SICK OF IT ALL

Foto

Beinahe volljährig

Zum 20. Geburtstag gratulieren sich die New York Hardcore-Urgesteine SICK OF IT ALL mit einem neuen Album, "Death To Tyrants", mit dem sie auch mal wieder einen Labelwechsel vollzogen haben: weg von Fat Wreck, hin zu Abacus respektive Century Media. Musikalisch präsentieren sich Craig Setari, Armand Majidi, Lou und Pete Koller dabei wieder härter als bei den Platten davor, machen eindrucksvoll klar, dass sie alles andere als alte Säcke sind, sondern immer noch einer der energischsten Vertreter des NYHC. Gleichzeitig sind sie ihrem Sound treu geblieben, ebenso ihrer Szene, klopfen keine hohlen Sprüche, sondern sind grundsympathische Typen, die klare Ansichten haben. Wem also in Zeiten des allgegenwärtigen trendigen Metalcores der Sinn nach echtem Hardcore steht, der ist hier immer noch bestens aufgehoben. Ich sprach mit Drummer Armand.


Heute Abend spielt ihr in London, ihr habt in den letzten Tagen ein paar Shows im Rest von England gespielt. Wie war's?


Sehr gut! Wir arbeiten das erste Mal mit einer britischen Booking-Agentur namens Positive Nuisance, und Chrissie, die Frau, die das macht, hat uns in gute Szeneläden gebucht, mit Veranstaltern, die Fans der Band sind.

Also mal nicht die Shitclubs, die jeder von uns kennt und wo man sich wie ein Fremdkörper fehlt.

Ja, in der Vergangenheit sind wir leider öfter in solchen Läden gelandet, und das nervt unsere Fans und uns. Und wir denken uns am Tag darauf, dass alles viel besser hätte laufen können. Jetzt haben wir erstmals das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben, und die Besucherzahlen spiegeln das auch wider: nur die Show in Manchester war nicht ausverkauft.

Und das vor der Veröffentlichung des Albums.

Genau! Normalerweise machst du eine Platte und nach Veröffentlichung gehst du auf Tour, um die Leute daran zu erinnern, dass du noch existierst. Bei diesen Shows jetzt war das überhaupt nicht so, man hätte meinen können, sie sei schon raus. Dass wir vor Release des Albums in England unterwegs sind, hat damit zu tun, dass wir in England in den letzten Jahren immer sehr gut angekommen und wir auch in der Presse gut vertreten sind, was wiederum was mit Positive Nuisance zu tun hat, die eigentlich als Promo-Agentur angefangen haben. Und nachdem wir jetzt nicht mehr mit The Agency Group arbeiten, haben wir sie jetzt eben auch als Booker angeheuert. Es ist einfach wichtig, dass man vor Ort Leute hat, die die Szene dort kennen, das ist in Deutschland mit Marc und M.A.D. genauso.

Aber wenn ihr euch dessen bewusst seid, warum habt ihr dann mit einer großen, einem Majorlabel ähnlichen Firma wie The Agency Group gearbeitet?

Das geht alles viele Jahre zurück. Wir waren damals bei Destiny, einer Booking-Agentur aus Berlin, und nicht so recht glücklich. Wir haben uns mit Dave, dem Boss, halt einfach nicht verstanden, was vielleicht schon daran lag, dass er, glaube ich, kein wirklicher Fan unserer Musik ist. Damals trafen wir dann Toby, ein Typ, der aus der schwedischen Hardcore-Szene kommt, Mitte der Neunziger schon Shows für uns in Schweden gebucht hatte und dann für das dänische Büro von The Agency Group zu arbeiten begann. Wir freuten uns deshalb, mit jemandem arbeiten zu können, der ein Fan unserer Musik ist. Aber es stimmt auch, dass The Agency Group auf einem bestimmten Level arbeitet, das sich nicht wirklich mit der Hardcore-Szene verträgt. Und es gab verschiedene Situationen, wo die örtlichen Veranstalter mich auf seltsame Absprachen mit Clear Channel hinwiesen ...

... diesem umstrittenen US-Entertainment- und Medien-Konzern ...

