MONSTERS

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Mexiko-USA-Tour 2024

Im April und Mai 2024 waren THE MONSTERS aus Bern ein weiters Mal auf Tour in Nordamerika. Die Organisation und Vorarbeit war schwieriger als bei unseren vorangehenden Touren und das war vor allem der Komplexität der amerikanischen Gesetzgebung zu verdanken. Um in den USA zu spielen, braucht es eine gültige Arbeitserlaubnis ... Wenn du ohne erwischt wirst, wie zum Beispiel DAD HORSE EXPERIENCE, bist du 15 Jahre für die Einreise in die USA gesperrt. Nach der Zahlung von 8.000 Dollar und unzähligen Briefen und Bestätigungen, die gefordert wurden (Danke hierfür an Pro Helvetia und Kondition SUISA, die uns unterstützt haben), konnten wir uns an das Buchen und Organisieren machen und haben mit der IVY Agentur einen guten Partner gefunden. Zusammen mit Pete Slovenly, Born To Be Cheap, Jan, unserem Schlagzeuger, und Pumi hatten wir eine tolle Tour. T-Shirts und Platten wurden per Post einen Monat vorher in die verschiedenen Städte geschickt – und ready we are.

Das Gato Calavera („Totenkopfkatze“) in Mexico City ist über die Jahre hinweg von einem kleinen Punk-Spunten in ein dreistöckiges Konzertlokal mutiert. Im Erdgeschoss befindet sich der ausverkaufte Konzertsaal für etwa 500 Leute, im ersten Stock sind ein Plattenladen, Secondhand-Kleider und ein Tätowierer eingemietet, mit dazugehöriger Cocktail-Lounge ... alles sehr grell mit Neonlicht bestrahlt. Vor dem Konzert und mit einem Hammer-Jetlag in der Birne haben wir noch eine Fotosession mit dem Thrasher Magazine und ein Interview für eine Szenesendung im nationalen mexikanischen TV. Die PA ist dann komplett am Anschlag, wir brüllen unsere Songs aus allen Rohren und die Meute dreht durch. Anschließend trinken wir Mezcal bis zum Umfallen.

Das zweite Konzert ist in Izcalli, das auch zu Mexico City gehört, nach einem gut dreistündigen Höllenritt in einem Bus, der leider keine Stoßdämpfer hat. So kommen wir mit einem Schütteltrauma und gebrochenem Rücken im El Taller an. Der totale 1980er-Jahre-Club-Alptraum: LED-Lichter, die permanent auf höchster Stufe eingestellt sind und einem ständig wie Messer durch die Augen direkt ins Hirn hinein stechen. Eine der Vorbands sind EL PETATE DEL MUERTO. Der Bassist hat vor dem Konzert wohl einen Clown gefrühstückt und hampelt rum wie ein Vollirrer – wir sind schließlich froh, als das Konzert vorüber ist. Sie sind aber voll nett, sprayen uns als Dank noch ihr Ganglogo an den Bus und wir revanchieren uns mit einem Shot Mezcal. Der Besitzer des Clubs ist eine circa 100 Tonnen schwere männliche Diva, der alle von oben herab behandelt, weswegen wir kurzerhand den Club in Brand stecken. Pumi, unsere Soundperle, dreht eben mal alle Regler auf 11, so dass wir im Zusammenspiel mit den LEDs die totale Penetration schlechthin erzeugen können. Auf dem Rückweg fahren wir direkt ins Spital, um uns den Rücken richten zu lassen und endlich tot ins Airbnb-Bett zu fallen. Fürs Frühstück müssen wir zuerst die Kakerlaken und toten Spinnen aus dem Spülbecken entsorgen, bevor wir uns dem wunderbar duftenden Kaffee hingeben.

Die letzte Show in Mexico City führt uns ins ausverkaufte legendäre La Mezcalli. Wir rufen ein Uber und quetschen alle Instrumente mit Hilfe des Fahrers auf den Beifahrersitz, dann setzen wir uns noch zu viert auf die Rückbank. Uber war für Mexico City wie eine Offenbarung, haben sie uns gesagt. Das Problem mit den Taxis war, dass viele Fahrgäste (vor allem Frauen) entführt und erst nach Zahlung einer gewissen Summe freigelassen wurden oder halt kurz Kopf ab und niemals gefunden werden. Das Gute an Uber ist, dass jede Fahrt via Satellit überwacht wird und jeder genau weiß, wo du bist. So sind diese Entführungen praktisch in den Nullbereich verschwunden, Taxis leider auch. Auch interessant sind die Kreisverkehre. Wir denken ja alle, die Franzosen hätten die erfunden, doch ich glaube, es waren die Mexikaner. Diese Kreisel sind meistens riesengroß und haben im Inneren Platz für Märkte oder Demonstrationen, politische Kundgebungen, Gottesdienste ... Eine wirklich großartige Idee von der Raumplanung her. Mexico City explodiert schier vor Kreativität und dem Drang, etwas zu machen, überall eine Million Farben, leckeres Essen und fröhliche Menschen, wir haben uns komplett verliebt in diese Stadt und die Leute.

