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May the Fiendforce be with you

Mit "The Place To Bleed" haben THE OTHER aus Köln gerade ihr neues Album veröffentlicht und sich im selbsterfundenen Genre des "Horrorpunks" weiter von den allmächtigen Übervätern MISFITS abgesetzt - ein guter Grund, Frontmann und Fiendforce-Label(mit)betreiber Thorsten Wilms mal ein paar schlaue Fragen zu stellen. Nicht nur zu seiner Band, sondern auch zum Label und der wachsenden Szene um Bands wie REZUREX, THE SPOOK, BLITZKID und Co.


Thorsten, stell dich als Boss von THE OTHER und Fiendforce doch mal vor. Wie ging das alles mit Musik, Punk und Hardcore so los bei dir?

Ich wurde ja schon im Alter von neun Jahren zum Metalhead, als ich das erste Mal mit KISS in Berührung kam. Irgendwann Ende der 80er kam ich durch meine kleine Schwester an RAMONES, BAD RELIGION und DANZIG. Das war mein erster Kontakt mit Punkrock, und nachdem ich bis dato eher bei Gigs von KISS, IRON MAIDEN und MANOWAR gewesen war, ging es dann ganz schnell los, dass ich zu den RAMONES, zu SLAPSHOT und D.R.I. gepilgert bin. Und 1992 hatte ich dann meine erste Hardcore-Band, EXAMPLE, wo ich Gitarre spielte. Nach nur einer Single gingen die Wege allerdings schon wieder auseinander und einzig der damalige Gitarrist Christian spielt in den USA noch in einer Hardcore-Band. Daraufhin folgte ab 1994 FORCED TO DECAY - eine Band, mit der ich als Gitarrist drei Alben aufnahm, die alle in Richtung Grindcore/Sludgecore gingen. Wir spielten über 300 Konzerte und lernten die miesesten Löcher Europas kennen. Matratzen, die von Hunden vollgeschissen waren, Toiletten, die aus Löchern im Boden bestanden, Veranstalter, die einen als Kommerz-Band abtaten, wenn man mit zwei Autos von Köln nach Cottbus gefahren war und die vereinbarten 300 DM (!) haben wollte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich ein bisschen den Spaß an unserer verkopften Musik und diesen immer gleichen Strukturen der Auftritte verloren und wollte einfach wieder richtig rocken. Also habe ich mir ein paar Jungs aus anderen Bands der Leverkusener Szene geschnappt und wir haben 1999 eine MISFITS-Coverband namens GHOULS gegründet. Scheinbar haben wir einen Nerv getroffen, denn ganz schnell wurde diese Sache richtig groß. Die Kids wollten wieder Bands sehen, die auf der Bühne Gas geben, nicht die, die mit dem Rücken zum Publikum stehen und nachher ein Plenum einberufen. Und das haben wir ihnen gegeben. Und weil zig Konzertbesucher immer wieder fragten, ob wir nicht eigene Songs schreiben könnten, wenn die MISFITS das schon nicht mehr machen, haben wir damit losgelegt und uns THE OTHER genannt. Ein Name übrigens, der sich auf Sigmund Freud und seine Theorie des "Unheimlichen" bezieht. Ich hatte ein paar Jahre zuvor für ein Metal-Label gearbeitet und Bands wie PRO-PAIN oder SINNER betreut, und hatte mir immer überlegt, ein eigenes Label zu gründen, das nicht einfach irgendwas veröffentlicht, sondern eine spezielle Musik, für eine spezielle Zielgruppe. Und mit den ersten Erfolgen von THE OTHER und dem Zusammentreffen mit dem jetzigen Fiendforce-Programmierer und Designer Paddy Scum, wurde das plötzlich möglich. Fiendforce Records wurde also gegründet und der Begriff "Horrorpunk", den wir uns für THE OTHER auserkoren hatten, mit der Compilation "This Is Horrorpunk" etabliert.