... wo wohl Leute von Clear Channel auftauchten und irgendwie Geld verlangten, von dem uns aber vorher niemand was gesagt hatte und das auch in der Kalkulation nicht eingeplant war. Da liefen also seltsame Sachen und wir hatten keine Ahnung, was es damit auf sich hat. So was hinterlässt natürlich bei allen Beteiligten ein seltsames Gefühl. Und wenn du dann auch noch mit Veranstaltern zu tun hast, die vor allem ihr eigenes Wohl und nicht das der Band im Sinn haben, dann stehst du da vor einer aufgeblasenen Kalkulation und selbst bei einem ausverkauften Konzert bleibt seltsamerweise kaum Geld für die Band übrig. Nach ein paar solcher Erfahrungen war uns dann klar, dass wir wieder einen Schritt zurück Richtung Underground tun müssen, wo wir uns einfach wohler fühlen.

Wie kommt's, dass selbst einer erfahrenen Band wie euch noch so was widerfährt?

Ich denke, wir müssen in geschäftlicher Hinsicht jedes Jahr neue Entscheidungen treffen, denn die Situation verändert sich ständig. Und mal haben wir eben gute Connections und dann auch wieder nicht. Dass wir wieder bei M.A.D. sind, ergab sich erst nach der Resistance-Tour. Marc war auf der Tour mit dabei, wir hatten zusammen Spaß, haben uns viel unterhalten, es war wie früher. Wir kennen ihn ja schon seit 1990, und als wir M.A.D. dann Jahre später verließen, war er verständlicherweise auch echt sauer auf uns. Dabei war das noch nicht mal unsere Entscheidung, sondern die unseres Managers. M.A.D. und SICK OF IT ALL waren zusammen gewachsen, und wir gingen dann, weil unser Manager nicht zufrieden war, wie M.A.D. bestimmte Entscheidungen getroffen hat. Abgesehen davon war für ihn Kontinentaleuropa völlig unwichtig, der redete immer nur von England. Es muss so 1994/95 gewesen sein, da waren wir für das Roskilde-Festival und noch ein paar andere gebucht, auch in Deutschland, und da erzählte er uns, die seien unwichtig, die sollten wir besser vergessen. Der hatte einfach keine Ahnung, wie viele Leute uns bei diesen Festivals gesehen hätten. Gleichzeitig war alles in Großbritannien unglaublich wichtig für uns. Das hat aber wohl was mit einer gewissen amerikanischen Mentalität zu tun, die eben die ganze englischsprachige Presse, die nun mal aus UK kommt, für maßgeblich hält. Wir sehen das aber durchaus anders, wir wissen, wie sehr wir vom deutschen, belgischen oder niederländischen Publikum geschätzt werden. Ja, eigentlich haben wir in jedem europäischen Land sehr treue Fans, und den Fehler, uns nicht aufs europäische Festland zu konzentrieren, werden wir nie wieder machen.

Mit dem neuen Album seid ihr von Fat Wreck zu Abacus beziehungsweise in Europa zu Century Media gewechselt. Wie kam es dazu?

Nun, Fat Wreck ist ein cooles, aber eben auch kleines Label. Und sie haben ihre Basis in San Francisco. Nach vielen Jahren und einem weiteren Lernprozess haben wir uns dann entschieden, dass es für uns wichtig ist, mit einem Label zu arbeiten, das seine Basis in Europa hat, denn es ist auch einfach so, dass Europa für uns mittlerweile am wichtigsten ist: Hier haben wir die meisten Fans, hier sind die besten Konzerte. Gleichzeitig mussten wir aber feststellen, dass mit Fat Wreck die Verkäufe in den USA immer besser waren als in Europa. Das machte für uns wiederum nicht wirklich Sinn, und wir haben das Gefühl, dass Fat Wreck in Europa einfach nicht so präsent ist.

Das könnte aber auch was mit dem Programm von Fat Wreck zu tun haben, in dem ihr die einzige Eastcoast-Hardcore-Band seid, oder?