Vor dem Konzert geben wir noch ein Interview für Radio No-FM. Eine Stunde lang lassen wir uns ausquetschen über die Schweiz und ihre Musikszene. Der Auftritt ist auch der komplette Überflieger, die Anlage ist noch mehr am Anschlag als am vorigen Abend, und unser Schlagzeuger Jan hat mit Montezumas Rache zu kämpfen. Das hilft uns aber dabei, einen guten „Fluss“ in die Songs zu bringen. Die Go-Go-Tänzerinnen sind etwas überfordert vom Tempo der Songs und im Publikum reißen sie einander die Kleider vom Leib. Nach dem Konzert wollen alle ein Autogramm und ein Foto, zuerst mit ihm, dann ihr, dann mit ihm und ihr, mit ihm und ihrer Freundin und dem Fotografen, dann der Fotograf und die Mutter etc. ... So geht das etwa zwei Stunden lang. Wir versuchen, auf die Straße zu gelangen, wo der Uber auf uns wartet, was gefühlte zehn Stunden dauert. Nach jedem Schritt kommt wieder jemand und fragt nach einem Autogramm auf der Platte, dem Hodensack, dem T-Shirt ... Endlich im Auto, ein letzter Taco and off to Airbnb, um die Flasche Mezcal zu leeren.

Am nächsten Tag fliegen wir vier Stunden nach Tijuana, unweit der Grenze zu den USA. Wir sollen in der Psycho Border Brewery spielen, die liegt an einer Straße, die mich stark an die Reeperbahn in Hamburg erinnert. Die gleiche Scheißmusik aus jeder Bar und nur betrunkene Arschloch-Touristen auf der Straße. Das Konzert ist eher mäßig besucht, aber wir haben Spaß, ebenso wie die zwei Vorbands, deren Namen ich leider vergessen habe, sorry. Am Tag danach müssen wir die mexikanischen Pesos in US-Dollar wechseln, wie man das so in Mexiko macht, in halb illegalen Geldwäsche-Wechselstuben. Die sehen aus wie offizielle, sind aber viel sicherer, weil sie vom Kartell bewirtschaftet und bewacht werden. Danach laufen wir zu Fuß über die mexikanisch-amerikanische Grenze. Nach einer kurzen Rückweisung wegen eines fehlenden Stempels im Pass werden wir auf der amerikanischen Seite von einem dunklen Bus abgeholt, der für unsere Westküsten-Tour unser neues Zuhause sein wird. In der Nähe von San Diego verbringen wir unseren Day-Off damit, die Backline zu überprüfen und uns im Pool zu erfrischen. Wir dürfen gratis dort schlafen, weil Pete da einen DJ-Gig hat. Wir haben Danceoffs mit den lokalen Gästen und legen uns früh ins Bett.

Am nächsten Tag geht’s nach einem Plattfuß auf nach Los Angeles, wo unsere erste West Coast-Show im Zebulon stattfindet. Das ist einer der wenigen Clubs mit einer vernünftigen Größe, der noch nicht von Live Nation verschlungen wurde, und liegt neben Rick’s Drive In & Out, einem legendären Workers-Diner. Die Gegend kenne ich gut, ich war schon etliche Male dort. Das Publikum ist gut durchmischt, ob alt, jung, celebrity oder nicht. Bill Bateman von CRAMPS/BLASTERS, Stella von Radio KXLU und irgendein Filmstar sind gekommen ... wir haben aber nicht herausgefunden, wer sie ist. Der Club ist auch fast ausverkauft und die Party kann losgehen ... eine Merch-Schlange bringt PojPoj-Friedhelm und Eunice schon vor dem Konzert zum Rotieren. Unser Konzert ist dann auch sehr gut und ich verzapfte sehr viel Müll zwischen den Songs. Nach der Show denken wir, dass sich an der Westküste in Sachen Gastfreundschaft wohl sehr viel geändert hat: Wir haben sogar einen Backstage-Raum, pro Musiker zwei Getränkebons und gratis Essen (eine handgroße Pizza für jeden) ... Dies soll sich aber bei den nächsten Shows schnell ändern.