Nun ist die Hauptinspirationsquelle von THE OTHER in musikalischer Hinsicht ja klar, aber mal ehrlich, auf Dauer trägt das als Konzept ja nicht. Was habt ihr euch darüber hinaus einfallen lassen?

Es ist natürlich richtig, dass wir zu Beginn im Prinzip Songs schreiben wollten, die hundertprozentig nach Stücken klingen, die auch die MISFITS schreiben könnten. Aber schon früh war uns klar, dass uns das auf Dauer nicht befriedigt, denn man will ja nicht zurück und auf andere Bands schauen, sondern eher Vorreiter sein. Also haben wir schon mit dem zweiten Album unseren Horizont erweitert und ich denke, jetzt, mit "The Place To Bleed", ist der Punkt definitiv da, wo wir unsere ganz eigene Version von Horrorpunk spielen. Da darf es dann ruhig auch mal was metallischer oder deathrockiger zugehen, es darf auch mal der Rock'n'Roll eine Rolle spielen. Ich bekomme ja als Co-Chef von Fiendforce Records jeden Tag Demos zugeschickt, die meisten von 17-, 18-jährigen Kids aus den USA, die jetzt gerade ihre erste Horrorpunk-Band haben. Alle sind sie weiß/schwarz geschminkt, klingen wie schlechte Versionen der MISFITS und jede von denen hat mindestens ein MISFITS-Cover auf dem Demo. Ich bin froh, dass wir da schon einen großen Schritt weiter sind, so weit, dass wir mittlerweile sogar THE OTHER-Coversongs von anderen Bands geschickt bekommen, teilweise sogar aus Mexiko und Brasilien. Weiterhin lassen wir uns mittlerweile viel mehr mit unseren Band-Charakteren einfallen. So wie bei KISS hat jede Figur eine eigene Geschichte und Eigenschaften, da lag es nur nahe, einen Comic zu machen, der ist dann auch letztes Jahr erschienen. Irgendwie bündelt sich bei THE OTHER eben meine Liebe zu Horror, Punkrock, Marvel-Comics, Alice Cooper und KISS und wird zu einer ganz eigenen Kreatur. Das wollen wir noch weiter ausbauen. Mit den richtigen Partnern ist alles möglich.

Erzähl mir doch mal über dein Verhältnis zum Hause MISFITS in professioneller Hinsicht. So groß die Begeisterung für die Musik, so groß doch sicher auch der Hals angesichts rechtlicher Querelen, etwa was den Namen "FiendFest" anbelangt.

Das Thema MISFITS ist für mich durch. Leider darf und will ich über den Rechtsstreit, der zwischen Fiendforce Records und Jerry Onlys Anwälten herrscht, nichts sagen, aber es geht da um einen sechsstelligen Betrag, der verlangt wird, weil man in den USA der Meinung ist, dass wir Urheberrechte verletzt hätten. Das ist natürlich nicht so. Aber im Sinne einer Einigung werde ich jetzt nicht unsere zahllosen Einwände und die lächerlichen Vorwürfe aufführen. Fakt ist jedoch, dass diese Band genau das Falsche macht, in dem sie alle Horrorpunk-Fans und -Bands und Fiendforce Records gegen sich aufbringt. Eine Zusammenarbeit hätte solches Potenzial gehabt und hätte auch der Band, die heute unter dem Namen MISFITS auftritt, viel gebracht. Stattdessen zwingt man lieber Veranstalter Bands wie THE OTHER oder BLITZKID von den Shows zu werfen und klagt gegen die Leute, vor denen man scheinbar Angst hat, anstatt mit ihnen zu kooperieren. Hören kann ich die MISFITS übrigens weiterhin, allerdings nur bis zur "Famous Monsters", wo noch alles in Ordnung war. Live ist das, was heute geboten wird, allerdings unsäglich. Das ist übrigens meine ganz persönliche Meinung als Privatperson, sei aus rechtlichen Gründen noch gesagt.

"Horrorpunk" als eigenständiges Genre ist ja relativ neu. Wie, wann, wo hast du das erste Mal mitbekommen, dass da jenseits von irgendwelchen MISFITS-Coverbands eigenes Leben existiert?

