MAD CADDIES

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Peace, Love and Respect

Nach ihrem Ska-Punk-Reggae Coveralbum „Punk Rocksteady“ von 2018 war es lange sehr ruhig geworden um die Kalifornier MAD CADDIES. Viele Spekulationen machten die Runde, gerade nachdem seit 2022 nur noch Sänger Chuck Robertson als einziges Mitglied der Originalbesetzung übrig ist. Schwierige Zeiten also, die die mittlerweile wieder zum Sextett angewachsene Band durchstehen musste. Doch es hat sich gelohnt, denn mit ihrem neuen Album „Arrows Room 117“ holen sie zum Befreiungsschlag aus und erfinden sich wieder einmal völlig neu, wie uns Chuck im Gespräch verrät.

Chuck, euer letztes Album „Punk Rocksteady“ wurde vor sechs Jahren veröffentlicht. Dann kam die Pandemie, es gab einige Besetzungswechsel und so weiter. Wie bist du mit dieser schwierigen Zeit umgegangen?

Ja, die Zeit vergeht einfach so wahnsinnig schnell. „Punk Rocksteady“ war ein Projekt, das Mike von Fat Wreck Chords schon seit langem mit uns umsetzen wollte – ein Ska-Reggae-Coveralbum mit Punkrock-Klassikern. Es hat großen Spaß gemacht, daran zu arbeiten, obwohl es eine echte Herausforderung war, mit Mike darüber zu diskutieren, welche Songs wir aufnehmen sollten. Sie waren einfach alle viel zu gut. Aber letztlich bin ich wirklich stolz auf das Album und ich denke, es sind ein paar richtig tolle Songs darauf. Dann kam die Pandemie und alles lag still. Ich verzog mich in den Holzschuppen in meinem Dorf und fing an, neue Songs zu schreiben. Im Laufe der Zeit hatte ich über hundert Lieder fertig, veröffentlichte anschließend meine Soloplatte, schrieb eine weitere und nahm sie auf. Dann habe ich mich direkt mit dem neuen MAD CADDIES-Album beschäftigt. Und wie du ja bereits sagtest, kam es mit der Pandemie auch zu einigen Besetzungswechseln. Die Leute haben sich in ihrem Leben anderen Dingen zugewandt. Klar, das war schon alles sehr hart und geht nicht spurlos an einem vorüber. Umso mehr freue ich mich nun darüber, dass ich diese Lieder jetzt endlich veröffentlichen kann.

Das klingt ja nach einem regelrechten Kreativitätsschub!
Genauso ist es! Irgendwie habe ich es tatsächlich geschafft, die Zeit der Pandemie sinnvoll zu nutzen und kreativ zu sein. Ich habe einfach immer weitergearbeitet und war, was das Songwriting angeht, produktiver als jemals zuvor in meinem ganzen Leben. Ich schätze, das war die richtige Form der Therapie während dieser sonst so beschissenen Zeit. Weißt du, ich habe mich außerdem auch mit einigen Vätern von Klassenkameraden meines Sohnes zusammengetan, die im Baugewerbe tätig sind und somit nicht von den Schließungen und Lockdowns betroffen waren. Wir haben jeden Nachmittag zusammen Musik gemacht und an den Wochenenden haben wir draußen im Hof vor achtzig oder hudert Leuten gespielt. Es war wie eine Buddelparty, zu der einfach jeder kommen und seine Sachen mitbringen konnte. So hielten wir die Musik während dieser dunklen Zeit am Leben.

Wie schaffst du den Spagat zwischen Musikgeschäft und Familienzeit? Und interessiert sich dein Sohn für das, was du beruflich tust?
Mein Sohn Charlie ist fast neun Jahre alt und er bekam mit zwei Jahren bereits sein erstes Schlagzeug geschenkt. Er spielt nebenbei auch Gitarre und Keyboard, ist also ziemlich musikalisch unterwegs. Das macht mich sehr glücklich und ich bin ein stolzer Vater. Umso schwererer ist es, von ihm getrennt zu sein. Wenn ich auf Tour bin, sehe ich ihn manchmal zwei Monate lang nicht. Das ist schon sehr hart. Aber Charlie ist stolz auf das, was sein Vater macht, und seine Lieblingsbands sind NIRVANA, RISE AGAINST und MAD CADDIES. Wie du dir vorstellen kannst, bin ich ziemlich begeistert von seinen Top 3, haha.

