POKES

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Berlins Nr. 1 Folk-Punkband?

Man wird siebenköpfigen Bands kaum gerecht, wenn man alleine ihren sogenannten „Frontmann“ ins Visier nimmt. Doch der gebürtige Engländer Ian Beer ist nicht nur der Sänger und Kopf der Berliner Band THE POKES, sondern auch ein mitreißender Typ, der seine Mitmusiker ordentlich zu motivieren vermag, er ist die treibende Kraft hinter dieser Truppe, in der Spaß wirklich nicht an letzter Stelle steht. „Not Irish, not traditional, just poking the fire“ – so lautet der Bandclaim, und so sieht auch die Realität aus, was in der Summe ein klares Bild ergibt: „Berlins Nr. 1 Folk-Punkband“.

Ian, gönnen wir uns einen kleinen Rückblick. Du warst Sänger bei der bekannten Oi!-Band TRINKERKOHORTE. Wie ging das damals zu Ende?


Für jene, die sich dieser Musikhistorie erbarmen möchten: Die TRINKERKOHORTE fand ein würdiges Ende durch die Leberzirrhose unseres Bassisten. Daraufhin war für uns die Band im Ruhestand. Der Trommler der TRINKERKOHORTE spielt Golf und ward nie wieder gesehen. Der Gitarrist macht Kinder und ward auch nie wieder gesehen, abgesehen von einem Vorfall, als er versuchte, mir morgens um sieben mein Fahrrad vor der Bäckerei zu stehlen, ohne zu wissen, dass es meines war. Ein wahrhaftig unterhaltsames Wiedersehen. Wir fanden uns zusammen – zeitlich begrenzt auf ein Album und basta. Daraus resultierte das letzte und beste Kohorte-Album. Als Schnapsidee spielten wir es live auch mal unplugged. Die Unplugged-Version klang großartig, viel zu schade, um gleich wieder damit aufzuhören. Und damit haben wir THE POKES gegründet, das war 2005. Wie abgemacht, ging ein jeder seine Wege: Studium/Kinder/Selbstverwirklichung ... Außer Jörn, bei ihm wurde Krebs in einer unheilbaren Form diagnostiziert. Er weigert sich seit Jahren hartnäckig, den Löffel abzugeben und hat inzwischen seine Vorliebe fürs Tangotanzen entdeckt. Ich beschloss, mit Folk-Punk weiterzumachen – dieser Sound und diese Band bescherte uns ganz andere Möglichkeiten. Bis zum heutigen Tag.

Und nun also seit längerem Folkpunk ... entstanden in einer lauschigen Kneipe bei üppigem Biergenuss und Folk-Musik im Hintergrund?

Ich befreite die TRINKERKOHORTE von ihren elektrischen Instrumenten und stattete sie mit akustischen aus. Wir verstärkten uns um eine Akkordeon-Spielerin und ersteigerten bei eBay ein Banjo, welches wir Billy gaben mit der Bitte, sich doch zwei Wochen damit zu beschäftigen, um dann bei uns einzusteigen. Punks und Skins rocken auf akustischen Instrumenten, ja, damit hatten wir unseren eigenständigen POKES-Style.

Apropos Bier, dieses weltumspannende Thema ist in dieser Ausgabe der Schwerpunkt. Wie stehst du dazu, dass immer mehr einzelne große Brauereien das Bild auf Konzerten prägen und inwieweit hat sich dein privates Konsumverhalten im fortschreitenden Alter angepasst?

Dass sich große Brauereien auf Festivals oder Konzerten präsentieren, um dort ihr Image aufzupolieren, lässt sich wohl nicht mehr vermeiden. Der Veranstalter gibt ihnen schließlich die Genehmigung hierfür, um im Gegenzug auch seinen Vorteil, zum Beispiel Sponsoring, für das Event zu erhalten. Als Gast ist es eher lästig, weil man genötigt wird, ausschließlich das zu kaufen, was einem vorgesetzt wird. Als Band trinken wir einfach, was auf den Tisch kommt, einem geschenkten Barsch guckt man nicht in die Kiemen. Bier trinke ich unterwegs zwar aus Gewohnheit, jedoch werden meine geschmacklichen Vorlieben hierzulande selten befriedigt. Ausnahmen gibt es jedoch, wenn ich mich in meiner alten Heimat Großbritannien aufhalte, wo ich gerne die lokalen Stouts und Ales ausprobiere.

