PHANTOM WINTER

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Licht am Ende des Tunnels

Ein neues Lebenszeichen aus dem quicklebendigen Metal-Underground von Würzburg, in dem sich Bands wie DER WEG EINER FREIHEIT, BAIT, CRANIAL oder A SECRET REVEALED tummeln. Fünf Jahre nach dem Abschluss ihrer Albumtrilogie – „Cvlt“, „Sundown Pleasures“ und „Into Dark Science“ – haben PHANTOM WINTER ihr neues Album „Her Cold Materials“ fertig. Und das hat einige Überraschungen parat: Es klingt ganz anders als seine Vorgänger, hat eine ganz andere inhaltliche Ausrichtung und kommt bei This Charming Man heraus, nicht wie die ersten drei bei Golden Antenna. Alles anders bei den Nachfolgern von Würzburgs Vorzeige-Instrumental-Metalband OMEGA MASSIF, die sich 2014 aufgelöst hat? Sänger und Gitarrist Andreas Schmittfull klärt uns über die Hintergründe für den Wandel auf.

Warum klingt die neue Platte so anders als ihre Vorgänger?

Wir wollten nach den ersten drei Alben, die wir als Einheit betrachten, unseren Sound verändern. Auf dieser Platte sollten alle Instrumente und der Gesang deutlich hörbar sein. Mehr Musik als pure Gewalt. Ich finde unsere ersten drei Alben nach wie vor gut, aber wir wollten ein Stück weg von der Brutalität, die gerade auf „Into Dark Science“ ihren Höhepunkt gefunden hat. Mir ist wichtig, dass man sich die Musik, die ich mache, anhören kann. Ich muss nicht unbedingt die böseste Platte der Welt erschaffen, darum geht es mir nicht. Wenn in den Texten alles scheiße ist, wird die Musik einfach auch düsterer. Das neue Album sollte positiv und mit einem Hoffnungsschimmer enden. Die Protagonistin geht in eine unbekannte Zukunft, aber die kann sehr wohl auch positiv sein. Sie geht gestärkt aus der ganzen Situation heraus. Ich will mit meiner Musik auf keinen Fall Hoffnung nehmen. Das war schon ziemlich düster, was wir mit den ersten drei Alben gemacht haben. Deshalb dieser Wandel im Sound. Ich will auch nicht aufgeben, für mich es wichtig, immer weiterzumachen. Immer wieder an mir arbeiten und einen besseren Weg finden.

Offenbar habt ihr diesmal ziemlich viel am Gesang gearbeitet. Was war der Plan?
Ich singe die ganz tiefen und die ganz hohen Sachen. Und unser Sänger Krikra singt alles, was so HAMMERHEAD-asimäßig in der Mitte ist. Ich wollte einfach, dass die Vocals noch abwechslungsreicher sind. Mir ist es schon immer wichtig gewesen, was und wie gesungen wird. Weil ich mich viel mit Literatur beschäftige, lege ich viel Wert auf den Inhalt der Texte und dass sie auch gut rübergebracht werden. Da mache ich mir beim Songwriting schon sehr viele Gedanken, wie ich die Texte am besten in Szene setzen kann. Das Album ist schon seit über vier Jahren fertig. Durch Corona und andere private Dinge haben wir so lange gebraucht, die Songs einzuspielen und veröffentlichen zu können. Ich hatte schon mehrfach versucht, die Vocals aufzunehmen, war aber nie zufrieden mit dem Ergebnis. Letztendlich haben wir den Gesang im Blank Disc Studio von Tobias Anderko, dem Schlagzeuger der befreundeten Band BLACKSMOKER, aufgenommen.

Den Rest habt ihr aber wieder mit Role Wiegner in der Tonmeisterei in Oldenburg gemacht?
Genau, da sind auch die ersten drei Alben entstanden. Ich nehme die Songs immer als Demos in unserem Proberaum in Höchberg bei Würzburg auf und oft ist es so, dass es sich beim ersten Mal genau richtig anhört. Da sind alle Töne, wo sie hingehören, und alle Effekte passen perfekt. Wenn man das anschließend noch mal im Studio einspielt, funktioniert das oft nicht. Das hat nicht mehr die Magie des Demos. Deshalb haben wir bei diesem Album für zwei Songs einfach die Gitarren vom Demo genommen. Weil sie einfach genauso klingen, wie ich mir das gewünscht habe. Das ging problemlos. Ich finde, das ganze Album ist ziemlich fett geworden, ich bin sehr glücklich darüber.

Ist „Her Cold Materials“ ein Konzeptalbum? Welches Konzept steckt dahinter?
Ich bin ja inzwischen Vater von zwei Kindern, deshalb wollte ich eine Coming-of-Age-Geschichte erzählen. Welche Probleme haben Kinder, wenn sie aufwachsen? Welche Probleme haben Eltern? Welche Probleme haben Kinder mit ihren Eltern, Schule oder mit der Gesellschaft, in der sie groß werden? Ohne zu konkret zu werden. Als Protagonistin habe ich ein Mädchen genommen, weil sonst oft aus Jungs-Perspektive erzählt wird. Das war nicht so leicht, sich als Mann in die Gedanken eines Mädchens hineinzuversetzen, da musste ich unheimlich vorsichtig sein. Angefangen von der Zeit weit vor der Pubertät bis in die Jahre, in denen man sich von seinen Eltern abnabelt. Wenn man sich nicht mehr von jedem alles sagen lassen muss.