Euer neues Album heißt „Arrows Room 117“. Der Titeltrack ist ein wunderbar melodischer, bluesiger Song. Wovon handelt er und inwieweit steht er für das übergreifende Thema des gesamten Albums?
„Arrows room 117“ basiert auf einer wahren Geschichte. Ich war vor ein paar Jahren auf der langen Reise zu meinem Sohn in Nordkalifornien. Dabei übernachtete ich jedesmal in einem Motel namens Foothills, wo ich immer die Zimmernummer 117 bekomme. Genau dort schrieb ich dieses Lied und es handelt vom Leben in einer typischen amerikanischen Kleinstadt. Jeder beobachtet dich dort und jeder versucht, dich zu beurteilen, beziehungsweise einen Pfeil durch dich hindurch zu schießen. Mit diesem Song will ich sagen: Ich bin schnell wie ein Fuchs und werde mich in den Hügeln verstecken. Ich kann zu schnell rennen, du kannst mich nicht finden und du kannst mich auch nicht verletzen. Das ist also die Grundstimmung dieses Songs. Es geht darum, von engstirnigen Leuten in einer Kleinstadt angegriffen zu werden, nur weil alle total gelangweilt sind und nichts Besseres zu tun haben. Und das lässt sich meiner Meinung nach am besten in einer bluesigen Rock-Nummer verpacken.

Irgendwie gelingt es MAD CADDIES, sich auf jedem Album neu zu erfinden – so auch bei „Arrows Room 117“, das sehr ruhig und rockig klingt und weit vom anfänglichen Ska-Punk entfernt ist.
Vielen Dank für das Kompliment. Wir wollen nie zweimal die gleiche Platte machen. Dies war nur eine weitere Entwicklung der Musik, die ich in meinem ganzen Leben genossen habe, ein Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Es ist einfach ein Ausdruck der letzten paar Jahre.

Hast du auch das Gefühl, dass du immer weiter in die Vergangenheit der Musikgeschichte zurückgehst, je länger du dich mit Musik beschäftigst?
Auf jeden Fall, das trifft den Nagel auf den Kopf! Gerade in den vergangenen fünf bis sechs Jahren habe ich viel neue Musik gehört und solch fantastische Interpreten wie Charley Crockett, Sturgill Simpson, Zach Bryan, Tyler Childers, oder Chris Stapleton entdeckt. Diese großartigen Sänger schreiben ihre eigenen Songs, singen direkt aus dem Herzen und erzählen wahre Geschichten, mit denen wir uns alle identifizieren können. Ich finde das wunderschön und es hat mich beim Schreiben meiner neuen Musik stark inspiriert. Ich habe immer den Anspruch, etwas Neues zu schaffen, also hieß es dieses Mal: Lasst uns ein Akkordeon einbauen, lasst uns wirklich einmal den Fokus auf die Percussions legen und ein Auge für die Details und all die schönen Dinge haben, die im Hintergrund passieren. Dinge, die die Leute gar nicht bemerken, wenn sie es hören. Und gerade deshalb war es für uns alle eine so großartige Erfahrung, diese Platte aufzunehmen.

Und wie verlief der Aufnahmeprozess? Habt ihr etwas ganz anders gemacht als sonst?
Ja, in der Tat waren die Aufnahmen und auch die Instrumentierung diesmal ein wenig anders. Wir sind nach Orange County gefahren und haben das Album in zwei, drei Sessions im Studio aufgenommen. Insgesamt also ziemlich klassisch und oldschool. Wir haben mit Schlagzeug, Bass, Gitarre und Live-Musik angefangen und haben von da aus weitergearbeitet. Später haben wir uns vor allem auf weitere Percussions konzentriert und viel mit Klavier, Orgel und Akkordeon experimentiert, was dem Album auch diese neue Note verpasst, von der du eben sprachst. Es war einfach an der Zeit für einen neuen MAD CADDIES-Sound, und wir hoffen sehr, dass er unseren Fans genauso gut gefällt wie uns. So etwas macht immer am meisten Spaß, es ist wie die Kirsche auf die Sahnetorte zu setzen.

Mit Sean Sellers von GOOD RIDDANCE sowie Brandon Landelius von AUTHORITY ZERO konntest du einige sehr erfahrene Leute in das neue Line-up holen. Waren sie auch am Songwriting beteiligt?
Ich habe das Gefühl, dass ich im Moment der glücklichste Mensch auf Erden bin. Ich darf die Bühne mit Sean, Brandon, John, Jason, Stefan, Nico und all den anderen Jungs teilen. Es ist unglaublich, mit diesen großartigen Musikern gemeinsam zu spielen. Ich kenne sie alle fast schon seit zwanzig Jahren, mit Sean bin ich sogar seit über dreißig Jahren befreundet. Wir sind wie eine Familie und lieben, was wir tun. Genau das ist es, was im Moment wirklich Spaß macht. Jeder von uns hat seinen Beitrag zum Album geleistet. Wir haben im Studio perfekt zusammengearbeitet und jeder war an den Arrangements beteiligt. Es war dieses Mal ein sehr erfrischender und vollkommen authentischer Songwritingprozess. Ich bin so dankbar, dass ich mit diesen Jungs abrocken darf!