Eigentlich erst um 2002. Neben MISFITS waren mir vorher nur BALZAC aus Japan ein Begriff. Wir wurden ja immer wieder nach eigenen Songs gefragt, als wir als Coverband unterwegs waren, und auch nach Tips für andere Bands, die in Richtung MISFITS gehen. Über einen Bekannten habe ich dann ein paar Hinweise bekommen und auch selbst im Netz recherchiert. Dabei entdeckte ich dann Namen wie BLITZKID, MISTER MONSTER, GHOULTON, SHADOW REICHENSTEIN, BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE und so weiter. Und als mir klar wurde, dass es gerade in den USA viele Bands gibt, die Horror, Punkrock und Gothic verbinden und die Fiends einfach nur nie von diesen Bands gehört hatten, wusste ich, dass man dem Baby noch einen Namen geben muss und das Ganze am besten mit einer Compilation bekannt macht. Also erschien dann "This Is Horrorpunk" und wurde ein ziemlicher Erfolg.

Und wie würdest das Genre definieren?

Ja, die alte und schwierige Frage. Man nehme den Kitsch der Horrorfilme der 30er bis 50er Jahre, mische in einem alten Kessel eine große Portion Punkock dazu, schmecke das Gebräu mit der Atmosphäre der 80er Jahre-Deathrock-Bands ab, gebe eine Prise Rockabilly und Doowop für die Refrains, die Gesangsmelodien und manche Grooves hinzu und addiere etwas Metal, um die fetten Gitarrenriffs dabei zu haben. Heutzutage kannst du ja auch "Punk" oder "Metal" oder "Gothic" nicht mehr so einfach in Worte fassen, daher ist es auch kein Problem, dass das bei Horrorpunk schwierig ist. Im Gegenteil, unser Genre erlaubt immerhin eine gewisse kreative Freiheit, die von nach THE CRAMPS klingenden Bands wie FRANKENSTEIN über den Punkabilly der BLOODSUCKING ZOMBIES bis hin zum Deathrock-Metal von SHADOW REICHENSTEIN reicht.

Nun wird "Horrorpunk" nicht überall mit Begeisterung gesehen, so manchem Szenegänger wird es angesichts von so viel Schminke und verkleideten Konzertbesuchern, die anders als "normale" Punks so niemals im Alltagsleben herumlaufen, einfach zu viel. Deine Meinung dazu?

Na ja, wie viele Punks siehst du heute mit grünem Iro und Nietenjacke auf der Arbeit? Und selbst Wattie stellt seinen Iro bestimmt nicht hoch, wenn er abends im Pub sitzt, beziehungsweise trägt ja gar keinen mehr. Außerdem finde ich es absolut okay, sich für bestimmte Events und Konzerte eben etwas aufwändiger zu stylen. Aber grundsätzlich hat Horrorpunk das in der Beziehung vielleicht eben etwas mehr mit Gothic gemein, nur dass wir keine langen Samtmäntel tragen, sondern Lederjacken, und Bier statt Rotwein trinken. Aber die schwarzen Klamotten ziehen Horrorpunk-Anhänger auch sonst an, nur bei manchen kommt eben bei Gigs die Schminke dazu. Außerdem: Wir mögen Theatralik und Show. Die Inspiration von Bands wie KISS oder Alice Cooper spielt klar bei Horrorpunk mit rein. Wenn ich über Monster singe, will ich auch so aussehen. Wenn ich zu einem Konzert gehe, will ich eine coole Show sehen und etwas erleben, nicht Typen auf der Bühne stehen haben, die aussehen wie mein langweiliger Nachbar. Ich bin wirklich froh, dass die Phase vorbei ist, wo manche Bands mit dem Rücken zu Publikum standen, aussahen, als kämen sie gerade aus dem Bett oder der Vorlesung an der Uni und immer betonten, auf keinen Fall Rockstars sein zu wollen.

Und was reizt dich selbst dazu, als "Fürst der Finsternis" auf der Bühne zu posen?

