenheit sind, aber eben nicht von der Band. Ich denke nicht, dass wir uns dafür rechtfertigen müssen. Gerry muss sich damit im Zweifelsfall persönlich auseinandersetzen.
Brian: Genau. Gerry hat meine Unterstützung, aber ich trompete ja nicht hinaus, ich würde gut finden, was er damals gemacht hat. Wir spielen ja nicht Konzerte unter dem Banner von Direct Action oder so was. Dafür mache ich nicht Musik.
Wie sah und sieht denn euer politisches Engagement aus?
Jon: Als Mitglied von D.O.A. war ich natürlich auch recht aktiv. Ich war nicht grundsätzlich einer Meinung mit Dave oder Joey, aber in vielen Dingen stimmten wir überein. Wir haben eine Menge von Benefiz-Konzerten gespielt für die verschiedensten Anliegen, und das war mein politischer Beitrag - ich habe einer Sache eben meine Zeit als Musiker gewidmet.
Mike: Ich sehe mich eher als Kommentator, ehrlich gesagt. Ich habe Aktivisten und Leute, die sich mit großem Eifer einer Sache widmen, schon immer bewundert, aber es fällt mir schwer, mich selbst in so einer Weise zu motivieren.
Habt ihr denn den Anspruch, mit eurer Musik, euren Texten politisch etwas zu bewegen?
Brian: Nun, wenn sie einen Effekt haben, dann sicher nur auf den Einzelnen. Auf die Bevölkerungsmasse haben wir sicher keinen Einfluss, die Maschinerie der Massenkultur ist viel zu groß, als dass wir als kleine Einheit sie beeinflussen könnten. Das ist eine milliardenschwere Maschinerie, die Teenager in Konsumenten verwandelt, eben in das, was die Gesellschaft erwartet. Oder was heißt "die Gesellschaft", es ist eher das, was die kapitalistische Maschinerie am liebsten hat: perfekte kleine Konsumenten. Ich finde es heutzutage sehr hart für Menschen, sich nicht in dieser Hinsicht beeinflussen zu lassen, denn das System ist so übermächtig. Du bist ja ständig damit konfrontiert, es ist allgegenwärtig. Genau darum geht es übrigens auch in "Modern business" auf dem neuen Album.
Du hast selbst Kinder. Inwiefern spielt das da eine Rolle?
Brian: Ich versuche, sie im Auge zu behalten, aber du kannst letztlich nichts tun, um zu verhindern, dass sie diese Kultur absorbieren. Ich glaube aber, dass meine Kids alles in allem doch recht "anders" sind. Sie können klar denken, haben ihren eigenen Kopf, denken an andere Dinge als nur teure Designerklamotten.
Und was ist dein Rat an die Leute da draußen, die versuchen, sich auf diesem gigantischen Marktplatz zu orientieren, der gemeinhin als "Kultur" bezeichnet wird?
Brian: Ich sage ihnen, dass sie echte Zufriedenheit nur in sich selbst finden und nicht in den ganzen weltlichen Besitztümern, nicht in dem ganzen Schrott, der da draußen darauf wartet, konsumiert zu werden. Es ist wichtig, dass man lernt glücklich zu sein ohne das ganze Spielzeug.
Heißt das, dass du einen eher minimalistischen Lebensstil pflegst, nicht ständig irgendwelchen Scheiß kaufst?
Brian: Ich würde sagen ja. Klar, ganz davon freimachen kann man sich nicht, aber ich brauche das nicht ständig um mich herum. Ich habe zum Beispiel weder einen Computer noch Kabelfernsehen. Aber ich habe einen DVD-Player, ich leihe mir Filme aus, ich habe ein Auto und benötige fossile Brennstoffe. Ich lebe also eher durchschnittlich, bin nicht sehr radikal. Wenn ich singe, klingt das wohl radikaler, aber letztlich bin ich doch nur ein durchschnittlicher Mann, der versucht, in einer ziemlich komplexen Welt zu überleben.
Mike, was denkst du, was Songs wie "Celebrity" oder "Daisy cutter" für Auswirkungen haben?
Mike: Das ist ein schwieriges Thema. Ich finde es sehr schwer, dazu eine Aussage zu machen, und das betrifft nicht nur Songtexte, sondern auch Filme, Bücher. Können solch kulturelle Dinge eine praktische Auswirkung haben? Ich weiß es nicht. Ich finde es aber wichtig, kulturelle Dinge zu fabrizieren, die zum Ausdruck bringen, dass die Menschen sich ihrer Situation bewusst sind. Die einzige Alternative dazu ist eine Kultur völlig ohne Inhalte und Bedeutung.