Das neue Album wird in Europa auf Sbäm Records erscheinen, die sich in den letzten Jahren einen großen Bekanntheitsgrad erarbeitet haben. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Die Beziehung zu Sbäm hat sich eigentlich ganz natürlich ergeben. Wir arbeiten schon seit einer Weile mit Stefan zusammen – er hatte bereits früher schon für uns Artworks gemacht und viele Shows in Österreich organisiert. Mit dem neuen Album war dann einfach die Zeit für Veränderung gekommen. Unsere ganze Karriere haben wir bislang auf Fat Wreck Chords verbracht und wollten einfach mal etwas Neues ausprobieren, also sind wir gespannt, wohin uns die Reise führen wird.

Nun stehen bereits viele Konzerte auf dem Programm und ihr kommt auch wieder nach Europa. Was bedeutet das Unterwegssein für dich?
Auf Tour zu gehen und Konzerte zu spielen ist buchstäblich das Einzige, was ich kenne. Außer ein Freund und ein Vater zu sein, kenne ich nichts anderes. Wenn ich zu Hause bin, weiß ich echt nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich suche dann nach coolen Steinen, Walknochen und Pfeilspitzen, ich hacke Holz und arbeite im Garten. Aber ich wurde auf diesen Planeten geschickt, um Musik zu machen. Das ist alles, was ich kann, und ich liebe es, auf Tour zu gehen, Konzerte zu spielen und mit den Fans in Kontakt zu kommen. Erst so fühle ich mich vollständig und es macht mich zu dem, was ich bin, und ich würde wirklich niemals tauschen wollen.

Und wie hat sich das Touren im Laufe der Zeit verändert? Viele Bands berichten ja von schwierigen Umständen aufgrund horrender Kosten und auch einer gewissen Zurückhaltung des Publikums nach der Pandemie?
Ich möchte und muss diese Frage sehr vorsichtig beantworten. Ich habe am Anfang viel Kritik einstecken müssen, weil ich etwas anderer Meinung war als viele Leute, aber ich habe dennoch eine sehr, sehr starke Überzeugung. Weißt du, ich möchte einfach nicht an negative Dinge glauben. Mittlerweile bin ich auf Tour beziehungsweise auf Reisen fünf Mal an COVID 19 erkrankt. Für mich persönlich ist es eine Erkrankung wie jede andere. Ich denke mir immer, ich reiße mich einfach zusammen, gehe nach Draußen, tanke ein wenig Sonne und kümmere nur um mich selbst. Aber ich möchte nicht in Angst leben. Mein persönliches Credo lautet daher: Teile alle Joints, küsse alle Mädchen, sei gut zu deinen Mitmenschen und umarme sie. Liebe ist echt, Liebe gewinnt, und Liebe ist bedingungslos. Deshalb wurden wir auf diese Erde geschickt – um zu lieben. Aber das ist einfach nur meine ganz individuelle Sichtweise.

Hast du im Moment noch andere Projekte neben MAD CADDIES?
Nun, ich habe ja immer noch mein Solomaterial. Ein weiteres Album, das ich bereits vor zwei Jahren aufgenommen habe, möchte ich unbedingt noch veröffentlichen. Daneben habe ich im Moment sehr viel Spaß daran, Songs für andere Leute zu schreiben und zu produzieren. Neben MAD CADDIES liegt hierauf also auch mein Fokus. Und, hey, ich kann es natürlich gar nicht erwarten, „Arrows Room 117“ zu veröffentlichen und dann gleich noch ein weiteres Caddies-Album aufzunehmen. Songs habe ich ja bereits genug auf Halde. Wir sind hier, um Frieden, Liebe, Respekt und fröhliche Musik zu verbreiten.

Zum Schluss noch die Frage nach deiner allerersten Rockplatte und dem Album, das dich musikalisch am meisten geprägt hat?
Mein allererstes richtiges Rock-Album war wahrscheinlich „Kill ’Em All“ von METALLICA. Ich glaube, mein Cousin hat es mir damals geschenkt, als ich etwa neun oder zehn Jahre alt war. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich mit Lego und meinen kleinen Autos gespielt habe und dabei METALLICA lief. Irgendwie habe ich das damals mit klassischer Musik gleichgesetzt, weil es für mich in diesem jungen Alter einfach umwerfend war. Das Album, das mich am meisten geprägt und beeinflusst hat? Puh, das ist eine wirklich schwierige Frage und ich weiß echt nicht, ob ich jetzt ehrlich sein soll, haha. Na ja, auch wenn es wie ein Klischee klingt, ist das wohl „40oz. To Freedom“ von SUBLIME. Ich meine, das war so etwas wie die Platte meiner Generation, die die Grenzen von Reggae, Ska, Punk und so weiter völlig durchbrochen hat. So, jetzt ist es raus.