PROMISE RING

THE PROMISE RING sind zurück, endlich! Runderneuert, mit einem (noch) "erwachseneren" Sound, auf einem neuen Label, und vor allem sind sie überhaupt noch da. "Woodwater" heisst das neue Album, das für die Band einen Bruch mit der Vergangenheit darstellt, ja einen Neuanfang, nachdem sich Sänger Davey von Bohlen einer Operation am Gehirn unterziehen musste und eine Zeit lang überhaupt nicht klar war, ob es überhaupt eine Zukunft gibt. Ich sprach mit Davey, über die neue Platte und was war.

Davey, was machst du gerade?


Mich erholen von der gestrigen Foto-Session. Wir waren den ganzen Tag damit beschäftigt, für diverse Magazine Aufnahmen zu machen. Wir stecken mitten in den Vorbereitungen zur Veröffentlichung des neuen Albums.

Und, seid ihr schon aufgeregt, oder was ist das für ein Gefühl im Vorfeld eines lange erwarteten Albums?

Ja, es ist aufregend, und vor allem ist es schön, dass wir wieder zurück sind. Aber eigentlich hasse ich Aktionen wie diese Foto-Session, weil das überhaupt nichts mit dem Musik machen zu tun hat. Das irritiert mich immer wieder, aber es gehört halt zum Spiel.

Ich hatte bereits die Gelegenheit, das neue Album zu hören, und auch wenn es sich ziemlich von euren bisherigen Platten unterscheidet, gefällt es mir doch sehr gut. Was sind denn eure Erwartungen?

Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, ob es die Platte ist, auf die die Musikszene gewartet hat oder ob sie einfach nur schrecklich ist und jeder sie hassen wird. Eine von beiden Voraussagen wird eintreffen, also heißt es abwarten. Und nein, ich bin nicht bereit, auf eine dieser beiden Vorhersagen eine Wette abzuschließen. Andererseits war das Feedback, das wir bislang bekommen haben, durchaus gut, aber es kann ja auch sein, dass die Leute alle nur nett zu mir sein wollten und gelogen haben. Aber eigentlich ist mir das auch egal. Wichtig ist für mich nur, dass wir ein neues Album gemacht und viel Zeit und Mühe reingesteckt haben. Auf das, was jetzt an Reaktionen kommt, haben wir keinen weiteren Einfluss.

Schon mit eurem letzten Album hattet ihr einen neuen Weg eingeschlagen und den klassischen Emo-Sound bzw. Indie-Rock hinter euch gelassen. "Woodwater" nun ist noch ein Stück weiter davon entfernt, ist einfach eine schöne Pop-Platte.

Haha. Danke. Wir haben versucht, uns von unserer letzten Platte abzusetzen, aber nicht von der "Szene". Mit der letzten Platte hatten wir einen Punkt erreicht, an dem wir nicht weitergekommen wären. Auf unseren ersten drei Platten haben wir versucht einfache, schöne, eingängige Pop-Rock-Songs zu schreiben, doch bei der letzten Platte hatten wir uns in so eine Ecke manövriert, dass wir kaum noch Optionen für Weiterentwicklung hatten. Die Formel für diese Art von Songs war ausgereizt, wir wären da nicht mehr weiter gekommen, und so mussten wir das Steuer herumreißen und die Sache ganz neu und anders angehen. Klar hätten wir auch irgendwie weitermachen können und das neue Album wäre dann eine etwas bessere Version der letzten Platte geworden, aber das machen schon Leute wie Matthew Sweet oder Jason Faulkner. Die machen brillante Pop-Rock-Alben und werden das auch bis in alle Ewigkeit machen, aber bei uns war die Zeit abgelaufen für diese Art von Songs. Wir hätten damit nicht weitermachen können, ohne dass es uns dabei langweilig geworden wäre. Wir mussten uns neu definieren, aber sowas ist nach ein paar Jahren bei einer Band ja was ganz normales.

Die neue Platte ist in dreierlei Hinsicht ein Bruch mit der Vergangenheit: sie ist nicht mehr auf Jade Tree, sondern auf Anti-, es ist das erste Album nach deiner Operation und es ist euer erstes Album, das nicht in den USA, sondern in England aufgenommen wurde.