Das stimmt schon, das hat immer wieder Leute verwirrt. Denn ob es einem nun passt oder nicht, die Leute orientieren sich an Labels, um an die Musik zu kommen, die sie hören wollen. Als wir damals bei Fat Wreck unterschrieben, glaubten wir das Gegenteil beweisen zu können, dass es auf die Band und nicht auf das Label ankommt, doch unglücklicherweise ist das eben nicht der Fall. Sobald du bei einem Label unterschreibst, wirst du damit in Verbindung gebracht. In manchen Regionen der Welt hat das aber durchaus funktioniert, in Australien und Neuseeland etwa. In der dortigen Surfer- und Skaterszene sind wir seitdem sehr beliebt, während die Fat Wreck-Kids in Nordamerika uns nie wirklich akzeptiert haben. In manchen Ländern hat es uns also geholfen, auf Fat Wreck zu sein, in anderen nicht. Letztlich waren wir sieben Jahre bei Fat Wreck, jede neue Platte lief aber etwas schwächer als die davor, und so war es jetzt einfach an der Zeit, etwas Neues zu versuchen.

Euer neues Album trägt den Titel "Death To Tyrants". Ist das ein politisches Statement vor dem Hintergrund des Irak-Kriegs?

Es ist ein Statement vor dem Hintergrund der politischen Weltlage. Die Welt wird jeden Tag beängstigender, und es macht sich immer mehr Apathie breit angesichts der Gier der Mächtigen dieser Welt. Die Menschen haben das Gefühl, der Raubtier-Maschinerie der Großkonzerne ausgeliefert zu sein, die immer mehr Ländern ihre Politik diktiert. Doch je apathischer die Menschen werden, desto mehr Gefahr besteht für unser aller Wohlergehen, und die Schere zwischen den Ultrareichen und denen, die gar nichts haben, wird sich immer weiter öffnen. Wenn man es zulässt, dass diese Entwicklung einfach so weitergeht, dann ist die Welt in einem sehr verzweifelten Zustand. Und ja, es ist ein sehr starkes Statement, jemandem den Tod zu wünschen, aber es ist auch ein sehr starkes Statement, wenn Leute es für okay halten, 1.000-Kilo-Bomben auf Wohngebiete abzuwerfen und sich danach immer noch für einen guten Menschen halten. Ich glaube, wenn das so ist, dann haben wir ein Problem und dann ist so ein Statement angemessen.

Du hast hier eben zwei Dinge miteinander verknüpft: Die ökonomische Macht des Westens unter Führung der USA und der Angriff auf den Irak. Für dich hängt also die Verteidigung wirtschaftlicher Macht mit diesem Krieg eng zusammen?

Meiner Meinung nach werden Kriege heute aus wirtschaftlichen Gründen geführt, weniger aus politischen. Und die Regierung, die derzeit in den USA das Sagen hat, ist letztlich nur ein Ableger der Energielobby, die die Macht an sich gerissen hat. Und so trifft die Energielobby eben Entscheidungen zum Wohle der Energielobby. Wenn das Blutvergießen bedeutet, scheint sie das nicht weiter zu kümmern, solange sie heute so viel Geld machen kann, ohne sich um das Morgen Gedanken machen zu müssen.

Exxon hat in letzter Zeit im Quartal bis zu 10 Milliarden Dollar Gewinn gemacht ...

Ja, und dabei spielen sie dann auch noch mit der Öffentlichkeit in Sachen Benzinpreise, erhöhen die nach Belieben. Und es erstaunt mich immer wieder, wie bereitwillig die Leute das alles letztlich hinnehmen.

Nun kenne ich SICK OF IT ALL schon immer als kritische Band, doch andere, auch aus der Hardcore- und Punkszene, sind auch bereit, für die US-Truppen im Irak Konzerte zu spielen.