Der Titel ist angelehnt an „His Dark Materials“, einer Romanreihe des US-Autors Philip Pullman. Was verbindet das Album und die Romane?
Das erste Buch „Der Goldene Kompass“ wurde mit Nicole Kidman und Daniel Craig fürs Kino verfilmt. Es gibt aber auch eine Fernsehserie. Das ist eben ein toller Fantasy-Dreiteiler und da geht es auch um ein Mädchen und ihre Probleme mit dem Erwachsenwerden. Eigentlich habe ich davon aber nur den Titel genommen und leicht verändert. Philip Pullman sehe ich als sehr einflussreichen Literaten. Er ist sehr religionskritisch und steht mit beiden Beinen im Leben und ich habe für mich schon ziemlich viel aus seinen Büchern herausgezogen. Der hat auch andere Sachen geschrieben, die ich großartig finde. Der Albumtitel ist also auch eine Art Hommage an ihn. Wir schöpfen mit PHANTOM WINTER immer sehr viel Inspiration aus Literatur, Film oder Fernsehen. Aber die Story, die ich in den Songs erzähle, ist eine eigene Geschichte und hat nichts weiter mit den Büchern zu tun.

Diesmal hat nicht Oliver Hummel das Artwork gestaltet mit dunkler Fotokunst, sondern euer Sänger Krikra mit seinen Dark Comics. Wie kam es dazu?
Die Neuausrichtung in der Musik sollte sich auch im Artwork widerspiegeln. Das hätte Ollo auch machen können, weil er auch Illustrator ist. Aber der Stil von Krikra hat uns schon immer gut gefallen, seine Comics und die Etiketten, die er für Pax-Bräu gestaltet hat. Und weil sich das Album eben um ein Kind beziehungsweise einen Teenager dreht, wollte ich diesmal diesen Comic-Style haben. Das hat sich einfach angeboten. Mit Krikra kann ich mich ziemlich gut über die Texte und deren Bedeutung austauschen. Ich konnte sogar mit ihm gemeinsam am Computer die Genese des Kunstwerks verfolgen und Änderungen mit ihm diskutieren. Außerdem steht Krikra als Bandmitglied natürlich zu 100% dahinter.

Ihr seid jetzt auch nicht mehr bei Golden Antenna, sondern bei This Charming Man. Warum der Labelwechsel?
Wir sind nicht im Streit gegangen, Timo Siems von Golden Antenna ist ein guter Freund von uns. Wir haben nie einen Vertrag mit ihm gemacht, das war einfach nur per Handschlag unter Freunden. Wir mussten also nichts auflösen oder regeln. Wir wollten einfach einen Schritt weitergehen, deshalb haben wir uns tatsächlich überall beworben und es gab einige Interessenten. Wir haben ein halbes Jahr mit einem größeren Label aus Frankreich verhandelt. Da ging es um Anwälte und Verträge mit über dreißig Seiten, da habe ich einfach nicht mehr gut geschlafen. Deshalb haben wir uns am Ende für This Charming Man entschieden, weil Christian Weinrich auch großes Interesse an dem Album hatte. Wir kennen außerdem einige Bands von seinem Label. Das ist am Ende kein großer Schritt für uns, This Charming ist ein großartiges kleines Label wie Golden Antenna. Wir haben einfach für uns entschieden, dass ein großes Label doch nichts für uns ist. Mit unserem Sound wären wir vermutlich auch nicht die neuen ANTHRAX geworden, haha.

Warum gibt es in Würzburg einen so lebendigen Metal-Underground? Die Häufung guter Bands aus diesem Genre ist schon auffällig.
Das liegt natürlich vor allem an den Menschen, den Musikern, die diese Musik machen, und den Fans, die diese Musik gerne hören. Beides ist in Würzburg vorhanden, da gibt es eine ausgeprägte Subkultur, gerade was Metal betrifft. Und es gibt natürlich Auftrittsmöglichkeiten für diese Art von Musik. Kleine Läden wie Immerhin, B-Hof oder Cairo, in denen solche Konzerte stattfinden. Allerdings müssen wir im Moment um genau diese Plätze bangen. Das AKW ist schon länger zu und das Immerhin ist schon seit Jahren von der Schließung bedroht, weil die Posthalle, in deren Keller das Immerhin aktuell beheimatet ist, abgerissen werden soll. Klassischer Fall von Gentrifizierung. Beste Lage in der Innenstadt, deshalb sollen dort Büros, teure Appartements und kleine Läden entstehen. Alles, was Geld bringt. Wir alle hoffen, dass das Immerhin einen neuen Platz findet, um weiterzuleben. Aber momentan ist noch nichts in Sicht.