Was den ersten Punkt anbelangt, so kann ich dazu sagen, dass über die Jahre nicht nur der Sound einer Band stagnieren kann, sondern auch die Beziehungen, die man mit einer Band hat. Wir hätten natürlich weiterhin Platten auf Jade Tree machen können und sie haben auch eine Menge für uns getan. Die haben uns gesignt, als keiner uns kannte, doch mit der Zeit wurden wir quasi zum Synonym für Jade Tree – Label wie Band wurden automatisch miteinander in Verbindung gebracht. Für die war das auf Dauer nicht gut, weil die ja auch mal was anderes machen wollen, und mit JETS TO BRAZIL haben sie es auch geschafft, sich von diesem Image zu lösen. Wir waren wie an der Hüfte zusammengewachsene siamesische Zwillinge, und die Trennung hat es beiden Seiten möglich gemacht, sich wieder eigenständig zu definieren. Die Verbindung mit Anti- kam dann zustande, als allgemein bekannt wurde, dass wir das nächste Album nicht mehr bei Jade Tree machen würden. Anti- kontaktierte unseren Manager, aber anfangs waren wir gar nicht so begeistert, denn Anti- ist ein Sublabel von Epitaph. Aber mit Epitaph schienen wir vom Regen in die Traufe zu kommen: Weg von Jade Tree, einem Label, das mit nur einem Musikstil in Verbindung gebracht wurde, hin zu Epitaph, einem Label, das Musik rausbringt, die überhaupt nichts mit unserem Sound zu tun hat: kalifornischer Pop-Punk! Damals hatten wir gerade eine Tour mit BAD RELIGION hinter uns gebracht, die einfach schrecklich für uns war. Brett Gurewitz hat uns dann nach Los Angeles eingeladen, uns die Flüge bezahlt, also gaben wir ihm eine Chance, konnten uns aber überhaupt nicht vorstellen, dass das was mit uns werden könnte. Gurewitz erklärte uns dann die ganze Sache mit Anti-Records, und heute wissen wir, dass es die perfekte Lösung für uns ist, denn das Label ist mit gar keinem Sound verknüpft.

Auf Anti- sind Platten von Tom Waits, Merle Haggard und Tricky erschienen.

Richtig, und die haben verstanden, was unser "Problem" ist, dass wir von diesem Emo-Image weg wollen. Wir sind jetzt einfach nur THE PROMISE RING. Anti- gaben uns dann das Geld – mehr als wir bisher für Aufnahmen ausgeben konnten –, um genau die Platte zu machen, die wir machen wollten. Uns war wichtig, dass wir genug Zeiten haben und auch mit einem anderen Produzenten arbeiten können. Wenn du ein Budget für zehn Tage Studio hast, gibt es keinen besseren als J. Robbins, aber außer bei seinen eigenen Platten hat er sicher noch nie zweieinhalb Monate an einem Album gearbeitet. Wir jedoch hatten das Geld dafür und wollten das einfach mal ausprobieren.

Ihr habt mit Stephen Street in den Jacobs Studios im englischen Surrey aufgenommen.

Ja, und es war phantastisch mit ihm zu arbeiten. Er hat Platten gemacht, die unglaublich gut sind, und es waren vor allem die BLUR-Sachen, die uns dazu gebracht haben, ihn auszuwählen. Er hat einfach absolut Ahnung von guter Musik, und dazu kommt, dass er mit den SMITHS und Morrissey gearbeitet hat.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Habt ihr euch von ihm an der Hand nehmen lassen?

Es war eine neue und seltsame Erfahrung: Wir wollten keinen Produzenten, der nur da sitzt und nickt, wenn wir was machen, sondern einen, der uns aktiv hilft, neue Seiten an uns zu entdecken, die wir so noch gar nicht kannten. Anfangs war das auch echt seltsam, denn wir kannten das nicht, dass uns jemand sagt, das so und so zu machen sei aber keine gute Idee. Zuerst reagierten wir wie verwöhnte Kinder, so in der Art, was der Typ sich eigentlich einbildet, uns sagen zu können, was wir machen sollen. Aber als wir kapiert hatten, dass das bei so einer Zusammenarbeit mit einem Produzenten so läuft, war das dann aber okay. Und obwohl wir zweieinhalb Monate im Studio waren, war es nicht wirklich anstrengend. Wir haben eben lernen müssen, uns auf andere Leute einzulassen, und das war auch so, als wir vor einer Weile anfingen, unsere Shows von einem Booker klarmachen zu lassen. Wir hatten das Booking lange Zeit noch selbst gemacht, aber irgendwann ging das nicht mehr und es fiel uns schon schwer, jemand anders Entscheidungen für unsere Band treffen zu lassen. Aber wir sind lernfähig.

