In gewohnt leidenschaftlicher Manier melden sich DIE DORKS mit dem Doppelalbum „Die Maschine von morgen“ zurück. Obwohl es erst mal keine Aussicht auf Konzerte und Festivals gibt, wird bei der bayrischen Metalpunk-Band ordentlich rangeklotzt. Auch nach 15 Jahren Bandgeschichte gibt es noch neue Lieder zu singen und genügend Geschichten zu erzählen. Frontfrau Lizal trifft mit ihren kritischen Analysen den Nagel auf den Kopf, wenn sie der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Sie nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und bleibt ganz bodenständig, auch bei Themen wie Sexismus im Punk.
Lizal, ihr habt endlich ein neues Album am Start. Seit 2018 ist natürlich einiges passiert und es gab viele Veränderungen. Auch bei euch in der Band, wie ich sehe ...
Wie der eine oder die andere sicher mitbekommen hat, entstand unsere neue Platte in ganz frischer Besetzung. Neu in der illustren DORKS-Runde sind Pät Durango an der zweiten Gitarre und Mark von Elend am Bass. Mark spielte in der Vergangenheit bereits in unterschiedlichen Bands, etwa bei MISSBRAUCH oder ESCHENBACH. Und auch das vielen noch präsente Projekt POLKAHONTAS war seine Idee. Pät wirkte vorher in vielen Punk- und Metalbands im Raum München mit, beispielsweise Ende der Achtziger in der Punkrock-Band DURANGOS. Zusammen haben wir nun unsere erste gemeinsame Platte gemacht und können es kaum noch erwarten, endlich wieder auf einer Bühne zu stehen. Das Schreiben der neuen Songs und der gemeinsame kompositorische Prozess auf Augenhöhe hat unglaublich viel Spaß gemacht. Für mich ist die Platte mein absolutes Herzensding. Die DORKS waren ja bisher bekannt für einen besonderen Gitarrensound und eine außergewöhnliche Stimme. Bei den neuen Songs haben wir jedoch genauso viel Augenmerk auf Bass und Schlagzeug gelegt, so dass „Die Maschine von morgen“ wirklich ein außergewöhnliches Gemeinschaftsprodukt aller Beteiligten geworden ist. Ich denke auch, dass sich unsere Hörerschaft mit der neuen Scheibe über den Deutschpunk-Horizont hinaus noch um einiges mehr auf den Metal- und Hardcore-Bereich erweitern wird und die eine oder andere Überraschung für neue und alte Fans bereithält.
„Die Maschine von morgen“ ist ein Doppelalbum. Hattet ihr so viele Ideen oder ist es eher als Konzeptalbum zu verstehen?
Dafür gibt es eine ganz natürliche Erklärung: Die meisten Nummern auf „Die Maschine von morgen“ sind sehr lang, so dass wir nicht alle Stücke auf eine Platte bekommen hätten. Es boten sich uns also zwei Möglichkeiten: Songs kürzen oder streichen. Beides wäre für uns nicht infrage gekommen, dafür steckt in allen Liedern zu viel gemeinsames Herzblut. Außerdem sitzen momentan ohnehin alle zu Hause rum, so dass man sowieso nicht genug Musik hören kann. Wir versorgen euch also bestens mit genug Spielzeit, bis die Konzerte wieder losgehen.
Wie gewohnt gibt es reichlich politische und soziale Kritik in euren Songs. In den jetzigen Zeiten, wo viele Menschen sich von der Bundesregierung wie auch der bayrischen Landesregierung im Stich gelassen fühlen und die Fronten sich verhärten, bestimmt nicht ganz einfach. Wir erleben, wie Freunde und Familienmitglieder sich in Verschwörungsschwurbler verwandeln und weniger zugänglich werden. Wenn man nicht aufpasst, wird man von diesen dubiosen Gruppierungen vereinnahmt und Texte/Lieder missbraucht. Wie geht es dir und deinen Kollegen damit?
