Mit „Punk Rocksteady“ haben die Kalifornier MAD CADDIES ein neues Album aufgenommen. Unter den zwölf Songs ist aber keine einzige Eigenkomposition, dafür gibt es Neuinterpretationen im Reggae-Dub-Bläser-Ska-Dancehall-Gewand von Songs von GREEN DAY, MISFITS oder DESCENDENTS. Wie es dazu kam, erzählt uns Bassist Graham Palmer beim Mission Ready-Festival.
Graham, wie seid ihr darauf gekommen, ein Coveralbum aufzunehmen?
Der Impuls kam von Fat Mike, Sänger von NOFX und Chef von Fat Wreck Chords. Er hatte diese Idee schon vor Jahren. Schon damals hatte er uns das vorgeschlagen, aber da hat es nicht in unseren Zeitplan gepasst. Und letztes Jahr ging dann alles Schlag auf Schlag. Er hat uns im Oktober angerufen und uns gleich einen Termin in seinem Studio freigehalten. Außerdem hat er gleich angekündigt, dass er das Album produzieren und die Songs mit uns gemeinsam aussuchen wird. In einem Monat sind wir damit durch, sagte er. Letztendlich hat es ein paar Monate gedauert, aber es hat funktioniert. Es war also Mikes Idee, aber wir fanden sie gut und haben das Projekt gemeinsam umgesetzt.
Nach welchen Kriterien habt ihr die Songs ausgesucht?
Das war natürlich ein Prozess, der eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hat. Sechs Bandmitglieder plus Fat Mike, da gibt es zu manchen Songs natürlich unterschiedliche Meinungen. Mike hatte schon eine Liste mit Bands, die wir für „Punk Rocksteady“ covern sollten. Dann sind wir Song für Song durchgegangen und haben geschaut, welcher Track der jeweiligen Band sich am besten eignet. Welcher Track lässt sich gut in Ska oder Reggae übersetzen? Das geht bei manchen Songs besser, bei anderen schlechter. Es hat eine Weile gedauert. Mike hat dann einen Vorschlag gemacht, wir haben es ausprobiert. Wenn es nicht funktionierte, haben wir einen anderen Song genommen und so haben wir uns bis zum endgültigen Ergebnis vorgetastet.
Wie leicht oder schwer ist es, einen Punkrock-Song zu „madcaddiesieren“?
Das hängt immer vom Song ab. Tracks von BAD RELIGION zum Beispiel haben eine Menge Akkorde und viele Wechsel, die sind ein bisschen schwieriger. Der Song von GREEN DAY dagegen hat nur drei Akkorde, das ging also relativ schnell. Wir hatten uns vorgenommen, mindestens drei oder vier verschiedene Sounds auf dem Album unterzubringen: traditionellen Reggae oder traditionellen Ska. Wir haben einfach an jedem Song herumgedoktert, bis es gepasst hat. Trial and error. Der ganze Prozess hat aber viel Spaß gemacht. Und war gleichzeitig auch etwas völlig anderes. So etwas hatten wir noch nie gemacht.
Gab es auch Songs, an denen ihr euch erfolglos versucht habt?
Definitiv. Aber in solchen Fällen haben wir uns einfach für einen anderen Track von dieser Band entschieden. Das war zum Beispiel beim NOFX-Song „She’s gone“ so. Wir hatten vorher eine ganze Reihe von NOFX-Tracks ausprobiert, aber entweder mochten wir das Ergebnis nicht oder Mike legte sein Veto ein. Es gab also definitiv Sachen, die nicht funktioniert haben. Wir haben zum Beispiel auch „Bloodstains“ von AGENT ORANGE aufgenommen, der Track hat es aber nicht aufs Album geschafft. Vielleicht veröffentlichen wird den mal als B-Seite oder so.
Wie lange habt ihr im Studio an den Arrangements gebastelt?
Für die Arrangements haben wir drei Wochen in Mikes Studio in San Francisco verbracht. Außerdem haben wir dort einen Großteil der Instrumente aufgenommen. Schlagzeug, Bass und die meisten Gitarrenspuren. Und danach standen wir kurz vor der Urlaubszeit, deshalb haben wir Overdubs und die Vocaltracks in verschiedenen Studios in Los Angeles oder Santa Barbara aufgenommen.
Wie haben die jeweiligen Bands auf die neuen Versionen reagiert?
Ein paar haben sich geäußert. Wir sind zum Beispiel gut mit LAGWAGON befreundet, die haben sich über die Reggae-Version sehr gefreut. BRACKET haben uns kontaktiert und sich sehr ebenfalls positiv über das Projekt geäußert. Wir haben gerade ein paar Shows mit BAD RELIGION gespielt, haben uns aber ehrlich gesagt nicht über „Punk Rocksteady“ unterhalten. Und von den größeren Bands wie GREEN DAY haben wir gar nichts gehört. Die meisten Bands, die wir gecovert haben, sind Kollegen aus unserer Punkrock-Welt. Man trifft sich immer wieder mal und bis jetzt waren die Rückmeldungen alle großartig. Auch von den Fans. Wir wussten nicht, was uns erwartet, aber wir sind sehr zufrieden.
