MONOCHROME

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Eine Geschichte voller Missverständnisse

Diese Band hat es wirklich nicht einfach. Alle Musiker sind berufstätig und wohnen zudem viele Kilometer voneinander entfernt. Wenn dann unter diesen Umständen mal ein Album zustande kommt, wie unlängst "Caché", dann ist es so gut, dass man die Leute dahinter besser kennen lernen möchte. Und was macht die Band? Sie möchte gar nicht über sich reden. Hardcore, Integrität, Verweigerung - alles Themen, zu denen die Band ständig Stellung nehmen soll, ohne dass sie genau wüsste, wozu. Sänger Marc Calmbach würde sich am liebsten viel mehr über das Wichtigste unterhalten: Musik. Das alles erklärte er mir in einem Interview, das noch richtig spannend wurde, als das Aufnahmeband eigentlich schon gar nicht mehr lief.



Als ich Marc am Telefon habe, ist er erstaunlich entspannt für jemanden, dessen Band gerade eine neue Platte veröffentlicht hat. Eine Promotour kann man das nämlich nicht nennen, was MONOCHROME in diesem Moment machen: "Wir haben fünf Konzerte gespielt, seit die Platte rauskam - zur Freude des Labels natürlich nicht in Deutschland, wie es sich gehört, haha. Nun spielen wir bis Jahresende vereinzelt Köln und München und diese größeren Städte ab."

Von außen betrachtet, erstaunt das Vorgehen, allerdings hat in der Band niemand je ein Geheimnis daraus gemacht, dass es für die Musiker im Leben Wichtigeres gibt: "Musik stand bei uns noch nie im Vordergrund, das war immer sozusagen unser Hobby. Da geht dann halt der Urlaub für drauf, aber es war nie unsere Absicht, das professionell zu machen, auch wenn einem natürlich alle gesagt haben, wir sollten amibandmäßig unsere Jobs sausen lassen und für drei, vier Monate auf Tour gehen. Aber das ist nicht unsere Sache", erklärt Marc.

Und wahrscheinlich ruft genau diese Tatsache die größten Missverständnisse hervor. Eine Band, die immer wieder hochwertige Alben veröffentlicht und dabei ihre Sympathisanten gekonnt teils über Jahre hinhält, die muss es einfach ernst meinen. Tut sie natürlich auch, denn anders sind die Mühen nicht zu erklären, die die Band für neue Aufnahmen auf sich nimmt: Termine müssen über Monate im Voraus und zwischen sechs berufstätigen Leuten in Berlin, Basel und Stuttgart verbindlich vereinbart werden; was folgt, ist ein Probenmarathon. Was also ist die Motivation für all das? "Das klingt immer so altherrenmäßig, wenn man von einem ‚Ausgleich‘ spricht, aber das ist es halt tatsächlich. Und es ist auch ein Grund, uns mal wieder zu sehen, weil wir doch mittlerweile sehr verstreut wohnen." Mehr soll es nach Marc aber auch nicht sein, denn "nach drei Wochen fehlt so ein bisschen der Input. Dann wird uns langweilig. Es ist ja schön und gut, abends ein Konzert zu spielen, aber das kann ja nicht alles sein."

MONOCHROME nehmen sich augenscheinlich selbst zurück und denken in mancher Hinsicht nicht sehr viel über sich selbst nach. Diese ganze Zurückhaltung muss einen Musikjournalisten ja verwirren. Was also tun, wenn die Musiker nicht die richtigen Stichworte auf Fragen liefern? Dann dreht man den Spieß eben um und erhebt das, was man beobachtet, zum Image der Band. MONOCHROME selbst werden in Rezensionen und Interviews immer wieder mit Dingen konfrontiert, die sie selbst nie ins Spiel gebracht haben. Ständig wird die Band zum Beispiel auf ihre Hardcore-Vergangenheit angesprochen beziehungsweise festgelegt. Ein paar der Musiker spielten früher mal bei DAWNBREED, bevor sich über die Jahre die Band in ihrer jetzigen Form entwickelte. Aber noch heute soll die Band erklären, wo sich der Hardcore in ihren Songs verstecke. Marc selbst kann mit diesem Begriff nichts anfangen: "Selbst DAWNBREED war ja nie nur diese krasse Hardcore-Band - total nach vorne, drei Akkorde. Und komischerweise haben wir überhaupt keinen Wert darauf gelegt, weil der Begriff ja auch stark besetzt war von Musik und von Leuten, mit denen wir nichts zu tun haben wollten. Das ist tatsächlich ein Label, das offensiv von außen an uns herangetragen wird."

