DORKS

Foto© by Band

Offen, antidogmatisch und überraschend

Mit „Geschäftsmodell Hass“ erschien am 22. September das neue Album der bayrischen Metalpunk-Band DIE DORKS auf Demons Run Amok. Mit Frontfrau Lizal treffe ich mich eines frühen Morgens zwischen zwei Konzerten auf dem Datenhighway irgendwo zwischen Wuppertal und Niederbayern zum Kaffee.

Ihr spielt momentan viele Konzerte. Wo erreiche ich dich gerade?

Ich bin eben aufgestanden und habe mir einen Kaffee gemacht. Ich bin gerade daheim, denn ich bin gestern am späten Abend erst von unserem Gig beim Rock am Beckenrand zurückgekommen und heute Abend spielen wir als Headliner beim Die PARTEISommerfest im Backstage in München. Die Band ANALSTAHL, die du erst kürzlich für Ox #167 interviewt hast, ist auch dabei. Wir buchen unsere Konzerte inzwischen wieder komplett selbst. Wir spielten nach dem Lockdown im Jahr 2022 insgesamt 24 Konzerte, was nach dieser Zeit echt rekordverdächtig war. Zwanzig Konzerte davon habe ich bereits selbst gebucht, vier unsere ehemalige Agentur, so dass wir einvernehmlich entschieden haben, das Ruder in Sachen Booking wieder komplett selbst zu übernehmen. Ich habe sehr viel recherchiert und uns bei anderen Bands und Festival-Veranstaltern als Support oder für einen Slot angeboten, weil es für uns als eher kleine Band nach Corona echt schwierig geworden ist, alleine einen guten Club voll zu machen. Und weil wir in der Lage sind, auch mal spontan einzuspringen, klappt diese Praxis auch weiterhin ganz gut. Bons, unser Schlagzeuger, und ich arbeiten schon sehr lange in einer Einrichtung für behinderte Menschen, wo wir uns auch mal kurzfristig freinehmen können. Mark, unser Bassist, hat ebenfalls flexible Arbeitszeiten. Also, kleiner Werbeblock, man kann uns wirklich easy buchen, wenn irgendwo spontan mal ’ne Band ausfällt.

Apropos Corona: Wie habt ihr die Pandemie überstanden? Die Auswirkungen im Kulturbereich sind ja vielerorts weiterhin zu spüren.
Wir haben diese Zeit mit viel Musik überbrückt. Für mich war es völlig unverständlich, dass manche Bands in der Pandemie so unproduktiv waren. Zu Beginn der Pandemie, also 2020, haben wir uns als Band in der aktuellen Besetzung gefunden und die Zeit sehr intensiv fürs Songwriting genutzt. Und wenn man sich mal aufgrund aktueller Regelungen nicht treffen konnte, haben wir uns Songs zum Bearbeiten hin- und hergeschickt. 2021 haben wir das Album „Maschine von morgen“ veröffentlicht und hofften, damit auf Tour gehen zu können. Aber die Pandemie hielt leider an. Irgendwie mussten wir also die Zeit weiterhin totschlagen. Daher habe ich mit Mark, unserem Bassisten, ein paar Akustiknummern erarbeitet, die wir im Frühjahr 2022 digital veröffentlicht haben. Ursprünglich hatten wir die Idee, auch mit dem Akustik-Set ein paar Shows zu spielen. Aber seit die Pandemie offiziell für beendet erklärt wurde, können wir ja endlich wieder zu dritt als Rockband touren. Für uns ist jedes Festival oder jede gute Support-Show wichtig, damit uns auch neues Publikum hören kann. Selbiges muss ja jeden Monat den Lohnzettel checken, auf wie viele Festivals und Konzerte es überhaupt gehen kann, weil alles so teuer geworden ist. Und wer die DORKS noch nicht kennt, wird wohl kaum zu einer Headliner-Show von uns gehen, weil er das übrige Geld am Ende des Monats eben für ein Ticket seiner Lieblingsband sparen muss.

Sind bei euch in Bayern viele Strukturen im Kulturbereich weggebrochen?
Die Pandemie hat auch in Bayern wie überall in Deutschland viele Clubs und Festival-Veranstalter zerlegt. Außerhalb von München ist es aber prinzipiell schwierig für uns zu spielen, weil es bei uns draußen kaum Locations gibt, wo dann auch wer hingeht. Es gibt das Silo1 in Töging – toller Club, aber auch die müssen einen großen Headliner buchen, um genug Tickets abzusetzen. Letzte Woche haben die DROPKICK MURPHYS dort gespielt. Das war sehr gut besucht, denn da kommen dann auch von auswärts viele Besucher:innen. Aber mit kleinen Bands machst du hier auf dem Land die Hütte nicht voll.