Hast du einen persönlichen Favoriten auf der Platte?
Ich stehe ehrlich gesagt total auf „Sleep long“, den Song von OPERATION IVY. Wir haben den Bass dafür auf einem kleinen Oldschool-Keyboard eingespielt, das ist im Reggae sehr beliebt. Wir hatten außerdem ein paar Gastsänger im Studio, unter anderem Josh von THE SKINTS und Aimee von THE INTERRUPTERS. Dieses Stück mag ich am liebsten.
Wie groß war der Einfluss von Fat Mike auf das ganze Projekt? Er war ja nicht nur Produzent, sondern auch „Spiritual Guide“.
Es war einfach sein Konzept. Er hat tatkräftig mitgeholfen, es zu realisieren. Er wollte einfach Punkrock in einem anderen Gewand präsentieren, diese Punkrock-Nummern einem völlig anderen Publikum näherbringen. Er hat uns also durch den ganzen Prozess begleitet. Mike ist schon seit vielen Jahren ein enger Freund und Kollege von uns. Wir haben also eine blendende Arbeitsbeziehung zu ihm. Wir haben schon vorher Alben mit ihm aufgenommen. Deshalb war es gut, in dieses Projekt zu gehen und zu wissen, dass er der Strippenzieher im Hintergrund ist. Natürlich konnten wir unsere Kreativität gänzlich ausleben, aber er hatte den Blick aufs große Ganze.
Mike hatte neulich mit seiner Band NOFX gerade große Probleme. Nachdem sie Scherze über die Opfer des Attentats in Las Vegas gemacht hatten, wurden ihre Shows in den USA komplett gecancelt. Was sagst du dazu?
Dazu will ich eigentlich nicht allzu viel sagen. Mike ist ein guter Freund und sie haben ja eine Entschuldigung veröffentlicht, die wirklich aufrichtig war. Was die Gigs betrifft, ist es natürlich unglücklich für die Fans, die sich schon gefreut haben. Sie haben vielleicht lange auf diesen Auftritt gewartet, aber die Realität sieht jetzt eben anders aus. Ich denke, dass dieser Bann nicht ewig andauern wird, aber die Shows, bei denen unter anderem auch wir eingeplant waren, werden definitiv nicht stattfinden. Es ist also für Bands und Fans blöd, aber ich verstehe die unglücklichen Umstände, unter denen das zustande gekommen ist.
Ich finde, es ist eine übertriebene Reaktion von den Clubs, alle Auftritte zu streichen.
Da stimme ich dir zu. Aber es hat mich nicht überrascht, dass es so gelaufen ist. Die Reglementierung von Waffenbesitz ist ein sehr sensibles Thema in den Staaten. Und in den sozialen Netzwerken war der Aufschrei groß. Deshalb dachten einige Sponsoren, sie müssen reagieren und ein Zeichen setzen.
Wann können wir das nächste „richtige“ Album von MAD CADDIES erwarten?
Schon bald. Wir haben bereits eine ganze Reihe Songs aufgenommen. Einige mehr sind schon geschrieben. Und wir haben auch ein paar Ideen, wie wir die neue Musik veröffentlichen wollen. Das wäre alles schon viel früher passiert, wenn dieses Coveralbum nicht dazwischengekommen wäre. Wir haben unsere eigenen Songs für diese Zeit auf Eis gelegt und uns erst mal auf dieses Projekt konzentriert. Und jetzt spielen wir einige Konzerte dazu in Europa und in den Staaten. Aber im September oder Oktober, wenn die Toursaison vorbei ist, werden wir wieder ins Studio gehen und uns auf unsere eigenen Sachen konzentrieren. Irgendwann 2019 ist es dann soweit.
Hatte das Coveralbum Einfluss auf das Songwriting der neuen MAD CADDIES-Songs? Habt ihr dabei Sachen für euch neu entdeckt?
Auf jeden Fall. Dieses Projekt hat uns dazu gebracht, alles auch einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich glaube nicht, dass wir unseren Sound jetzt komplett umkrempeln werden, aber unser Umgang mit Akkorden oder Aufnahmen im Studio wird sich wohl verändern. Wenn man die Musik anderer Künstler in ihre Einzelteile zerlegt, beeinflusst das auch die Struktur deiner eigenen Musik. Jedes unserer Projekte beeinflusst das nächste auf eine gewisse Weise.
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