„Garden Of Burning Apparitions“ ist das fünfte Album der Band aus Maryland und Pennsylvania. Doch darüber sprechen wir mit Sänger Dylan Walker nicht. Ein Austausch über Selbstwahrnehmung.
Hallo Dylan, ich würde gerne mit einer eher umweltkonventionellen Frage einsteigen. Wenn ich mir eure Geschichte und andere Bands um euch herum anschaue, bin ich auf die Theorie gekommen, dass es zwei Typen von Bands gibt: die einen, die glauben, dass ihnen das nicht zusteht, was sie aktuell erleben, und die anderen, die ihren aktuellen Status total unterbewertet finden. Was sagst du dazu?
Diese beiden Typen existieren auf jeden Fall. Es gibt aber nicht nur diese zwei Kategorien. Ich würde sagen, dass ich manchmal unter dem Hochstapler-Syndrom leide. Wie viele meiner Freunde. Das ist ein normales Gefühl, vielleicht nicht gut, aber zu einem gewissen Grad wohltuend. Du musst meiner Meinung nach immer bodenständig bleiben. Denn du bist im Großen und Ganzen total unwichtig. Keine unserer Bands ist wirklich wichtig. Es gibt da draußen aber natürlich auch sehr viele Leute, die meinen, dass ihnen mehr gebührt. Das ist auch okay. Wie bei allem in der Welt gibt es hier nicht nur Schwarz und Weiß. Ich persönlich mag es aber, wenn ich Leute treffe, die auch nicht so wirklich wissen, wie sie hierher gekommen sind. Das ist erfrischend und beruhigend, weil es mir zeigt, dass ich mit diesen Gedanken nicht alleine bin. Manchmal sind meine Gefühle in diese Richtung sehr stark und ich bekomme schon fast Panik. Ich denke mir dann: What the fuck?! Denn da draußen gibt es so viele Bands, die nicht die gleiche Anerkennung bekommen wie wir. Die gründeten sich gleichzeitig mit uns, schrieben Musik, die mich zu Tränen rührte, und lösten sich dann wieder auf. Die konnten nie eine größere Zuhörerschaft erreichen, keiner kennt sie. Aber so spielt das Leben nun manchmal. Aber um deine Frage zu beantworten: Diese beiden Typen gibt es, aber dazwischen noch viel mehr.
Genau, ich denke auch, dass zwischen diesen beiden Extremen noch viele Graustufen existieren.
Mit Sicherheit. Aber diese Extreme gibt es. Manchmal sind wir schon auf Bands getroffen, die sich total berufen gefühlt haben. Da denkt man sich auch seinen Teil. Die können vielleicht im ersten Moment cool wirken, langfristig stößt mich dieser Charakterzug jedoch ab. Wenn ich merke, dass wir uns in diese Richtung bewegen, versuche ich das auszubremsen. Vielleicht liege ich falsch und es gibt da draußen Menschen, die meinen, wir wären Arschlöcher, aber wir versuchen uns als die normalen, langweiligen Typen zu geben, die wir am Ende auch sind.
Ein paar langweilige Jungs, die Death-Grind mit Noise-Einflüssen spielen.
Genau. Als ich jünger war, war ich oft auf Konzerten von Bands, die ich hochstilisiert und als Idole betrachtet habe. Das sollte man wahrscheinlich nicht machen, weil es einen nur enttäuschen kann. Ich habe mich jedenfalls mit einigen von ihnen unterhalten und war ziemlich oft davon überrascht und fast schon weggeblasen, dass sie einfach ganz normale Typen waren, die mich normal behandelt haben. Der eine war ein Vater, ein anderer hatte die gleichen Ängste wie ich und so weiter. Wenn du aufhörst, Musik zu romantisieren, wird dir das klar. Ich denke, es ist cool, das zu wissen.
Das kommt aber auch immer auf die Bands an, mit denen du aufgewachsen bist. Wenn deine Bands damals KISS, IRON MAIDEN oder W.A.S.P. waren, die waren schon sehr mystisch.
Genau, die waren larger than life. Aber ich weiß nicht, ob das heute noch so ist. FULL OF HELL hätte es nicht gebraucht. Wir wollten aber Musik veröffentlichen und haben da viel Arbeit reingesteckt. Wir haben es so erzwungen. Es gab aber kein Vakuum, das wir unbedingt haben füllen müssen. Heutzutage ist unser Weg aber möglich. Das hat sich verändert. Jeder bekommt seine Chance, jeder kann es mit Hilfe der unterschiedlichen Veröffentlichungswege schaffen. Die Mystik, die einen Robert Plant oder einen Jimi Hendrix umgaben, gibt es sicher auch noch. Jeder wirkt aber menschlicher, jeder ist etwa durch Social Media erreichbar. Das finde ich gut.
Hat sich deine Sicht auf FULL OF HELL oder der allgemeine Blick auf deine Kunst durch die Pandemie geändert?
Ich würde sagen, dass die Pandemie in gewisser Weise demütigt gemacht, gleichzeitig aber das gesamte Leben auf den Kopf gestellt hat. Ich hatte immer Angst davor, wie das Leben ohne Touren aussehen würde. Wir waren ja quasi zehn Jahre konstant auf Achse. Ich kannte keinen Alltag außerhalb der Band mehr. Als alles zum Stillstand gekommen und der erste Schock überwunden war, dämmerte mir, wie großartig das alles ist und wie sehr ich es wertschätzen muss. Ich konnte mich so darauf konzentrieren, andere Aspekte der Band anzugehen, und hat mir auch gezeigt, dass ich es außerhalb des Tourzyklus total liebe, neue Platten zu machen und mich mit meinen Kollegen in der Band zu unterhalten. Dieses Wochenende fangen wir zum Beispiel wieder an zu proben. Darauf freue ich mich. Die Pandemie hat die Magie in gewisser Weise wieder zurückgebracht, mir gezeigt, dass ich alles genießen sollte.
Du hast während dieser Zeit ja auch einige neue Projekte angefangen. Kannst du mir erklären, warum die Musik von SORE DREAM nicht zu FULL OF HELL passt. Dort hantiert ihr auch mit Noisetracks, auf dem kommenden Album sind derer drei.
Ich weiß, dass die Bands sich in einem ähnlichen Spektrum bewegen, für uns fühlen sie sich jedoch total unterschiedlich an. Die Perspektive von SORE DREAM auf Noise und wie Spencer und ich die Musik angehen, unterscheidet sich fundamental von FULL OF HELL. Die Einflüsse, denen wir folgen, sind komplett andere. Die sind eher auf der rhythmischen Seite des Noise, eher Richtung WOLF EYES. Wir hatten uns schon lange vorgenommen, solch ein Projekt zu starten. Ich habe außerdem aktuell noch eines in Richtung Bass und Schlagzeug, Powerviolence in Planung. Auch das hat Noise-Elemente. Für viele wird es wie FULL OF HELL klingen. Vielleicht betreibe ich hier aber auch Erbsenzählerei.
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