Kommen wir zum neuen Album: Bei DIE DORKS klingt keine Platte wie der Vorgänger. Wie würdest du „Geschäftsmodell Hass“ einordnen?
Das neue Album ist vor allen Dingen nicht komplizierter geworden. „Maschine von morgen“, der Vorgänger von 2021, ist musikalisch natürlich aufwändig komponiert, aber es sind sehr lange Songs, die meiner Meinung nach mehr zum Anhören und weniger tanzbar sind. Die Leute wollen vor allen Dingen ja auch immer einen catchy Refrain haben, um mitsingen zu können. Textlich düster gehalten, war es auch ein Ansingen gegen die Corona-Zeit und die Gedanken, die man da so im Kopf hatte. Beim neuen Album haben wir zwar auch unsere Fähigkeiten und musikalischen Vorlieben vollends mit eingebracht, aber unser Hauptaugenmerk darauf gelegt, Songs mit eingängigeren Refrains zu schreiben. Grundsätzlich ist die allgemeine Stimmungslage vor der Tür jetzt auch ein wenig positiver. Das Album bietet einen musikalischen Mix aus Rock und Metal, die punkige Attitüde ist meiner Meinung nach mehr in den Texten zu finden. Beim Songwriting fließen in die Texte die Dinge ein, die mich gerade beschäftigen. Egal, ob gesellschaftlich, persönlich oder wenn ich etwas aus einem Zeitungsartikel aufschnappe. Auch aus spontanen Ideen entwickeln sich Songs, etwa aus Gesprächen im Tourbus. Ich komponiere meistens eine erste Struktur eines Songs. Mark und Bons sind sehr gute Arrangeure, die ein sehr gutes Gespür für Songaufbau und Spannungsbögen haben. Mark schickt mir auch manchmal einzelne Riffs, aus denen ich dann wiederum ganze Songs und Harmonien komponiere. Ich war auch damals schon, als ich DIE DORKS gegründet habe, kein Rumpelpunk-Fan. Die ersten Platten, die ich gehört habe, waren Power Metal wie HELLOWEEN oder IRON MAIDEN, aber auch WIZO und SLIME, also generell immer schon technisch anspruchsvollere Sachen. Aber wir konnten das am Anfang noch nicht so umsetzen, was uns natürlich nach ein paar Jahren Erfahrung und in einer Besetzung, in der wir uns sehr gut mit unseren Fähigkeiten ergänzen, nun viel besser gelingt. Später kam bei mir dann auch das Interesse an härteren Spielarten der Rockmusik wie Thrash oder Death Metal hinzu. Der Musikgeschmack von uns dreien ist generell sehr breit gefächert und in den unterschiedlichsten Subgenres des Rock zu Hause. Deswegen bleibt es immer spannend und man kann nie wissen, wie die nächsten Songs werden. Ich denke, dass auch mein Gesang auf diesem Album abwechslungsreicher ist. Meine melodische Stimme ergänze ich nun auch mit rotzigen Shouts und Growls, je nach Stimmung des Songs.

Habt ihr das Album selbst produziert oder euch externe Unterstützung ins Studio geholt?
Wir produzieren unsere Demos selbst und sind uns gegenseitig im Moment des Probens immer die besten Kritiker:innen. Grundsätzlich kommen wir aber immer recht schnell auf einen gemeinsamen Nenner, wenn wir dann im Proberaum testen, ob das Lied auch live knallt. Spezielle theoretische Tipps habe ich mir über die Jahre bei meinem Gitarrenlehrer geholt und auch ein paar Gesangsstunden genommen. Ich denke, das hat mich die letzten drei Jahre noch mal einen Schritt weitergebracht. Mark spielt selbst auch noch Gitarre und Schlagzeug, so dass er als Bassist immer die Brücke zwischen mir und Bons bauen kann, weil ich manchmal sehr kompliziert erkläre, wie ich mir das Schlagzeugspiel vorstelle. Zudem hat er auch einige Jahre in diversen, stilistisch sehr unterschiedlichen Bands wie POLKAHONTAS, ESCHENBACH und den V8 WANKERS Erfahrung sammeln können. Bons hatte ebenfalls Unterricht bei verschiedenen Schlagzeuglehrern, was seine Fähigkeiten sehr vielfältig macht. Die Aufnahmen fürs Album machen wir dann aber immer in einem professionellen Tonstudio. Wir sind schon seit längerer Zeit bei Lukas Haidinger in Braunau, der „Geschäftsmodell Hass“ nach unseren persönlichen Vorlieben gemixt und gemastert hat. Wir wollten etwas weg von diesem modernen Metal-Produktionssound und etwas rockiger und erdiger klingen, mit mehr Bass-Wumms und natürlicherem Gitarrensound – so wie AC/DC 1980. Ich finde, dass uns der Sound auf dem Album ganz gut steht. Alle Instrumente und Nuancen sind klar zu hören und auch die Stimme ist präsenter und klingt meiner Meinung nach diesmal noch etwas natürlicher als bei unserer letzten Produktion. Ich bin kein Fan davon, wenn die Gitarrenwände alles überfahren, sondern dass alle Instrumente gleichwertig und homogen miteinander zu hören sind.