Zum Glück haben wir noch nichts davon mitbekommen, dass irgendeinem Verschwörungsschwurbler eingefallen wäre, unsere Texte für seine Propaganda zu missbrauchen. Auf unserem neuen Album geht es diesmal textlich nicht nur politisch und sozialkritisch zur Sache, sondern auch selbstkritisch. Und genau diese Fähigkeit, sich selbst kritisch hinterfragen zu können, braucht man meines Erachtens mehr denn je in Zeiten einer Pandemie. Der Song „Ob ich morgen noch so bin?“ hat – leider – zufällig wie die Faust aufs Auge die aktuelle Situation getroffen, obwohl ich ihn, wie die meisten Texte der Platte, schon vor Ausbruch der Pandemie geschrieben hatte. Bin ich selbst stark genug, meinen moralischen Prinzipien treu zu bleiben, wenn sich mein Leben plötzlich aus irgendeinem Grund zum Negativen ändert? Oder mutiere ich zum ignoranten Arschloch, das plötzlich nur noch an sich denkt, weil es einmal zurückstecken muss? Dieses Virus hat einmal mehr aufgezeigt, dass die Menschheit einfach nur noch zum Kotzen ist. Ich bin sehr froh darüber, dass wir vier in diesen Zeiten wenigstens ausgiebig an neuen Liedern arbeiten konnten, um die ganze Scheiße einen Moment lang ausblenden zu können.
Mit dem letzten Album „Der Arsch auf deinem Plattenteller“ wurdet ihr Genre-übergreifend bekannt. Braucht es das eigentlich noch, so ein Genre?
Meine ersten Berührungspunkte mit Underground-Musik waren Punk und Metal gleichermaßen. Wie Lemmy einst zu sagen pflegte: „We are MOTÖRHEAD, and we play Rock’n’Roll!“ Es muss einfach rocken und dich mitreißen, und ich höre alles querbeet, vom melodischen Deutschpunk bis hin zum krassen Death Metal. Uns allen in der Band geht es da zum Glück sehr ähnlich und wir liegen musikalisch auf derselben Wellenlänge. Jeder von uns hat Berührungspunkte mit Punk, aber auch mit sämtlichen Metal- und Rockbands und wir machen uns beim Songschreiben keine Gedanken darüber, wie man das jetzt stilistisch definieren könnte. Ich denke, diese freie Herangehensweise war die Grundvoraussetzung dafür, dass wir nun zusammen dieses außergewöhnliche, unkonventionelle und abwechslungsreiche Album erschaffen konnten. Musik bietet eine der wenigen wunderbaren Möglichkeiten auf der Welt, sich wirklich frei fühlen zu können. Also engen wir uns doch bitte schön nicht auch noch hier ein.
Manchmal kann ein Genre dennoch hilfreich sein, sowohl für potenzielle Fans als auch für Musiker:innen selbst. Viele Bands geben dann Sachen an, wie zum Beispiel „Wir sind ein Mix aus TOXOPLASMA, frühem BAUHAUS-Sound und Neil Young“. Da läuft man Gefahr, ein billiger Abklatsch seiner Lieblingsband zu sein. Wie schmal ist der Grat zwischen Inspiration und peinlicher Imitation?
Künstlerische Inspiration durch andere Musiker:innen ist wichtig, um sich selbst weiterentwickeln zu können. So wie die Menschen verschieden sind, ist auch jede:r Musizierende anders und hat individuelle, interessante Techniken drauf. Ich finde das extrem spannend und es ist schön, immer wieder neue Spieltechniken und Herangehensweisen in der Musik zu entdecken und mir von anderen etwas abzuschauen. Das Erlernte kann ich wiederum in meinen kompositorischen Prozess einfließen lassen und auf meine individuelle Art und Weise versuchen, es umzusetzen. Sicher haben wir alle unsere Lieblingsbands und bei der einen oder anderen Nummer wird man in einem Riff auch erkennen können, was DIE DORKS privat so hören. Peinlich wird es meiner Meinung nach nur, wenn man bewusst versucht, den Stil einer bestimmten Band hundertprozentig zu kopieren, da kann man ja gleich eine Coverband gründen. Gerade wenn man singt, muss man versuchen herauszufinden, welche Eigenart die eigene Stimme hat. Es bringt nichts, da 1:1 einem Idol nachzueifern, weil die Stimme jedes Menschen ein Instrument mit Wiedererkennungswert und individuellen Stärken ist. Gitarrenriffs kann jeder nachspielen, aber eine Stimme kann man nicht kopieren, man sollte sich da nie zu stark verkünsteln.