Brian: Wenn du als Band ein Album machst, kannst du nur ein paar wenige Aspekte und Themen abdecken. Das Leben ist ja so ungeheuer komplex, wie sollen wir uns da hinstellen und behaupten, wir könnten auch nur eine einzige Seele retten mit unserer Musik, geschweige denn die ganze Welt? Es sind einfach nur ein paar Ideen, die mit etwas Glück auch für andere Leute Sinn ergeben.
Ist ein Song auf dem neuen Album besonders wichtig für dich?
Brian: Von mir sind ja nur vier Lieder, aber davon ist es wohl "People of the plague". Es geht darum, dass die Gesellschaft es zulässt, dass manche Menschen durch das Netz der sozialen Sicherheit fallen, dass ein solches für viele der Leute, die es wirklich brauchen, gar nicht existiert. Gerade in und um Vancouver ist das recht offensichtlich, mit all den Obdachlosen, die nicht wissen, wo sie hin sollen. Ich arbeite ja für die Portland Hotel Society, eine gemeinnützige Organisation, die sich in Downtown Eastside - oft als ärmste Gegend von ganz Kanada bezeichnet - um Obdachlose kümmert. Wir bieten denen Unterkunft, an die niemand eine Wohnung oder ein Zimmer vermietet. Viele haben schwere Verhaltensstörungen, sind drogenabhängig, und wir kümmern uns eben um sie, kümmern uns um medizinische Versorgung und so weiter. Ich arbeite da schon sechs Jahre, und dabei bin ich damals rein zufällig über einen Freund auf diese Organisation gestoßen: Die hatten einen Job frei, ich suchte einen, und das war's.
Jon, was ist mit deinem Beitrag zur Band?
Jon: Ich habe mich bei ein paar Songs eingebracht, aber nur musikalisch und das Arrangement betreffend. Aber damals, als ich bei PERSONALITY CRISIS und SNFU spielte, schrieb ich auch selbst ganze Songs. Bei D.O.A. war das dann schwieriger, da ist das eben Joeys Sache. Ich bin aber sowieso eher ein Arrangeur als Songwriter, ich fühle mich wohl in dieser Rolle.
Dich verbindet mit Dimwit, dem 1994 verstorbenen ersten Drummer der SUBHUMANS, dass auch er - danach - bei D.O.A. trommelte.
Jon: Ja, er war ein großartiger Schlagzeuger, und ich spiele auf seinem Drumkit. Als er bei D.O.A. einstieg, bekam er eines gestellt, und so verkaufte er seines. Ich sah es damals bei "Drums Only" stehen und kaufte es. Und mir gefällt die Verbindung: Ken alias Dimwit war der erste Drummer der SUBHUMANS, ich spiele heute auf seinem Kit, das ist schön. Ich bin auch mit seinem Bruder Bob Montgomery befreundet, und daher kenne ich auch Chuck Biscuits, seinen anderen Bruder.
Wann bist du denn bei D.O.A. eingestiegen - nach Dimwits Tod?
Jon: Nein, als er starb, war er längst bei D.O.A. ausgestiegen, hatte mit den FOUR HORSEMEN eine neue Band, die recht erfolgreich war. Alles sah gut aus, doch dann starb erst er an einer Heroin-Überdosis, dann wurde der Sänger in einen Motorradunfall verwickelt. Nach Dimwit trommelte ein gewisser Kerr Belliveau für D.O.A., ein netter Kerl, aber als ich dann kam - ich hatte gerade SNFU verlassen -, übernahm ich seine Position. Und womöglich sprach für mich auch, dass ich ein besserer Eishockeyspieler bin, hahaha.
Ich habe gehört, dass SUBHUMANS und D.O.A. einst durchaus Rivalen waren. Wie reagierten die Leute damals darauf, dass Brian die Seiten wechselte, von den SUBHUMANS zu D.O.A.?
Mike: Mich hat das damals nicht überrascht. Es war ja eine kleine Szene, alle kannten sich untereinander, sie waren noch sehr jung, als sie ihre Bands gründeten. Als Brian dann zu D.O.A. ging, war das nur ein logischer Schritt. Diese Version von D.O.A. war dann ja auch beinahe so was wie die Neuauflage der SKULLS, mit Brian, Joey und Dimwit.