Nun, das ist natürlich ein schwieriges Thema, denn auch wir fühlen mit unseren Truppen, können den nicht einfach den Rücken zukehren. Denn die Truppen, das sind Menschen, die von der Regierung missbraucht, ausgenutzt werden. Die werden in Situationen gezwungen, in die man sie nicht bringen sollte. Es gibt keine Chance, dass die in diesem Krieg für das Gute kämpfen, dass sie auf der richtigen Seite stehen. Das ist eine andere Situation als im Zweiten Weltkrieg, als man für eine gute Sache und gegen das Böse kämpfte. Die werden zum Töten gedrillt und sollen dann Polizisten spielen. Ist doch klar, dass das Probleme gibt, denn Soldaten sollten eben keine Polizisten sein und andersherum. Deshalb haben alle Amerikaner Mitgefühl mit den Truppen, und jeder kennt jemand, der einen Sohn oder eine Tochter im Irak hat. Der Bruder von Petes Frau etwa ist gerade dort stationiert, er war auch in Kampfeinsätzen. Er ging damals zur Armee, weil die Medien es in den USA erfolgreich geschafft haben, die Menschen davon zu überzeugen, dass der 11. September Ursachen hat, die man militärisch bekämpfen kann. Mag sein, dass das zutreffend war, was die Zerschlagung von Terroristencamps in Afghanistan anbelangt. Aber in den Irak einzumarschieren, das war ein absolut fehlgerichteter Einsatz amerikanischer Militärmacht. Das Ergebnis ist ein einziges Chaos, und wie will man das noch rechtfertigen? Nun, es gibt eine Menge Amerikaner, die das noch rechtfertigen wollen, aber ihre Argumente sind so schwach, weil sie nie die Anzahl der Opfer auf irakischer Seite berücksichtigen, Opfer, die auf das Konto der Amerikaner gehen. Mittlerweile wurden wohl über hunderttausend Iraker getötet, bei einer Invasion, die nie hätte stattfinden dürfen. Ich wette, jeder einzelne davon wäre lieber noch am Leben, auch wenn es unter Saddam Hussein ist. Aber diese hunderttausend Toten haben mehrere hunderttausend Verwandte, die Amerika niemals vergeben werden. Und schon allein aus diesem Grund wird es auch weiterhin Aufstände und Widerstand geben. Unzählige Frauen und Kinder wurden getötet, in völlig blinden Luftangriffen - wie soll man aus so einer Situation als einer der Guten herausgehen? Letzten Endes wird die US-Armee von Wirtschaftsunternehmen zur Durchsetzung ihrer Interessen missbraucht, und es geht immer nur um das Wohlergehen der Aktionäre und der Bosse. Die Armee muss für die die Drecksarbeit machen und gerät dadurch in ein ganz schlechtes Licht. Die haben niemanden befreit im Irak, sondern nur Leute beseitigt, die wirtschaftlichen Interessen im Wege standen und dem weiteren Ausbau der amerikanischen Dominanz in wirtschaftlicher Hinsicht.

Ich kenne noch nicht die Texte der Songs des neuen Albums, aber vom Titel her halte ich einige auch für politisch.

Also "Always war", "Leader" und "Uprising nation" sind Lieder mit klarer politischer Aussage, andere dagegen haben überhaupt keinen politischen Hintergrund, etwa "Evil schemer" oder "Fred Army". Die politische Message des Albums steckt also nur in einer Hand voll Songs.

Euch gibt es mittlerweile zwanzig Jahre, und den Großteil dieser Zeit in der aktuellen Besetzung. Wie schafft man das?

Ja, in dieser Besetzung gibt es uns seit Anfang 1993. Da verließ uns Rich und Craig kam für ihn. Dreizehn Jahre ohne Besetzungwechsel, das hat viel damit zu tun, dass wir uns schon seit der Highschool kennen, uns nicht durch eine Kleinanzeige gefunden haben. Wir waren schon Freunde, bevor wir die Band gegründet haben, stellten uns zur gleichen Zeit die gleiche Frage: "Hey, der da kann es, der da auch, warum kann also nicht ich auch ein Musiker sein?" Das ergab sich eben einfach so. Und damals gab es auch keinerlei Erwartungen an uns, und keiner von uns hatte damals im Hinterkopf, dass diese Band mal zu unserem Job werden könnte. Das kam dann erst im Lauf der Zeit, so nach fünf, sechs Jahren zeichnete sich ab, dass diese Möglichkeit besteht. Und nach sieben Jahren war die Band dann plötzlich zu unserem Job geworden. Nun, nur wenige Bands halten sieben Jahre durch, die meisten ja nicht mal drei, lösen sich aus persönlichen oder musikalischen Gründen wieder auf. Aber wir waren einfach glücklich mit dem, was wir hatten, und auch wenn wir alle zu Hause nun echt nicht die ganze Zeit Hardcore hören - da sind auch ganz andere Sachen dabei -, so beklage ich mich nicht darüber, in einer Hardcore-Band zu spielen. Denn so kann ich meinen Lebensunterhalt mit etwas verdienen, das mir Spaß macht. Wir sind unser eigener Boss, wir treffen alle wichtigen Entscheidungen selbst, und dagegen kommt einfach nichts an. Wir treffen ständig nette Leute, die Konzerte machen Spaß, wir mussten "on the road" nie wirklich leiden, denn selbst in den frühen Jahren war das für uns schon einigermaßen komfortabel. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, denn manche Bands bringen sich da selbst in Situationen, von denen man sich eigentlich nicht erholen kann. Und wir hatten auch nie die Situation, dass der eine dem anderen die Freundin ausgespannt hat oder so was, haha.