Du stehst seit 15 Jahren auf der Bühne mit den DORKS und zwar als Sängerin und Gitarristin – eine waschechte Frontfrau im Punk und anscheinend so was wie eine Rarität. Das ist bestimmt nicht immer einfach, oder? Wie sind deine persönlichen Erfahrungen auf und hinter der Bühne?
Meine Erfahrungen in der Szene waren zum Glück nur vereinzelt negativer Natur. Das waren dann meist Begegnungen mit Personen/Bands, oft eher aus diesem unpolitischen und Oi!-Spektrum, die für mich definitiv keine Daseinsberechtigung und Anerkennung in der Punk-Szene verdient haben. Rumprollen im Backstage und Sprüche wie „Eure Sängerin, ist die noch zu ficken?“ erwartet man eigentlich eher vom geistig armen, alkoholisierten Pöbel auf dem Oktoberfest als auf Punk-Shows. Ein Fotograf hat mich außerdem mal gefragt, warum ich mich nicht „sexier“ gebe und mehr zurechtmache auf der Bühne. Er fände unsere Musik schon geil, aber ich müsste da schon an meinem Äußeren arbeiten, wenn wir bekannter werden wollten. Ich bin aber zum Glück schon immer so von meiner Sache und meiner Kunst überzeugt, dass ich mich nicht verstellen muss oder als jemand geben muss, der ich nicht bin, nur damit unsere Platten vielleicht ein blöd gesoffener, notgeiler Bauer mehr kauft. Ich bin sehr stolz, dass ich DIE DORKS mit meinen lieben neuen Bandkollegen als besondere Band repräsentieren kann, die durch inhaltsstarke Texte und unverwechselbare, geile Musik überzeugt und nicht mit Äußerlichkeiten.
In letzter Zeit häufen sich ja Meldungen über Sexismus im Punk. Sogar „Zündfunk“, das Szenemagazin vom Bayerischen Rundfunk, hat darüber berichtet. Egal ob Bands, Festivalveranstalter, Plattenlabels, ja sogar das Ox-Fanzine selbst musste sich bereits dieser Thematik stellen. Wie schätzt du das ein? Ist am Ende Punk doch nur ein Ding für weiße, heterosexuelle Cis-Männer?
Primär finde ich die Diskussion richtig, wichtig und lange überfällig. So sehr man es sich auch wünschen würde, dass es anders ist, aber auch die Punk-Szene ist nur ein Spiegel der Gesellschaft. Auch hier gibt es Sexismus, Rassismus und Diskriminierung. Dies mag vielleicht ein überraschender Vorwurf sein, aber wenn man erst mal verstanden hat, dass eine Aussage oder Handlung nicht immer einen schlechten Vorsatz haben muss, um rassistisch oder sexistisch zu sein, sondern dass auch vermeintlich „gut gemeinte“ Kommentare oder „Komplimente“ völlig daneben sein können, dann wird das hoffentlich deutlicher. Leider hört man zudem immer wieder von sexuellen Übergriffen auch auf Punk-Konzerten. Viele werden ja gelesen haben, was beispielsweise die Autorin Diana Ringelsiep zu berichten hatte. Es kann doch nicht sein, dass eine Frau auch noch auf einem Punk-Konzert Angst haben muss, angegrapscht zu werden. Wenn ich so was höre, dann macht mich das wütend, denn wir als Band verbringen sehr viel Zeit in der Szene und möchten mit solchen Arschlöchern bitte keinen Kontakt haben. Hier kann ich nur an jede:n Veranstalter:in appellieren, das Thema deutlich in den Vordergrund zu stellen und eine Null-Toleranz-Politik einzuführen. Wie überall sollte sich auch in unserer Subkultur jeder Mensch unabhängig von Geschlecht, Äußerlichkeiten oder sexuellen Orientierung sicher fühlen können. Wir von den DORKS fordern ein aktives Einschreiten aller Menschen im Publikum, wenn sie sehen, dass Männer körperliche oder verbale Gewalt gegenüber Frauen ausüben. Die meisten haben aber leider genau dann keinen Arsch in der Hose, wenn’s wirklich drauf ankommt.