Brian: Als ich bei D.O.A. einstieg, hatte Gerry bereits entschieden, dass er genug hat von der Musik und die Band verlassen. Der damalige Drummer Jim Imagawa ging bald danach und wir machten mit Ron Allan und Randy Bowman weiter. Wir nahmen dann in Los Angeles unser neues Album auf, aber irgendwie hatten wir da schon den Spaß an der Band verloren, und als ich dann das Angebot bekam, bei D.O.A. zu spielen, war das eine neue Chance für mich.
Nach der Auflösung und bis zur jüngsten Reunion war die Band aber ja nicht völlig tot. Vor Jahren spieltet ihr mal ein Konzert im Railway Club, dann die Release-Party für den "Vancouver Complication"-CD-Sampler - ohne Mike und Gerry - und 1995 eine Kanada-Tour, ohne Mike. Es scheint, dass Brian der konstante Faktor der Band ist.
Brian: Ja, so kommt es mir auch vor. Ich war auf jeden Fall an jeder Version der SUBHUMANS beteiligt, die irgendwann irgendwo auf einer Bühne stand.
Und warst du auch die treibende Kraft hinter der aktuellen Reunion?
Brian: Nein, dafür ist Gerry verantwortlich. Er rief mich an und fragte, ob ich Lust darauf habe. Ich sagte zu, aber mir klar, dass Mike ein harter Brocken sein würde, doch Gerry schaffte es, auch ihn zu überzeugen.
Mike: Na ja, 1995 hatte ich abgelehnt, weil klar war, dass man nur die alten Songs spielen würde, keine neuen Sachen, und darauf hatte ich keine Lust. Aber als dann diesmal Gerry und Brian mit der Reunion-Idee ankamen und sagten, dass es auch um neue Aufnahmen geht, war die Vorstellung für mich ein ganzes Stück attraktiver.
Das "No Wishes, No Prayers"-Album, das ihr nach dem Ausstieg von Gerry und Jim in L.A. aufgenommen habt, ist wirklich gut, doch völlig von der Bildfläche verschwunden, wurde bislang nicht auf CD neu aufgelegt.
Brian: Ja, das ist einfach so verschwunden, ich weiß. Wahrscheinlich hat es mal irgendwer irgendwo gebootleggt, und ich habe auf jeden Fall vor, mich auf die Suche nach den Mastertapes zu machen und ein ordentliches Rerelease zu organisieren. Ich habe derzeit keine Ahnung, wo sich die Masterbänder befinden. SST hat sich damals ja aus dem Projekt zurückgezogen und die Sache an Enigma weitergereicht. Ich habe da auch mal mit jemandem gesprochen, aber die wussten von nichts, die haben keine Unterlagen, dass sie jemals was mit der Platte zu tun hatten. Das ist also alles eine ziemliche Grauzone.
Mike: Wir spielen derzeit auch gar keine Songs dieser Platte, einfach deshalb, weil wir keine Zeit hatten, sie zu üben. Aber es gab schon Nachfragen aus dem Publikum.
Brian: Unser Repertoire ist recht beschränkt, wir spielen nicht alle alten Sachen. Aber auf jeden Fall sind "Slave to my dick" und "Fuck you" dabei, und wir haben auch schon "Death was too kind" und "We're alive" gespielt. Wir haben uns bisher an das erste Album gehalten, an die Songs, die jeder kennt und mag.
Habt ihr Favoriten?
Jon: Die Jungs sagen, dass sie keine so rechte Lust mehr haben auf die alten Sachen, aber mir machen die richtig Spaß, etwa "Inquisition day". Aber auch die neuen Sachen sind cool, und mir gefällt natürlich, dass die Drumparts alle von mir sind.
Brian: Mein aktueller Favorit ist "I got religion". Da hat Gerry eine schön ironische Auseinandersetzung mit all diesen wiedergeborenen Christen abgeliefert.
Es ist eine Auseinandersetzung mit religiösen Fundamentalisten generell, die im Namen eines Gottes töten wollen, richtig?
Brian: Genau, das war sein Ansatz. Die derzeit größte Bedrohung für den Frieden auf der Welt ist religiöser Fanatismus.
Ein Lied, das an "Firing squad" erinnert, das laut Gerry seinerzeit von Mike als Reaktion auf die Revolution im Iran geschrieben wurde.
