Black und Death Metal werden oft für besonders krasse Musikstile gehalten, doch die diesbezügliche Königsdisziplin ist Grindcore – gerne in Verbindung mit eingangs genannten. FULL OF HELL beweisen das mit ihrem soeben auf Relapse erschienen Album „Garden Of Burning Apparitions“. Sänger Dylan Walker antwortete so kurz und knackig, wie es die Stücke seiner Band sind.
Euch gibt es ja schon eine ganze Weile, aber dies ist euer erstes Interview im Ox. Also stell dich und die Band bitte mal vor ...
Mein Name ist Dylan und ich singe bei FULL OF HELL. Wir kommen von der Ostküste der USA und uns gibt es schon seit etwa zwölf Jahren. Wir spielen gewissermaßen eine Mischung aus all den Sounds, die wir gerne hören: Hardcore, Death Metal, Grindcore, Noiserock, Punk, Noise und so weiter. Wir machen, was wir wollen.
In einer früheren Ausgabe des Ox haben wir eure Musik beschrieben als „Überschall-Ultrakomplex-Grindcore, erweitert mit experimentellen Noise-Momenten“. Wie würdest du euren Sound in Worte fassen?
Das ist eine sehr schmeichelhafte Beschreibung, haha. Ich danke euch. Wir machen uns generell nicht die Mühe, unseren Sound zu beschreiben, weil es keine richtige Antwort zu geben scheint. Kein Stil passt wirklich und ich glaube, das wirkt bisweilen polarisierend. Wenn mein Nachbar fragt, sage ich ihm, wir spielen „extremen Metal“, haha.
Was „extrem“ ist, ist ja ziemlich subjektiv. Wie definierst du „extrem“ im musikalischen und allgemeineren Sinne?
Darüber habe ich erst kürzlich mit einem Freund gesprochen. Wir kamen zu dem Schluss, dass die Welt extreme Musik oft als laut, heavy, noisy und schnell ansieht, während ich glaube, dass „extrem“ eher die absolute Konzentration auf einen bestimmten Weg oder Sound beschreibt. Er kann extrem sein in seiner Sparsamkeit, in seiner Dichte, in seiner Melodie ... Das Extreme beruht auf Absicht und Fokus.
Offensichtlich lebt ihr fürs Veröffentlichen, es gibt haufenweise 7“s, Split-7“s, Alben, Split-Alben ... Wie schreibt und nehmt ihr auf, dass ihr so viel Material veröffentlichen könnt?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich darauf eine Antwort habe. So sind wir nun mal und so arbeiten wir. Die Leute haben in der Vergangenheit gefordert, wir sollten weniger Musik veröffentlichen, aber wir sehen keinen Sinn darin. Wir sind nur für eine begrenzte Zeit hier und das ist es, was wir gerne tun. Wenn uns die Ideen ausgehen, werden wir aufhören. Bis dahin sind wir voll dabei.
Und wie wählt ihr eure Labels und Split-Release-Partner aus?
Wir versuchen einfach, mit Leuten zu arbeiten, die wir auf künstlerischer oder freundschaftlicher Ebene schätzen. Es gibt über die Jahre immer wieder Ausnahmen, aber das ist die allgemeine Faustregel.
Ein Song wie „Non-atomism“ ist wahrscheinlich der Albtraum eines jeden Hi-End-Stereoanlagen-Freaks. Was ist deine Definition von „gutem Sound“ oder „guter Produktion“?
Ich denke, ob eine Produktion gut ist, hängt auch davon ab, was die Absicht dahinter ist. Man kann die Absicht des Toningenieurs in der Mischung hören. Manchmal ist der Mix so LoFi, dass er ungewollt rauh klingt, was auch sehr cool sein kann, aber bei einem Track wie „Non-atomism“ ist der Klang genau so beabsichtigt. Ich mag es, wenn ein Song weniger noisy ist, ich möchte die Instrumente atmen hören. Alles hat Platz und ist gut ausbalanciert.
Der Albumtitel ist „Garden Of Burning Apparitions“ – gibt es eine Geschichte dahinter? Die Westküste der USA brennt ...
Ich hatte einen Traum, in dem ein Engel in den Garten der Menschheit hinabstieg, um mich zu führen. Der Garten wehrte sich heftig gegen das Ende, aber er ging trotzdem unter.
Wie seid ihr mit der Corona-Pandemie umgegangen, ihr persönlich und als Band? Ich meine, im Singer/Songwriter-Bereich waren zumindest akustische Shows in den Biergärten der Clubs möglich. Schwer vorstellbar in eurem Fall ...
Es war schwierig als Musiker. Es gab zwischendurch definitiv Momente der Hoffnungslosigkeit und des Zweifels, aber bestärkte uns auch darin, dass es für uns keine wirkliche Alternative im Leben gibt. Es war ein wichtiger Moment der Erkenntnis für uns, weil so vieles weggefallen ist – aber wir trotzdem dabeigeblieben sind.
Kannst du uns bitte etwas über den Hintergrund einiger Songs erzählen? Zum Beispiel zu „Industrial Messiah complex“ ...
„Industrial Messiah complex“ handelt von der Kommerzialisierung der Spiritualität. Das „Sword of Damocles“ bezieht sich auf den bevorstehenden Untergang der Mächtigen, insbesondere derjenigen, die diese Macht missbrauchen. „Amongst these old wolds, a curdling ember thirsts for bloodied ends“ ist eine Anspielung auf die leidende Bevölkerung, die sich in ihrer letzten Stunde gegen den spirituellen Führer wendet. Es gibt Referenzen auf „fragmentierte Realitäten“ und „fabrizierte Träume“, womit ich den Zustand der modernen Welt beschreibe, in der uns Falschinformationen und Lügen als absolute Wahrheit verkauft werden.
Religion scheint ein Thema zu sein, das für dich von Anfang an wichtig war. Warum ist das so? Und wie gehst du persönlich damit um, in der Familie, mit Freunden, mit Kollegen?
Ich denke, die menschliche Spiritualität kann eine wunderbare Sache sein. Sie wird aber oft ausgenutzt und für andere Zwecke missbraucht. Ich hatte schon immer so etwas wie eine durch die Abwesenheit von Gott verursachte Leere in mir. Mit der Band kann ich nun meiner Verachtung gegenüber menschlichen Institutionen und meinem eigenen Schmerz aufgrund unbeantworteter Fragen und eines Gefühls innerer Leere Ausdruck verleihen.
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