Touren mit internationalen Bands wie THE IRON ROSES und SPANISH LOVE SONGS, ein Vertrag bei dem renommierten Label Pure Noise aus den USA und mit „To Figure Out“ ein neues Album in der Hinterhand – für die Band aus Münster läuft es gut im Musikbusiness. Dass der Erfolg aber nicht automatisch glücklich macht, was dieses Gefühl mit einer Band zu tun hat, die stets ein großes Vorbild war, und wie er selbst damit hadert, zum Vorbild zu werden, erzählt Sänger und Gitarrist Hansol.
Auf dem neuen Album behandelt ihr sehr viele verschiedene Fragen. Gibt es für dich ein besonderes Herzensthema?
Ich glaube es ist ein Charaktermerkmal der Platte, dass es viele verschiedene Themen gibt, teilweise auch solche, die wir auf dem letzten Album auch schon angeschnitten haben. So wie sicherlich bei „Seoul“, also dem Song, der von meinen Erfahrungen als asiatische Person in Deutschland handelt. Das aber aus einer anderen Perspektive als bei dem Stück „Konichiwa“ auf dem Album davor. „Konichiwa“ ist sehr wütend und es geht darum, erst mal darauf klarzukommen, was man fühlt und was man aussagen möchte. Bei „Seoul“ geht es jetzt viel weniger darum, wie ich auf Aggressionen antworte, wenn ich rassistisch beleidigt werde oder Leute mir Stereotype aufs Auge drücken. Sondern darum, wie ich selbst mich in diesen Prozessen wandle. Wie ich eigene, wie man es so schön sagt, internalisierte Stereotype, Verhaltensweisen oder Ansichten überwinde. Das klingt jetzt sehr technisch, aber es geht vor allem darum, dass ich damit cool werde, dass ich nicht weiß sein werde. Dass ich verstehe, es ist okay, vielleicht gut und an manchen Stellen sogar außergewöhnlich toll, dass ich nicht weiß bin. Vor kurzem ging es noch darum, dass ich wütend werde, weil jemand mich beleidigt hat oder weil ich erkannt habe, dass ich immer die einzige nicht-weiße Person im Raum bin, obwohl auf Punk- und Hardcore-Konzerten immer gepredigt wird, wie divers die Szene doch wäre. Jetzt geht es weniger um Wut, sondern darum mich selbst irgendwie mehr zu akzeptieren.
Siehst du dich auch als Vorbild? Ist das eine Rolle, die du einnehmen möchtest?
Ich sehe mich so ein bisschen gezwungen, mich dieser Frage zu stellen. Ich will mir nicht anmaßen zu sagen, ich bin jetzt das Vorbild von anderen Leuten, nur weil ich in dieser Punkband spiele. Ich habe aber schon erlebt, wenn andere asiatische Menschen auf unsere Shows kommen, dass sie mir sagen, dass es cool ist, dass das Thema so explizit angesprochen wird. Dass sie die gleiche Erfahrung gemacht haben, oft die einzige nicht-weiße Person zu sein, weil sie Punk und Hardcore mögen. Es ist nicht mein Ziel, ein Vorbild für alle zu werden. Gleichzeitig stelle ich mich nun mal auf eine Bühne und sage allen, guckt mich an und applaudiert mir. Wenn das vielleicht auch dazu führt, dass einige Leute sich wohler fühlen in dem Raum oder auf einem Konzert, dann würde ich mir den Schuh schon anziehen. Man möchte ja sein Umfeld positiv verändern und einen konstruktiven Einfluss auf die Szene haben.
In dem Song „Darius“ beschreibst du, wie es einem damit geht, dass die Aufmerksamkeit, die man für seine Musik bekommst, auch Drucksituationen erzeugt und dazu führt, dass andere Menschen bestimmte Erwartungshaltungen haben. Aber dann gibt es da diese Zeile: „What if it works out, will you be happy“ – und ich frage mich, warum heißt es „you“ und warum heißt der Song „Darius“? Geht es da gar nicht um dich?
Also der Song heißt so, weil ich ihn nach einem sehr guten Freund benannt habe, der in einer Band spielt, die heißt THE DEADNOTES. Die waren Vorbilder für mich, als ich angefangen habe, in einer Punkband zu spielen. Die sind gleich alt wie wir, aber trotzdem eine Band, die schon super viel gespielt hat, die super viel DIY-Kultur gelebt hat, die aus dem Nichts Sachen erschaffen hat. Das hat mich total beeindruckt und das war ein großer Motivator für mich, weil ich das, was die gemacht haben, auch immer wollte. Mit THE DEADNOTES haben wir auch echt viel gespielt. Auch viele Shows, wo man in irgendeinem AZ in irgendeinem Kaff spielt, zehn Leute kommen und man dann auf dem Boden eines Ladens pennt, der eigentlich mal grundgereinigt werden müsste. Das ist die Erfahrung, die SHORELINE und auch THE DEADNOTES sehr häufig gemacht haben. In dem Song versuche ich das Gefühl einzufangen, dass je länger ich Musik mache und auch einen gewissen Erfolg habe, sich die Beziehung zum Musikmachen verändert. Wir sind jetzt keine crazy erfolgreiche Band, aber auf einem Niveau, wo schon einige Mechanismen der Musikindustrie greifen. Für uns alle in der Band ist Musikmachen und mit Freunden auf Tour gehen, das was wir am liebsten tun. Und dann gab es einen Kipppunkt, wo ich gemerkt habe, es gibt so eine Erwartungshaltung, was wir tun. Auf einmal wird die Sache, die ich eigentlich aus reiner Leidenschaft gemacht habe, messbar und genau nach diesen Zahlen und Fakten wird man auf einmal bewertet. Und am Anfang hat mich das echt relativ kalt gelassen, weil man als Punk ja oft sagt: ach komm, Musikindustrie, das ist mir alles nix. Aber je tiefer man in diese Strukturen hineinwächst, desto mehr habe ich gemerkt, dass ich selber auch solche Maßstäbe an mich ansetze. Und das ist ein bisschen merkwürdig und braucht auch Reflexion, um wieder etwas zurückzutreten und zu genießen, was man gerade tut. Gerade jetzt fällt es mir auch total schwer zu sagen, ich genieße SHORELINE. Ich spiele in einer Band, in der ich immer spielen wollte, und trotzdem bin ich immer nur dabei zu überlegen, wie es noch krasser werden kann. Ich habe früher mit Darius viel darüber gesprochen: Wenn das alles klappt, was du dir erträumt hast, bist du am Ende happy damit? Die Frage kann ich Darius stellen, er kann sie mir aber auch genauso zurückstellen.
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