Mit den Ansichten und Gewohnheiten von früher möchte Marc zwar nicht brechen, darüber sprechen muss er aber auch nicht ständig: "Das ist so, wie wenn wir jetzt den Kühlschrank aufmachen, dann ist halt kein Fleisch drin. Da wird auch nicht groß drüber nachgedacht, es ist einfach so."

MONOCHROME machen sich rar in der Öffentlichkeit: wenige Konzerte, keine Auftritte bei den angesagten Festivals, kaum Storys in den führenden Indie-Magazinen. Ganz klare Verweigerungshaltung. Oder? Einerseits gibt Marc zu, dass man sich eher zu Leuten hingezogen fühle, die sich enthusiastischer und ohne kommerziellen Hintergrund mit der Band beschäftigen - und umgekehrt; andererseits würde er Visions oder Intro nie ein Interview verweigern. "Aber wenn wir denen dann eins geben - du weißt ja, wie das läuft: dann laberst du eine halbe Stunde, und dann sind da zwei Sätze auf einer Fünftelseite untergebracht. Dann ist es wirklich die Frage, ob es sein muss, denn es bringt weder dem Heft was noch der Band. Ich war immer ein Fan von diesen Fanzine-Interviews. Da wurde jeder Furz verschriftlicht, der gelassen wurde. Wenn das Interview drei Stunden ging, dann hat man halt in einem Fanzine vierzehn Seiten Interview abgedruckt, haha. Mir war das immer sehr sympathisch, das hat so was Nerdiges."

Irgendwann wird es Marc dann zu bunt: "Schau mal, jetzt haben wir schon so lange gesprochen und wieder ging es nicht um die Musik. In den Interviews steht am Ende immer nur etwas darüber, was für coole Typen wir sind", beschwert er sich. "Letztens wurde ich in Heidelberg angesprochen von jemandem, der mich aufgrund eines Fotos in einem Magazin erkannt hat. Der meinte: ‚Was da geschrieben stand, das liest sich ja ganz toll, aber wie klingt denn nun die Musik?‘ Die Leute schauen dann im Netz nach, finden Reviews, und darin steht auch immer nur, dass wir wohl eine coole Band mit einem bestimmten Status sein müssen, was wir aber tatsächlich für Musik machen, darüber trauen sich die wenigsten etwas zu schreiben."

Am liebsten hört sich Marc an, wie andere seine Musik wahrnehmen, um sich anschließend gepflegt darüber und über Musik im Allgemeinen auszutauschen. Und das klingt dann so: "Ich habe beispielsweise einer Arbeitskollegin unsere Musik vorgespielt, die ist ein bisschen älter, und die meinte dann: ‚Ach, das erinnert mich an die Musik, die ich früher gehört habe, SMITHS und so Sachen. Weniger die Musik, sondern mehr die Stimmung, die da mitschwingt.‘ Finde ich irre, dass dann solche Verbindungen kommen."

Auch der Schreiber dieser Zeilen ist übrigens in jeden der angesprochenen Fettnäpfe getreten, drückt sich an dieser Stelle dennoch dezent vor der Aufgabe, die Musik von MONOCHROME zu beschreiben. Aber am besten macht sich jeder seine eigene Vorstellung davon, indem sie oder er sich die Alben anhört.