Was für ein Leben führst du außerhalb der Band, wenn ihr zu Hause in New York seid?

Also, ich wohne ja gar nicht mehr in New York. Ich bin mit meiner Frau nach Wisconsin gezogen, weil ihre Schwester dort lebt. Na ja, ich bin ein Familienmensch, habe Kinder, und da ist New York City einfach zu teuer, das können wir uns mit dem Geld, das ich mit der Band verdiene, gar nicht leisten. Und so leben wir jetzt in Milwaukee, in einer sehr schönen Gegend mit guten Schulen, wir haben da neue Freunde gefunden, und es gefällt uns da echt gut. Aber klar, ich werde mich immer als New Yorker fühlen, egal wo ich bin. Und unser Proberaum ist immer noch in Brooklyn, vor jeder Tour treffen wir uns ein paar Tage vorher zum Proben. Zu Hause habe ich noch ein zweites Schlagzeug im Keller, wo ich natürlich auch übe.

Keine wöchentlichen Proben mehr.

Nein, irgendwann bist du an dem Punkt, wo du merkst, wie oft und wie viel man als Band zusammen ist. Und selbst als ich noch in New York wohnte, haben wir uns auch nie öfter als nötig getroffen. Ich meine, wir sind ja schon so oft und so viel zusammen, gerade auf Tour, wir spielen ja ständig zusammen, da müssen wir nicht auch noch ständig proben. Wir sind ja keine Band, die improvisiert, und die meisten unserer Songs schreibt jeweils einer von uns, das heißt, ich oder wer auch immer kommt mit einem fertigen Song an, und auch nur einer schreibt den Text. Es gibt da eigentlich keine Zusammenarbeit, und dadurch müssen wir nicht ständig zusammen rumhängen, wir können auch allein was machen.

Euer neues Album empfinde ich als sehr hart, aggressiv und kompakt.

Also meiner Meinung nach haben wir mit diesem Album endlich unseren Sound gefunden, und die Platte klingt auch endlich so, wie sie klingen sollte: Voll drauf, wo sie voll drauf klingen muss, poliert, wo sie poliert sein muss, growlend, wo sie growlen muss. Denn ich muss leider sagen, dass wir bei keiner unserer letzten drei Platten mit der Soundqualität glücklich waren, und sogar "Built To Last" war nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Und wir alle mögen "Scratch The Surface", aber auch da waren wir letztlich nicht ganz begeistert. Ganz anders bei der neuen Platte, da ist jeder von uns absolut zufrieden, und Tue Madsen hat einen sehr guten Job gemacht beim Mixen. Er hat es geschafft, uns immer genau den Sound zu geben, den wir uns vorgestellt haben, als wir die Songs schrieben. Der Sound ist einfach sehr punchy, er passt perfekt.

Aber ist man nicht immer zufrieden, wenn eine Platte gerade fertig ist?

Jaja, ich kenne das, das neue Album ist immer das Beste, hahaha. Klar, ich bin da nicht unschuldig, so was habe ich auch schon gesagt, aber in der Vergangenheit bezog sich das auch immer eher auf das Songwriting. Nach ein paar Monaten aber fiel mir dann immer auf, dass mir die Soundqualität nicht gefällt, habe mir die Platten wieder und wieder angehört und versucht, bestimmte Aspekte zu ignorieren, aber ohne Erfolg. Bei dieser Platte klingen wir einfach viel, viel besser, und ich denke, das liegt daran, dass das erste Mal in unserer zwanzigjährigen Bandgeschichte jemand, den wir dafür bezahlt haben, uns im Studio zu helfen, wirklich etwas verändert hat. Dean Baltulonis hat es geschafft, dass die Platte so klingt, wie jeder von uns sich das vorgestellt hat. Alle anderen Produzenten und Toningenieure davor haben es nie geschafft, dass wir nach den Aufnahmen das Studio in der Überzeugung verlassen haben, von ihnen wirklich verstanden worden zu sein. Ich denke auch, dass die neue Platte besser als die vorgehenden die Bühnenenergie von SOIA wiedergeben kann. Ich glaube, wir sind nämlich so ein Fall, wo die Leute sich zwar gerne ein Konzert anschauen, aber nicht unbedingt eine Platte kaufen wollen.

