PIG DESTROYER

Foto© by Joey Wharton

Nichts ist, wie es scheint

Sechs Jahre nach „Book Burner“ rollt ein neues Ungetüm über den großen Teich. Das sechste Studiowerk der zum Fünfer angewachsenen Truppe aus Richmond im US-Bundesstaat Virginia ist dabei in vielerlei Hinsicht bemerkenswert – nicht nur weil darauf erstmals ein Bass zu hören ist. Was „Head Cage“ im Bandkontext noch so besonders macht, hat uns Sample- und Soundbastler Blake Harrison erklärt.

Stimmt es, dass „Head Cage“ ursprünglich ohne Blastbeats auskommen sollte?

Haha, ja. Das war witzig. Unser Gitarrist Scott kam eines Tages an und meinte, er wolle auf der neuen Platte auf Blastbeats verzichten. Und es stimmt ja auch: Wir haben uns in der Vergangenheit immer auf dieses Stilmittel verlassen. Es wäre also durchaus spannend gewesen, es ohne auszuprobieren. Andererseits ist es natürlich auch etwas, was unseren Sound ausmacht. Es war dann aber unabhängig davon wirklich keine lange Diskussion. Als er seinen Vorschlag unterbreitet hatte, hat er es uns wohl schon in den Gesichtern angesehen. Wir meinten dann, na ja, das ist vielleicht keine gute Idee. Und er sagte nur: „Na gut, okay.“ Haha.

Vor fünf Jahren stieß Bassist John zur Band. „Head Cage“ ist nun euer erstes Album, auf dem überhaupt ein Bass zu hören ist. Habt ihr euch mittlerweile daran gewöhnt?
Er hat sich da sofort perfekt eingegliedert, das ist überhaupt kein Thema. Und das war es auch nie. Man hätte auch meinen können, dass wir vor den Aufnahmen total nervös waren, weil wir zum ersten Mal mit Bass aufgenommen haben. Aber da muss ich alle enttäuschen, es war total unspektakulär. John kam, John war super vorbereitet – und nach zwei Tagen war alles fertig. So einfach kann das manchmal gehen, haha.

Ihr genießt aufgrund eurer anspruchsvollen, recht abstrakten Texte einen gewissen Sonderstatus in der Szene. Fühlt ihr euch im Vergleich zu anderen Bands aus eurem Genre besonders intellektuell?
Nein, überhaupt nicht. Auch wenn hin und wieder Leute auf uns zukommen und uns darauf ansprechen. Aber wir sind generell keine besonders philosophischen oder tiefgründigen Menschen, wenn du mich fragst. Natürlich sind wir nicht CANNIBAL CORPSE, das ist auch klar. Aber am Ende des Tages ist es einfach die Frage, was du ausdrücken willst und was sich für dich bei einem Song für richtig anfühlt. Da haben wir unseren Weg, andere haben ihren. Aber es gibt sehr wohl eine Menge Bands im Extreme-Metal-Sektor, die sehr sinnhafte und intelligente Texte haben. Da sind wir sicher nichts Außergewöhnliches. Man muss unsere Texte auch nicht verstehen oder lesen, um Spaß an unserer Musik zu haben. Aber es ist natürlich ein Puzzlestück, das dazugehört. Und zwar ein ziemlich cooles, finde ich.

Ihr seid mittlerweile jenseits der vierzig, habt Familie. Ist es mit den Jahren auf der Bühne schwerer geworden, noch die gleiche Aggressivität und Energie zu transportieren?
Haha, ernsthaft: Ich fühle mich immer noch wie der 16-jährige Punk von damals. Der Unterschied ist lediglich, dass mir heute sehr viel mehr Sachen bewusst sind. Aber nein, das ist bislang kein Problem für uns. Sicher ist es irgendwie merkwürdig, wenn du eine Show spielst, und viele Leute im Publikum könnten deine eigenen Kinder sein. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Nein, wir sind definitiv dieselben geblieben. Sonst würde es auch nicht funktionieren.