Als Anti- euer Album letztes Jahr ankündigte, geschah das mit einem Zitat von dir, in dem du sagtest, du hättest den Verdacht, bei deiner Operation am Gehirn hätten die Ärzte dir all die lauten und schnellen Songs gestohlen.

Hehe, jaja, das war mein Scherz. Die wollten ein Zitat von mir, warum unsere Platte so klingt, wie sie klingt. Ehrlich gesagt habe ich aber keine andere Erklärung dafür, warum das so ist.

Was für eine Erfahrung war denn diese Operation? Du hattest einen gutartigen Hirntumor, der operativ entfernt werden musste.

Das war ein einschneidendes Erlebenis. Du fängst an nachzudenken, wo du in deinem Leben stehst, was war und was sein wird, was du willst und was nicht. Es passiert nicht oft im Leben, dass man an so einen Punkt gelangt und gezwungen ist, so exakt Bilanz zu ziehen. Man lebt eben so vor sich hin. In gewisser Weise hat diese Operation für mich und die Band vieles klargestellt. Trotz der Diagnose war ich übrigens nie depressiv oder habe mir richtig Sorgen gemacht. Ich hatte einen Hirntumor, aber ich war nie an dem Punkt, wo ich das Gefühl hatte mich entscheiden zu müssen, verstehst du? Wenn du Krebs hast, musst du dich entscheiden, ob du dagegen ankämpfst, also psychisch, und davon hängen die Heilungschancen ab. In meinem Fall war die Diagnose dieses Ding in meinem Kopf und die Lösung, es rauszuholen. Mein Ja war klar, und es war klar, dass ich mich davon erholen und in mein normales Leben zurückkehren würde. Ich denke, für die Menschen in meiner Umgebung war es schlimmer als für mich selbst.

Mit "Say Goodbye Good" habt ihr auf "Woodwater" einen sehr außergewöhnlichen Song aufgenommen, der im Ox-Büro spontan mit "USA For Africa" verglichen wurde...

Hahaha... Ich weiss ja nicht, ob das besonders schmeichelhaft gemeint war. Dieser Song ist einfach "passiert", er war wie der Sprung von einer Klippe: wir mussten ihn einfach machen, mit allen Konsequenzen. Ich mag den Song, ein paar Leute werden uns deswegen komisch anschauen, aber wovor hätten wir Angst haben sollen? Und wenn man sich als Band neu definiert, darf man manchmal auch nicht vor drastischen Schritten zurückschrecken, und wenn es bedeutet, dass irgendwo "USA For Africa" auftaucht, was soll´s. Dein Vergleich war mir bislang zwar noch nicht in den Sinn gekommen, aber ja, ich kann ihn nachvollziehen...

Wie zeitintensiv ist die Band für euch, gibt´s noch ein Leben außerhalb?

Wenn die Band ins Spiel kommt, nimmt sie alle Zeit in Anspruch, aber außerhalb der Band überhaupt nicht. Wir alle haben noch andere Bands außerhalb von THE PROMISE RING, und in dem Gebäude, in dem wir unseren Proberaum haben, haben wir so viel Platz, dass wir an andere Bands auch noch Proberäume vermieten können, und das sind natürlich alles Freunde von uns. Wir haben da Aufnahmemöglichkeiten, ständig hängen dort mehrere Leute rum und machen Musik, und wir haben uns da unsere eigene kleine Szene aufgebaut. Wann immer du hingehst, immer ist jemand da, mit dem du Musik machen kannst. Jason, unser Gitarrist, spielt auch noch Schlagzeug in einer Band mit unserem Bassisten und Keyboarder, die THE DECIBULLYS heißt, und Dave und ich spielen bei VERMONT, aber diese Band läuft ja seit Anfang an parallel zu PROMISE RING. Wir haben da so ein Spiel, dass wir in Interviews immer behaupten, die beiden Bands würden sich hassen, das führt zu ganz netter Verwirrung, hehe. Wir sind also immer beschäftigt, auch wenn PROMISE RING mal Pause macht. Jason ist darüber hinaus noch als Grafiker tätig, Dan hat sich gerade ein Haus gekauft, was natürlich auch eine Menge Arbeit bedeutet, und ich werde bald heiraten, was natürlich auch gewisser Vorbereitungen bedarf. "Richtig" arbeiten geht aber keiner von uns, um damit deine Frage abschließend zu beantworten.

Davey, ich danke dir für das Interview.