Es sind also alle gefragt, mehr Zivilcourage zu zeigen. Ansonsten bleiben Männer stets die Täter, so wie Frauen in der Opferrolle verharren müssen. Warum sträubt sich die Punk-Szene dennoch, das Thema Sexismus zu benennen und anzugehen? Meistens gibt es entweder gar keine Kommentare oder Entschuldigungen, die gar keine sind.
Mit „keinen Arsch in der Hose haben, wenn’s drauf ankommt“ meine ich, dass die Menschen generell dazu neigen, lieber den Weg des geringsten Widerstandes anstatt den der Konfrontation zu gehen. So zumindest sind meine Erfahrungswerte. Nichts ist leichter, als zu sagen, dass man irgendwas nicht mitbekommen hat und schon zieht man sich – vermeintlich – aus der dringend notwendigen Verantwortung. Veranstalter sträuben sich, ihren Mund aufzumachen, weil sie Angst haben, weniger Eintritt kassieren zu können oder es sich mit befreundeten Bands zu verscherzen. Aber mit Passivität und Schweigen mache ich mich mitschuldig und stelle mich mit den Tätern auf dieselbe niederträchtige Stufe.
In der Doku „The True Story of Punk“ erzählt Viv Albertine, die frühere Gitarristin von THE SLITS, wie sie bei einem SEX PISTOLS-Konzert war und sich dachte, wenn der da auf einer Bühne stehen und Gitarre spielen kann, dann kann ich das auch. Joan Jett meint, dass nichts mehr Punk ist, als wenn Mädchen und Frauen in Bands sind und Rock’n’Roll und Punkrock spielen. Heute singt Sarah von der Band AKNE KID JOE im Lied „Sarah“, dass es für sie und für andere Frauen lange undenkbar war, selbst in einer Band zu sein. Was sind deine Gedanken zu dieser Diskrepanz?
Als ich mich damals dazu entschlossen habe, mir eine E-Gitarre zu kaufen, hatte ich einen Traum vor Augen: Ich wollte eine eigene Band gründen. Und das, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte, habe ich dann auch umgesetzt. Projekte habe ich immer schon gerne in die eigene Hand genommen und Zweifel, ob ich als Frau das machen kann, hatte ich nie. Allerdings ist das einfach einer meiner Charakterzüge, und man kann ja nicht davon ausgehen, dass es für jede andere Frau auch von vornherein denkbar ist, sich einfach ohne Hemmungen hinzustellen und zu sagen: Ich gründe jetzt ’ne Band! Vor allem dann nicht, wenn man in der Punk-Szene negative Erfahrungen gesammelt hat. Das Beispiel, das Sarah besingt, als Frau von XY vorgestellt zu werden, würde mich auch zu Recht anpissen, weil man sich da nicht wirklich ernst genommen oder wertgeschätzt fühlt als besonderer, individueller Mensch.
Hand aufs Herz, braucht Punk wirklich eine Frauenquote? Oder gibt es andere Lösungen?
Ich trage natürlich weiterhin sehr gerne persönlich mit meiner Anwesenheit dazu bei, die Frauenquote auf sämtlichen Bühnen zu steigern, aber nur wenn ich meine drei Bandkollegen mitnehmen darf. Bei uns ist die neue Konstellation – eine Frau und drei Männer – auch purer Zufall. Auf meiner letztjährigen Suche nach Gitarre und Bass spielte das Geschlecht für mich keine Rolle, sondern in erster Linie, dass wir uns verstehen und musikalisch auf einer Wellenlänge liegen. Jeder Mensch, ob Frau, ob Mann, hat für mich dieselbe Daseinsberechtigung in der Szene, solange er oder sie kein Arsch ist. Ich denke, dass die Frauenquote primär nicht aufs Line-up bezogen werden, sondern ihre Anwendung auf die Veranstaltenden finden sollte. Je mehr Frauen hier mit in die Planung involviert sind, desto mehr wird, hoffentlich, auch nach Bands mit weiblicher Beteiligung gesucht. Dies trifft im Übrigen auch auf alle anderen Gruppierungen der Gesellschaft zu, aber es ging in deiner Frage um die Frauen, daher beschränke ich meine Antwort hierauf. Je diverser die Orga, desto diverser das Line-up, so zumindest die Hoffnung. Und wenn die Männer euch nicht reinholen, dann macht eben euren eigenen Laden auf!
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