Las Vegas ist wie immer ein kompletter Reinfall und die Leute wie auf einem Dauer-Valiumtrip. Eine der Vorgruppen sind die DELTA BOMBERS mit Biff von GUANA BATZ als Sänger. Das Konzert fängt an mit „Lonesome train“ von Johnny Burnette und so geht es weiter. Essen gibt’s für niemanden und ein Bier kostet sechs Dollar, so sind wir blank aus dem Club gegangen ... Ähnlich läuft’s in Palmdale. Wir haben allerdings lustige Vorbands: LOS VORTEX sind eine Mexican-American-Teenage-Rock’n’Roll-Combo, die mal einen Bondage-Film gesehen hat und sich danach kleidet. Ist eher auf der lustigen, bizarren Seite, aber auch irgendwie süß. Die anderen sind DRAC AND THE SWAMP RATS, eine sehr junge Oldschool-Skatepunk-Hardcore Band mit einem Jim Carrey-Lookalike als Sänger. Die sind richtig saugeil ... eine der besten Bands auf unserer Tour.

Am Tag danach geht es nach Santa Cruz, wo auch viele unserer Freunde kommen. Der Club The Crepe Place ist zum Bersten voll, aber da wir einen sehr schlechten Doordeal und zu viele Vorbands haben, uns auf der Toilette umziehen müssen und Durchfall-Crêpes essen, gehen wir dann mit 280 Dollar aus dem Loch heraus (Anmerkung: Auto plus Backline pro Tag 250 Dollar, Übernachtung für sieben Leute 120 Dollar und Essen mindestens noch mal so viel). Da wir in Santa Cruz nichts Bezahlbares zum Übernachten finden, fahren wir direkt nach San Francisco in ein Airbnb, das von einer alleinstehenden Mutter mit Kindergartenkind vermietet wird. Die, wie sie uns mehrmals innig mitteilt, auch Musik macht und jetzt aber leider zum einem nach dem Kind schauen müsse – es sei aber adoptiert –, und so ihr Haus, in dem sie mithaust, an Musiker vermiete. Sie nimmt uns im Nachthemd in Empfang, und ich und Janosh dürfen in der Garage schlafen, Jan findet Platz im Hundebett. Beide, Hund und Mensch, finden dies sehr unangemessen. Friedhelm, die Berliner 2-Meter-Bohnenstange, schläft im 1,20-m-Kinderbett und Pumi darf den Boden küssen. In der Nacht kommt die Frau dann viermal in Jans Hundezimmer und will übers Heiraten und so weiter diskutieren, bis uns das alles zu viel wird und wir 1313 Mockingbird Lane schnurstracks verlassen, um uns eine neue Behausung zu suchen.

In San Francisco spielen wir im Thee Parkside. Supergeiler Club, der sich nur noch knapp finanziell über Wasser halten kann, wegen der so enorm gestiegenen Preise an der ganzen Westküste, vor allem in SF. Wir haben einen Backstageraum mit Catering und kostenlosem Essen für Band und Crew und alle Vorbands sind der Oberknüller. GUM TREE GIRLS sind aus der Gegend und machen Frauen-Punk à la KLEENEX oder LILIPUT und hauen uns voll um. FUCKWOLF machen etwas zwischen Krautrock, New Wave und Hardcore ... keine Ahnung, was es ist, aber es ist geil! Kepi Ghoulie und seine Freunde tauchen alle auch auf und viele andere Leute, die ich schon von anderen Bands her kenne. Eine kleine Anekdote: In San Francisco gibt es Roboter-Taxis, die sind alle via GPS gesteuert, also vollautomatisch, ohne Mensch als Fahrer. Die meisten sind aber leer, weil sie schon ein paar Fußgänger umgefahren haben, ist aber trotzdem geil.

Eugene ist eine Stadt, die niemand auf dem Radar hat. Außer wir. Eher eine Althippie-Hochburg, würde ich mal sagen ... also alternde Hippies, die vom linken ins eher rechte Lager gewechselt sind. Der Club The Big Dirty ist dann auch nicht der gastfreundlichste. Die haben uns mit einer Salsa-Veranstaltung getauscht und dies niemand gesagt, so dass viele Salsatänzer auftauchen, die nicht so glücklich über unsere Anwesenheit sind ... Wir haben dann noch selbst Poster gezeichnet, um sie in der Stadt aufzuhängen. Der Türsteher ist auch ein Vollpfosten und will uns nicht reinlassen, als wir vom Essen zurückkommen. Ich hätte ihm fast was auf die Schnauze gehauen, da wird er ein wenig freundlicher ... Anyway: scheiß Organisation, scheiß Gig, scheiß Tag. Fuck it.