Ihr setzt auch elektronische Elemente und Samples in euren Songs ein. Gab es deswegen schon einmal Anfeindungen von eingefleischten Traditionalisten?
Nun, es ist tatsächlich so, dass einige Leute das nicht mögen. Aber das ist uns herzlich egal, weil wir es selbst einfach gut finden. Fakt ist auch: Wir zwingen niemanden, unsere Musik zu hören. Wem es nicht passt, der soll sich damit keinen Kummer bereiten, ganz einfach. Ich habe übrigens diesbezüglich nicht das Gefühl, dass ich alles, was ich im Kopf hatte, auch auf dem Album untergebracht habe. Aber das ist überhaupt kein Problem. Es ist cool so, wie es ist.

Scott hat abermals die Produktion übernommen, den Mix habt ihr aber diesmal an Will Putney abgegeben. Hand aufs Herz: Hättet ihr es selbst auch so gut hinbekommen?
Ich weiß nicht, ob uns das auch so gelungen wäre. Am Ende war es zum einen eine Zeitfrage. Und zum anderen war es so, dass Scott sich immer um alles gekümmert hat. Und diesmal haben wir entschieden, dass wir mal ein bisschen Abstand wollen. Einfach mal etwas Neues, Frisches machen und auf diese Weise auch ein bisschen mehr Input bekommen. Es wäre ja auch furchtbar, wenn alle unsere Alben gleich klingen würden. Und Will hat definitiv einen überragenden Job gemacht.

Ihr habt vor einiger Zeit mal gesagt, dass Erfolg nicht euer Ziel ist. Aber ist nicht ein gewisses Maß an Erfolg nötig, damit die Band überhaupt am Leben bleiben kann?
Schwierige Frage. Wir haben alle reguläre Jobs, anders ginge es nicht. Es ist also auf jeden Fall richtig, dass wir die Band nicht haben, weil wir mit ihr Geld verdienen wollen. Andersherum wollen wir aber auch keines mit ihr verlieren. Wenn du auf Tour gehst und deine Familie wochenlang nicht siehst und auch wochenlang nicht arbeiten kannst, und schließlich kommst du zurück und hast viel weniger Geld als vorher, dann ist das ein Problem. Manchmal sind wir aber tatsächlich auch überrascht, wie „groß“ wir sind. Ich meine, wir spielen ja nicht unbedingt die zugänglichste Musik. Aber wir wollen uns den DIY-Spirit und den Punk definitiv erhalten.

Ihr macht alle schon seit Ewigkeiten Musik und seid auch in diversen anderen Projekten aktiv. Gibt es ein persönliches Ziel, das du als Musiker noch erreichen willst?
Ach, nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin. Die Tatsache, dass ich überhaupt Musik machen kann und das hoffentlich auch weiterhin so bleibt, macht mich zufrieden. Ich kann etwas tun, was ich liebe und das mir unglaublich viel Freude bereitet. Das ist doch überragend! Manches Projekt ist dabei vor allem etwas für einen selbst. Da sitzt du dann im Keller und genießt es einfach. Touren und Platten aufnehmen ist natürlich cool. Aber manchmal willst du einfach nur dasitzen und Krach machen, haha.

„Book Burner“ war das erste und einzige eurer Alben, das in den USA gechartet ist. Und zwar auf Position 103. Gibt es diesbezüglich ein Ziel mit „Head Cage“?
Es wäre sicher cool, das zu toppen. Aber das ist nicht unser Ziel. Klar, die Leute bei unserem Label sehen das natürlich anders, haha. Aber die Industrie hat sich unglaublich gewandelt. Eine Chartplatzierung ist heute irgendwie eine ganz merkwürdige Sache. Es fühlt sich komisch an. Aber es ist definitiv auch eine Form der Wertschätzung, und das ist natürlich schön.