Wie würdest du den musikalischen Charakter deiner Band beschreiben? Teilt ihr eure Botschaften eben lieber auf diese „zünftige“ Weise mit, soll heißen das Aggressive passt nicht zu euch?

Aggressives Zetern und Anklagen, gepaart mit Vollgas und maximalem musikalischen In-die-Fresse-Geben, lässt auf Dauer nur noch jene zuhören, die beinhart in der Szene oder im Retro-Aspekt verankert sind. Das Angebot an solchen Bands ist aber eigentlich schon seit Jahren ausreichend, unser Soll hierfür haben wir damals mit der TRINKERKOHORTE absolut erfüllt. Unser Ziel ist es, die Zuhörer mit unseren Melodien auf eine Wellenlänge zu bringen, ohne ihm/ihr mit gefälligen Austauschbarkeiten hinterherzurennen. Unser Ziel ist es, live die Band mit Herz, Dynamik und Charakter – und somit unsere Glaubwürdigkeit – auf der Bühne zu präsentieren. Unser Ziel ist es, unsere Inhalte so zu verpacken, dass erst die Kröte geschluckt wird und es dann zum Nachdenken und Verdauen kommt. Unser Ziel ist es aber auch, unsere Spielfreude weiterzugeben und für sorgenfreie Momente und Fröhlichkeit zu sorgen. Das war zugegeben nicht immer so, aber THE POKES haben seit den Jahren der Gründung zunehmend an musikalischer Vielfalt, textlichem Finesse und einer glaubwürdigen Eigenständigkeit gearbeitet. Bei einem Line-up von sieben Personen ist das nicht unbedingt der einfachste Weg. Aber es gibt bereits mehr als genug DROPKICK MURPHYS-Klone und das war von jeher nicht unser Anspruch ... ehrlich gesagt, hatten wir damals gar keinen. Ob man uns mag oder nicht, unumstritten dürfte sein, dass THE POKES unverwechselbar klingen – POKES-Style eben.

Also kein Drang nach „Fuck off“-Parolen? Habt ihr euch mit der allgemeinen deutschen Gleichgültigkeits-Kultur arrangiert?

Auch hier geht es wieder um die Glaubwürdigkeit. In dem Moment, in dem ich andere verurteile, habe ich mich selbst erhöht und selbst verurteilt. Ich habe durchaus vieles, was ich in Frage stelle und kritisiere, aber bediene mich hierbei anderer stilistischer Elemente, unter anderem eben oftmals einer obskuren Art von Humor. Aber wir begeben uns dafür nicht auf das dünne Eis der Parolen. Eine Parole ist ein Wahlspruch. Bei uns soll man aber keine Sprüche wählen, sondern denken und fühlen. Aber auch sich freuen und tanzen.

Es gibt Bands, die machen ganz ordentliche Scheiben, sind aber live wirklich der Hit. Du hast hoffentlich nichts dagegen, dass ich euch in diese Kategorie schiebe?

Keineswegs. Auf unseren Tonträgern verkaufen wir Musik, auf unseren Konzerten Emotionen.

Ist denn eine neue Scheibe im Anflug?

Oh ja! Die Songs für das vierte Album sind fertig geschrieben und arrangiert. In wenigen Wochen geht es ins Studio. Klingt großartig, nicht wahr? Bloß wer finanziert, vertreibt, veröffentlicht den Kram? Aber das ist eigentlich auch egal, Hauptsache es wird eine gute Platte!

Wann seid ihr wo demnächst zu sehen und was ist für euch das perfekte Ding: große Festivals oder kleine Club-Gigs?

Bei Club-Konzerten treten wir vor Leuten auf, die einen tatsächlich sehen wollen und uns oftmals schon kennen, das ist eine ganz andere Voraussetzung als bei einem Festival. Dort sind eine Menge zufälliger Gäste, die einfach mal schauen, was „die“ denn da so auf der Bühne machen. Eine ganz besondere Gelegenheit für die Band, zu zeigen, was sie kann und will. Persönlich bevorzuge ich die Open-Air-Veranstaltungen. Es ist Sommer und man ist draußen, die Laune der Besucher steckt an und die Bühnen haben eine ordentliche Größe – was bei sieben Personen nicht ganz unwichtig ist. Außerdem wollen wir nicht zu viele und zu ähnliche Veranstaltungen hintereinander spielen. Mir werden generell Dinge leider schnell langweilig, die sich zu sehr wiederholen. Derzeit können wir uns aber nicht beschweren, ob Metal-, Folk-, Punk- oder gar Burgfeste, wir sind sehr breit gestreut unterwegs.