Die Verwandlung. Wenn du so auf der Bühne stehst, bist du nicht mehr der normale Typ, der in einer normalen Wohnung lebt und normal arbeiten geht. Du wirst zu einem Charakter wie aus einem Horrorfilm oder Comic, zu jemandem, den die Leute mit anderen Augen sehen. Du bekommst dadurch eine ganz andere Ausstrahlung auf der Bühne und animierst die Leute auch ganz anders. Außerdem mochte ich immer die Monster in Horrorfilmen. Wer interessiert sich für Dr. van Helsing, wenn Dracula die coole Sau des Films ist? Und wir sind bei einem Live-Konzert vier Monster auf der Bühne, so wie in "House of Frankenstein" oder "House of Dracula", wo Dracula, Frankenstein und der Wolf Man aufeinander trafen. Irgendwo kehren wir bei Live-Auftritten einen Teil von uns nach außen, der sonst im Inneren bleibt: das Böse und Dunkle...

Fiendforce ist meines Wissens nach das erste Label, das sich alleine einem Genre -wenn auch in vielfältiger Ausprägung - gewidmet hat. Wie weit reicht das mögliche Spektrum, was das Label anbelangt?

Nach meiner Erfahrung mit der Arbeit für ein anders Label in den 90ern, das von Pop bis Metal alles veröffentlich hat, war mir immer klar, dass ich ein Label machen wollte, mit dem sich Fans identifizieren können. Ein bisschen waren da Epitaph Vorbild, die Ende der 80er, Anfang der 90er mit einer bestimmten Art von Punkrock anfingen, oder Nuclear Blast, die anfangs nur die Grindcore/Crust-Bands veröffentlichten. Wir werden jedoch unser Programm nicht so verwässern, sondern immer irgendwie zwischen Punk, Deathrock und Psychobilly bleiben, wobei eben die visuelle und textliche Komponente eine große Rolle spielt. Der Horror-Aspekt muss klar gegeben sein. Wenn man mal so große Bands nennt als Ausrichtung, könnte es also alles zwischen 45 GRAVE, THE CRAMPS, TIGER ARMY, MISFITS, DANZIG, DEMENTED ARE GO und AFI sein.

Und welche anderen Labels dieser Ausrichtung sollte man fairerweise noch nennen?

Nachdem Fiendforce weltweit Beachtung fand, gab es natürlich Nachahmer. Crypt of Blood und Dr. Cyclops Records sind zwei Labels in den USA, mit denen wir gut zusammenarbeiten, hier in Deutschland setzt Contra Light als neues Label auf Horrorpunk und hat mit THE FRIGHT und DEAD END GUYS zwei gute Bands am Start. Dann gibt es noch ein Label in den USA, das unter anderen Michale Graves - Ex-MISFITS Sänger und rechter Vollidiot - unter Vertrag hat und dessen Boss ein unfassbares Arschloch ist. Wir mögen Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung, aber nicht mit solchen Pissern.

Euer neues Album ist auch raus - was gibt es dazu zu sagen?

Na, was schon? "The Place To Bleed" ist das beste Werk bisher, es rockt wie Hölle, gruselt bis zum Herzstillstand und die Presse schlägt Purzelbäume vor Begeisterung ... Mal im Ernst: Wir finden, dass wir uns weiterentwickelt haben und noch deutlicher von anderen Bands des Genres unterscheiden. Diesmal haben wir uns hier und da dem Thema Freak-Show gewidmet, da Todd Brownings "Freaks" uns schon früher so beeindruckt hat und wir außerdem auf US-Tour in Venice Beach die Venice Beach Freak-Show so inspirierend fanden. Allerdings stellen wir natürlich die Frage, wer denn nun die wirklichen Freaks sind. Musikalisch ist "The Place To Bleed" das wohl differenzierteste Album, jeder Song unterscheidet sich vom anderen und hat eine ganz eigene Atmosphäre. Wir werden sehen, was die Fiends dazu sagen ...