In Portland schlafen wir bei unserer Freundin Cecilia Meneau aus Paris (THE NO TALENTS und SEX CRIME). Sie war in den 1990er Jahren Touragentin in Europa für Lightning Beat-Man. Das Konzert am Abend ist ausverkauft und die halbe Punk-Szene Portlands ist aufgetaucht, sogar der Türsteher hat sich ein ZEAL & ARDOR-Shirt angezogen, um zu beweisen, dass er die Schweiz kennt. Der Club Mano Oculta ist aber so was von scheiße organisiert, das glaubt man kaum. Bier nach einer Stunde ausverkauft und jeder muss diese scheißteuren, beschissenen Cocktails schlürfen. Sie haben zwar eine Küche, wo einer so tut, als würde er kochen, aber Essen gibt’s trotzdem keines. Darum wandern wir zu Subway, was neben der Tankstelle die einzige Essgelegenheit ist. Der Veranstalter – den wir nie zu zu Gesicht bekommen – hat dann auch nur die erste Band angesagt, die womöglich Lokalmatadore waren oder Hoffnungsträger der hiesigen Szene. Nach der Show dieser NIRVANA-Coverband ist er verschwunden und taucht auch nie wieder auf. Bei uns kommen die Leute dann wieder rein und die Post kann heftig abgehen.

Komplett geil ist Olympia, dort haben wir im The Crypt einen Auftritt. Es ist eine Studentenstadt, nebenan tritt eine Black-Metal-Band auf und wir im Crypt. Ein komplettes Loch ohne Licht und wie üblich null Gastfreundschaft. Der Lichtmensch muss eine Sekunde nach Beginn des Konzerts schnell auf die Toilette und wird nie wieder gesehen, schwärmt aber nach dem Konzert, wie geil es war und so weiter.

Yakima liegt im Staat Washington. Wir fahren durch einen Schneesturm über die Berge zu diesem von Kirchen übersäten Dorf. Das Konzert soll in einem Fahrradladen stattfinden, wo sie eine Bühne aufgebaut haben. Die Staatsanwältin und ihr rechtsverdrehender Ehemann haben von diesem Anlass erfahren und alle Tickets aufgekauft. Er hatte gerade seinen 60. Geburtstag und war schon einmal in der Schweiz ... so spielen wir dann auf einem Geburtstagsfest, was niemand interessiert. Die eher christlich angehauchten Besucher verlassen fluchtartig den Saal, als wir „Kiss you dead“ anspielen. Bei dem Singalong „Yellow snow drink“ und der Textzeile „I’m gonna kill myself tonight“ wird es für den Rest Zeit zum Aufbrechen. Die Vorgruppe ist eine Hippie-Zirkus-Kapelle mit rosaroten Luftballons und Klebenasen. Die sind dann enttäuscht mit ihrem Einrad weggefahren ... Am Abend bestaunen wir noch die elektrischen Felder am Nachthimmel und schlafen schließlich mit der Bibel in der Hand ein.

Unsere letzte Show ist in Seattle in der Clock-Out Lounge. Ein großartiger Schuppen mit wirklich freundlichen Leuten, wir werden sogar mit einem Bier in Empfang genommen, um danach so viele Pizzen zu essen, wie wir wollen. Der Club liegt in der Gegend, wo Jimi Hendrix geboren wurde, was man den Vorbands leider nicht anmerkt. Der eine Bassist, ein zwei Meter großer Buchhalter eines Kaninchenzüchtervereins, schnörkelt mit seinem verlängertem Penis herum, bis ihm fast die Finger abfallen. Der Schlagzeuger ist in einem komplett anderen Film, spielt wie ein Gott, aber leider auf ’ner anderen Hochzeit. Und der Sänger weiß gerade nicht, wo er ist ... Die spielen dann etwa vier Stunden. Das Publikum steht sich die Beine in den Bauch und wir werden mit der Knarre im Mund ertappt und dann glücklicherweise endlich auf die Bühne gebeten. Da geben wir dann eines unser besten Konzerte dieser Tour. Pumi sagt, dass sogar einer von DINOSAUR JR. im Publikum gewesen sei, aber vielleicht ist es nur ein Gerücht ... Ich bin danach mit noch mehr Pizzaessen beschäftigt und sehe mich anschließend noch in der Gegend um und sinniere, wie es wohl gewesen ist, als Jimi Hendrix da aufgewachsen ist, ob er da auch ’ne Pizza aß etc.

Tags darauf steigen wir – zwar komplett blank und verschuldet, aber überglücklich – ins Flugzeug und fliegen zurück in die Schweiz, um endlich wieder etwas Gesundes zu essen und zu Hause die Katze zu füttern, die zur Begrüßung einen ziemlich gehässigen Gesichtsausdruck aufgesetzt hat.