Etwa zwei Jahre ist es her, dass wir das letzte Mal mit SHORELINE geredet haben. Seitdem hat die Band an neuer Musik gearbeitet und ihr drittes Album „To Figure Out“ veröffentlicht – auf dem weltweit agierenden Label Pure Noise. Darauf behandeln die Punkrocker aus Münster erneut Themen wie Veganismus und Tierschutz. Beim Hören wird deutlich: SHORELINE haben sich das Etikett mit der Aufschrift „Emo“ abgeknibbelt und klingen vielseitiger denn je. Wir sprachen mit Sänger Hansol Seung über die neue Platte und den Entwicklungsprozess der Band.
Mir ist aufgefallen, dass sich bei euch mit der Zeit ein ziemlich wütender Unterton eingeschlichen hat. Ist das auf das aktuelle Weltgeschehen zurückzuführen oder war das eine bewusste stilistische Entscheidung?
Ich glaube, eher Letzteres. Ich denke, das liegt auch an unseren musikalischen Einflüssen und den Sachen, die wir privat hören. Wir haben innerhalb der Band aktuell ein kleines Hardcore-Revival, weshalb wir wohl automatisch etwas härtere Musik schreiben. Es war nicht so, dass wir die Inhalte unserer Songs unbedingt auch musikalisch umsetzen wollten. Das hat eher eine untergeordnete Rolle gespielt.
Dieses Hardcore-Revival kann man auf eurem neuen Album wirklich gut raushören. Der Song „Darius“ hat stellenweise eine Härte, die man eher von einer Band wie COUNTERPARTS kennt. Gab es bewusste Einflüsse auf dem Album?
Für mich waren das zum Beispiel FIDDLEHEAD, KOYO, ANXIOUS oder die neue Platte von ONE STEP CLOSER. Das sind jetzt nicht alles super harte Bands – stellenweise sind die sogar sehr poppig. Ich mag einfach die Stilistik dieser neuen Hardcore-Generation. Auch DRUG CHURCH oder MILITARIE GUN finde ich richtig gut. Die spiegeln sich dann aber eher mit ihrer Ästhetik und nicht mit ihrem Sound auf unserem Album wider. Und auch wenn Hardcore ein größerer Teil der Platte ist, gibt es auch immer wieder Pop- und witzigerweise auch Dance-Elemente.
Inhaltlich geht es bei euch wieder ernster zu. Auf „To Figure Out“ geht es um Themen wie Klimakrise oder Tierrechte, die ihr zum Teil schon auf eurem vorherigen Album „Growth“ behandelt habt. Empfindet ihr eine gewisse Verantwortung, euch positionieren zu müssen?
Ich selbst habe dazu eine sehr ambivalente Haltung. Zum einen macht man Musik, weil man ein gewisses Mitteilungsbedürfnis hat. Wenn Leute einem zuhören, finde ich es gut, wenn man Dinge sagt, an die man selbst glaubt und die sinnvoll sind. Ich finde es einfach wichtig, dass es Punkbands gibt, die sich positionieren und die für etwas stehen. Denn das ist es, was mich an Punk früher so fasziniert hat. Zum anderen gibt es sicher relevantere Dinge als einen privilegierten Menschen wie mich, der einen Kommentar zum Weltgeschehen abgibt. Aber am Ende ist das für mich alles cool, solange wir ernst meinen, was wir in der Musik sagen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auf der nächsten Platte über ganz andere Dinge sprechen werden. Auf „Growth“ haben wir Themen wie die Klimakrise oder Veganismus eher oberflächlich angekratzt. Auf dem neuen Album wollten wir das nun etwas ausführlicher machen.
Spürt ihr als Band bei solch großen Themen einen gesellschaftlichen Druck?
Ich selbst verspüre nicht so viel Druck. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass Menschen den Anspruch an uns stellen, dass wir bestimmte Themen behandeln. Es war glücklicherweise immer so, dass wir Songs gemacht haben, die die Leute aus irgendeinem Grund gepackt haben und durch die man sich verbunden gefühlt hat. Und wenn das nicht der Fall ist, dann gibt es immer noch eine Milliarde anderer Bands, in die man sich verlieben kann. Intern sprechen wir zwar viel über die Texte, aber es ist nur selten so, dass wir irgendeinen Druck wahrnehmen. Wenn überhaupt, mache ich mir hin und wieder mal selbst Druck, weil ich will, dass unsere Musik gut wird.
Lockere und eingängige Musik zu machen, die sich gleichzeitig mit komplexen Inhalten beschäftigt, ist ein ziemlich schwieriger Spagat. Gab es Songs, bei denen ihr euch erst nicht sicher wart, ob ihr sie auf das Album packt?
Nee, das gab es nicht. Wir haben sogar eher versucht, das Album etwas durchmischter zu gestalten. Der Vorgänger „Growth“ war meiner Meinung nach von vorne bis hinten ein ziemlich politisches Album. Auf „To Figure Out“ haben wir versucht, wieder etwas persönlicher zu werden. Es geht auch um zwischenmenschliche Beziehungen – ein bisschen so wie bei den Sachen, die wir früher gemacht haben. In meinem Fall ist es auch so, dass ich Politik und Persönliches nur schwer voneinander trennen kann.
Im Interview zu „Growth“ habt ihr gesagt, dass ihr an gesellschaftlichen Themen wachst und immer mehr dazulernt. Hat sich eure Einstellung zu manchen Fragen mit der Zeit verändert?
Mir fällt es schwer, zu sagen, dass sich meine Meinung nicht verändert hat. Ich hoffe, dass sich meine Ansichten ständig weiterentwickeln, weil ich im Idealfall mehr Informationen habe als vorher. Aber die Grundsätze sind auf jeden Fall gleichgeblieben. Wir glauben weiterhin, dass die Klimakrise nicht ernst genug genommen wird und dass es ethisch verwerflich ist, Tiere zu essen oder einzusperren. Was ich aber in den letzten Jahren für mich gelernt habe, ist eine Art, wie ich cooler mit Menschen umgehen kann, die eine andere Meinung haben. Als Jugendlicher hatte ich – wie viele in dem Alter – eine sehr starre Meinung zu vielen Themen und habe erst mit der Zeit erkannt, dass es auch etwas zwischen Schwarz und Weiß gibt. Und ich finde, dass es auf „To Figure Out“ auch um genau solche Grautöne geht.
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