JUD

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Neues altes Hochgefühl

Wer kennt sie nicht, diese Platten, die man früher rauf und runter gehört hat? Trotz aller schönen Erinnerung rutschen sie nach einiger Zeit immer mehr nach hinten ins Regals, und da braucht es schon einen besonderen Anlass, um sie mal wieder hervorzukramen. JUD zum Beispiel haben 1998 mit „Chasing California“ eines der wichtigsten Alben meiner Jugend veröffentlicht, acht Jahre Pause haben aber dafür gesorgt, dass ich das glatt vergessen habe. Und plötzlich ist „Sufferboy“ da, der besondere Anlass. Schon die ersten Töne des neuen Albums wecken schlagartig das vertraute Gefühl, und noch bevor man es ganz gehört hat, weiß man, dass dies ein neues Schätzchen wird. Schöner Nebeneffekt: auch das alte Album knallt wieder so wie früher. David Judson Clemmons, umtriebiger Tausendsassa aus L.A. und Berlin, ist für oben genannte Alben verantwortlich und beantwortete per E-Mail meine Fragen. Noch eine kurze Richtigstellung: In der Rezension zum Album habe ich behauptet, das Artwork sei misslungen. Das ist falsch. Auf den ersten Blick wirkt das Teufelsmotiv wie billige Photoshop-Bastelei, in Wirklichkeit handelt es sich aber um Fotografien von eindrucksvollen Skulpturen einer Künstlerin aus Karlsruhe. Sorry, Kassandra, sorry, David.

David, ist es eigentlich okay für dich, dass dieses Interview via E-Mail stattfindet? Auf deiner MySpace-Seite forderst du die Leute auf, lieber rauszugehen und was zu erleben. Das ist ja schon eine gewisse Verweigerungshaltung ...


Ja, es ist völlig okay. Ich bin ja auch oft online. Meine Meinung ist nur, wenn das Internet Zeit spart und dir weiterhilft, dann ist es in Ordnung. Wenn du andererseits nur blöd rumsurfst und in irgendwelchen Networks Freunde stapelst, dann ist es ungesund. Das Leben ist Fleisch, Luft, Schmutz, nicht elektronischer Schnickschnack. Ja, das ist in der Tat Verweigerung.

Warum hast du denn dann überhaupt eine MySpace-Seite eingerichtet? Du akzeptierst ja nicht einmal Kommentare und Freundanfragen ...

Die Leute sollen ja die Musik hören können, mehr ist allerdings Verschwendung von Leben und Energie. Irgendwann werden das alle einsehen, auch wenn es jetzt total Mode ist. Weißt du, ich spiele seit den Siebzigern in Bars, und ich habe eine Menge Trends kommen und gehen sehen. Ich verschwende mit derlei Dingen nicht meine Zeit.

Warum hast du deine Heimat verlassen und bist nach Berlin gezogen?

Ich brauche zwar meine Ruhe, aber auch eine Stadt um mich herum, in der ich mich wohl fühle. Am liebsten würde ich mit meiner Familie auf dem Land wohnen, an einem Fluss, in einem Haus, das ich mit meinen eigenen Händen aufgebaut habe. Träume halt ... Berlin ist eine wunderbare Stadt, allein schon weil viele gute Freunde hier wohnen. Und man braucht kein Auto. Nach Los Angeles und ein paar schlechten Nachrichten über die Ölpreise bin ich froh, dass ich kein großer Benzinkonsument mehr bin. Meistens laufe ich oder fahre Rad, manchmal sogar zu Konzerten. Das war eine gute Entscheidung, finde ich. Ich bin so stolz auf mich, dass ich das so durchgezogen habe. Ich hoffe, Berlin bleibt so, bewahrt sich seine Schönheit und lässt nicht zu viele amerikanische Einflüsse zu. Ich habe natürlich einen anderen Blick auf die Stadt. Wenn ich hier aufgewachsen wäre, würde ich die Dinge womöglich anders sehen.

Sprichst du mittlerweile auch Deutsch?

Kommt drauf an, wen du fragst, denke ich. Deutsch ist für Amerikaner eine sehr schwere Sprache, aber es wird besser. Noch ein paar Jahre und vielleicht I could sing some Schlager.

In den letzten Jahren warst du solo und mit FULLBLISS unterwegs, warum hast du JUD gerade jetzt reaktiviert?

Meine Seele bestimmt über mich. Die Musik zeigt mir den Weg und ich bin nur das Fahrzeug.

Hat deine Solokarriere irgendeinen Einfluss auf die Musik gehabt, die du jetzt wieder mit JUD spielst?

Ich habe eine Art von Respekt erhalten, den ich früher nicht bekommen habe – als ein Schreiber meiner eigenen Art von Musik. Wenn man viele Konzerte spielt, dann lernt man eine Menge: übers Singen, übers Spielen, darüber, wie eine Show besser läuft. Der ganze Prozess ist besser geworden, weil ich in den letzten Jahren so viel gemacht habe. Außerdem habe ich gerne mehrere Möglichkeiten, Kunst zu machen. Das passt zu mir.

Mit deinen verschiedenen Bands hast du in letzter Zeit vornehmlich in Deutschland, genauer gesagt in Berlin, und in den USA gespielt. Wie sieht es denn in den anderen Ländern der Welt aus?

Die Zeit ist das Problem. Ich habe keine Zeit für die ganze Welt. Über Mailorder verkaufen wir aber trotzdem überallhin, „Sufferboy“ kommt auch in Kanada und in weiten Teilen Europas raus. Vielleicht sogar Japan. Aber es braucht halt Aufmerksamkeit. Die Leute müssen eben ein bisschen suchen, wenn sie gute Kunst finden wollen.

Du hast dir neue Musiker gesucht, was ist denn aus deinen alten Mitstreitern von JUD geworden?

Wirklich neu ist nur Jan, der aber viele Jahre schon Bassist bei FULLBLISS war. James Schmidt hat auf „Chasing California“ Schlagzeug gespielt und auch ein paar Konzerte übernommen, als Hoss nicht konnte. Hoss und Steve, die früheren Weggefährten, sind heute meine besten Kumpels. Sie leben noch in L.A., aber ich bin ständig in Kontakt mit ihnen. Sie unterstützen das neue Album zu hundert Prozent.