Mike: Exakt. Ich schrieb das Lied 1979 als Reaktion auf die Ereignisse im Iran, und es ist ein großes Unglück, dass dieses Thema heutzutage immer noch von Bedeutung ist. Die Iraner leben heute wieder unter einem unterdrückerischen Regime, und mich schockierte damals, wie diese religiösen Vorstellungen zum dominierenden Faktor einer Gesellschaft wurden.
Wie geht ihr denn mit der Kritik seitens Warren Kinsella in dessen Buch "Fury's Hour" um?
Brian: Ich habe es nicht gelesen. Ich schätze, Gerry hätte dazu eine Menge zu erzählen.
Mike: Ich habe das Gefühl, Warren ist nicht gerade ein Mensch, mit dem man vernünftig reden kann ...
Mich stört, dass er in seinem Buch nicht auf die damaligen Ereignisse eingeht. Er erkennt nicht den Support an, den die Squamish Five damals in Vancouver erfuhren, er bringt nur seine persönliche Meinung zum Ausdruck.
Mike: Ich weiß nicht, was Kinsella damals machte, aber ich habe gehört, er war damals nicht wirklich in der Punk-Szene aktiv. Heute möchte er aber glauben machen, er sei es gewesen.
Jon: Ich kenne Warren aus der Punk-Szene in Calgary, und mir kommt es so vor, als gehe es ihm heute vor allem um Aufmerksamkeit für seine Person. Warren war damals bei den HOT NASTIES, daher kenne ich ihn, ich sah Konzerte seiner Band und er die meiner. Aber damals schon war die Punk-Szene gespalten, und die HOT NASTIES konnte keiner so recht leiden, und auch nicht Warren Kinsella, aus offensichtlichen Gründen. Er ist ein Scheißkerl! Ich erinnere mich, wie sie mal für 999 Vorband waren. Eigentlich sollten die DICKIES spielen, die kamen aber nicht über die Grenze, und da sprangen Warren und seine Band ein, aber unter anderem Namen. Noch nie habe ich bei einer Band so viel Müll auf die Bühne fliegen sehen ... Warren watete darin herum, mit einer "Ja, ich habe Punkrock erfunden"-Attitüde. Was soll's, ich will jetzt hier nicht rumlästern, aber es gefällt mir eben nicht, wenn er heute schlecht über meinen Bandkumpel Gerry redet.
Wie sieht es mit einer Tour außerhalb Kanadas aus?
Jon: Na ja, mit den USA wird das wegen Gerrys Vergangenheit ja nichts ...
Brian: Ja, aber da haben ja auch schon andere kanadische Bands Probleme, so wie die USA sich aufführen. Und ich sehe auch nicht, dass sich daran so schnell was ändert.
Mike: Mit Europa oder Japan könnte es einfacher sein, aber bislang haben wir uns damit nicht beschäftigt.
Jon: Die POINTED STICKS waren ja gerade in Japan, und die hatten dort eine Vorband, die auch die SUBHUMANS gecovert hat. Von daher ... Es wäre sicher cool. Das Problem ist wohl, dass Gerry irgendwie durch so eine Art Begnadigungsprozess durch muss, um irgendwo hinfahren zu können. Er ist da dran, aber es würde bedeuten, dass er direkt zur japanischen Botschaft gehen müsste und es dann an denen läge, ob sie ihn reinlassen oder nicht. Und was die USA anbelangt, so würde das nur mit einem anderen Bassisten als Gerry gehen, da haben wir auch schon drüber diskutiert.
Mike: Ja, aber irgendwie würden wir uns dabei wie Betrüger vorkommen, die Leute wollen ja schließlich die originalen SUBHUMANS sehen. Also mal abwarten.
In Deutschland habt ihr auch noch nie gespielt ...
Mike: Nein, aber Jon und Brian waren da schon mit D.O.A. auf Tour.
Jon: Ich bin sogar in Deutschland geboren, so war das für mich cool, da zu touren. Ich wurde in Zweibrücken geboren und lebte in Kaiserlautern, mein Vater war bei der Air Force.
Brian: Mir haben die Konzerte in Deutschland immer Spaß gemacht. Ich würde auch gerne mal mit den SUBHUMANS da spielen, aber ob es dazu kommt ...
Würden die Europäer Gerry denn einreisen lassen?
Mike: Schwer zu sagen. Ich glaube, Gerry hat sich darum bislang nicht bemüht. Es dürfte zwar einfacher sein als in die USA einzureisen, aber immer noch schwierig genug. Und wie sich die USA entwickeln, wird es für alle von uns immer schwieriger da über die Grenze zu kommen ...
Übersetzung: Joachim Hiller
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