Als ihr euch damals gegründet habt, aber auch vor zehn Jahren noch, da war der Hardcore-Sound von SOIA wirklich hart. Doch heute, da Metalcore à la HATEBREED das große Ding ist, bei dem viel Metal und wenig Hardcore im Spiel ist, wirkt euer Sound plötzlich gar nicht mehr so hart. Und vor allem sind diese neuen Bands ja noch um einiges erfolgreicher als Bands wie ihr oder AGNOSTIC FRONT.

HATEBREED haben es geschafft, die SLAYER-Fans für sich zu gewinnen, denn ihr Sound hat schon sehr viel von denen. Da macht es für die ganzen jungen SLAYER-Fans eben durchaus Sinn, sich für eine Band wie HATEBREED zu interessieren. Natürlich finden die auch noch SLAYER cool, aber sie wollen eben ihre Version dieses Sounds. HATEBREED sind also meiner Meinung nach wegen ihres Metal-Einflusses so groß geworden. Wir selbst hatten eigentlich nie einen wirklich großen Metal-Einfluss. Klar, der war immer da, aber nie so übermächtig wie bei HATEBREED. Wenn man sich eine HATEBREED-Platte anhört, dann ist da ja echt nicht mehr viel Hardcore.

Na ja, aber als "Blood, Sweat And No Tears" damals erschien, als die CRUMBSUCKERS, CRO-MAGS und LEEWAY ihre beste Zeit hatten, da wurde das doch als ziemlich metallischer Sound wahrgenommen.

Das stimmt natürlich. Aber die New Yorker Hardcore-Szene hatte schon immer einen metallischeren Sound als etwa die südkalifornische oder auch die britische. Sich Sounds beim Metal auszuleihen, war einfach das Markenzeichen des Eastcoast-Sounds, und unsere ganze Karriere hindurch haben wir natürlich immer wieder was im Metal-Sektor "geborgt". Aber wir waren ja auch als Kids alle Metalheads. Trotzdem war das ein anderes Ding damals, denn heute versuchen sich Bands daran, das härteste Album aller Zeiten aufzunehmen. Wir sind da anders, wir schreiben einfach neue Songs, die alle verschieden sein sollen. Wir wollen Abwechslung, und das schätzen wohl auch unsere Fans an uns. Und so finden sich bei uns die verschiedensten Einflüsse, von frühem Hardcore bis zu britischem Punk und Oi!. Wir würden niemals bewusst versuchen, unseren Sound zu verändern, um einem bestimmten Image zu entsprechen, und ich glaube, unsere Fans wollen auch keinen drastischen Stilwechsel.

Jedenfalls stecht ihr aus dem sonstigen Programm von Century Media ziemlich heraus.

Ja, aber das war ja auch schon bei Fat Wreck so. Es gibt eben einfach nicht mehr viele aktive alte Hardcore-Bands unserer Art und aus unserer Generation. Die anderen sind entweder aufgelöst oder machen hier und da mal eine Reunion, aber eine durchgehende Karriere wie bei uns ist die Ausnahme.

Und was stimmt euch zuversichtlich, dass es euch 2006 gelingen wird, neue, junge Fans zu gewinnen, die vielleicht nur auf euch stoßen, weil sie andere Century Media-Bands kennen?

Weil es genug Leute gibt, die ein Gefühl für Musikgeschichte haben, die sich nicht nur für die Gegenwart interessieren. Das ist auch der Grund, weshalb wir in Europa größer sind als in den USA. In den USA haben die Kids, die neu dazukommen, einfach keinen so breiten musikalischen Horizont, die haben eine viel beschränktere Wahrnehmung. Aber das ist eben ein generelles Problem der USA, die Leute da haben kein gutes Geschichtsverständnis. Wenn du da die Kids in einem Einkaufszentrum befragst, gegen wen die USA im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, dann wird die Antwort sein "Die Russen!". In Europa dagegen ist man auf Schritt und Tritt von Geschichte umgeben, von alten Kirchen und Burgen, da ist man automatisch gezwungen, darüber nachzudenken.

Armand, danke für das Interview.