Sind Aktivitäten rund um den Release geplant? Geht ihr auf Tour?
Wir planen jeden Tag neue Konzerte und bieten uns bei Veranstaltern, Festivals und auch Bands an, meist als Support-Act, wo wir denken, dass wir musikalisch gut ins Line-up passen. Und da haben wir ja wohl eindeutig einen Vorteil mit unserem Stilmix. Eine eigene Headliner-Tour ist bisher nicht geplant, da das meiner Meinung nach nach bei unserem aktuellen Bekanntheitsgrad noch keinen Sinn hätte. Falls eine Band oder eine Agentur Bock hat, mit uns mal zu arbeiten: Wir sind superzuverlässig, haben eine komplett eigene Backline am Start und sind auch noch total umgänglich, außer es ist keine Kaffeemaschine vor Ort.

Ihr seid für eure klare politische Haltung bekannt. In den letzten Jahren wird intensiv über den Umgang mit sexueller Übergriffigkeit und anderen Formen geschlechtlicher Diskriminierung in unserer Szene debattiert. Teilst du meine Beobachtung, dass ein Bewusstseinswandel Richtung Gleichberechtigung und Diversität berücksichtigende Praxis eingetreten ist?
Ja, das nehme ich definitiv so wahr. Da bewegt sich schon was. Aber ich sehe das jetzt nicht nur im Bereich Punkrock, sondern generell im Musikbusiness, da wir ja auch auf Metal-Konzerten oder Festivals mit unterschiedlichen Genres unterwegs sind. Die Entwicklung ist gut, aber es funktioniert nur, wenn alle miteinander reden und zusammenarbeiten. Gegenseitige Vorwürfe und Beleidigungen helfen da aber wenig. Ich habe mich zum Beispiel auf dem diesjährigen Ruhrpott Rodeo sehr wohl gefühlt. Das war wirklich eines der geilsten Festivals, auf dem wir je waren. Alex Schwers und seine Crew waren top organisiert und superfreundlich zu uns. Auch vor der Bühne unter den Besucher:innen herrschte eine entspannte Atmosphäre. Gerade beim Ruhrpott Rodeo habe ich in diesem Jahr ein wirklich tolles, abwechslungsreiches und auch diverses Line-up wahrgenommen und auch im Ox-Fanzine gibt es doch jedes Mal neue Bands zu entdecken. Und meiner Meinung nach werden gerade viele FLINTA* in Bands sichtbar gemacht. Zudem werden auch immer mehr Awareness-Teams eingerichtet. Beim Rock am Beckenrand war das gestern wirklich toll organisiert. Überall waren Schilder, die darauf hingewiesen haben, an wen man sich bei Problemen wenden kann. Das Thema wird meiner Meinung nach aktuell von den Veranstalter:innen sehr ernst genommen.

Was unternehmt ihr, damit eure Konzerte Save Spaces für die Besucher:innen sind?
Wir waren zuletzt mit einer sehr netten Fotografin unterwegs, die gesagt hat, dass sie sich bei uns sehr wohl gefühlt hat, weil wir alle so nett miteinander umgehen und nicht nur Männer in der Band sind. Das Feedback hat mich gefreut. Vielleicht gehen andere rüpelhafter miteinander um? Uns wird auf Konzerten jedenfalls zurückgemeldet, dass wir angenehme und umgängliche Menschen sind und man sich in unserer Gegenwart gut fühlt. Wir sprechen auch viel am Merchstand mit den Leuten. Und sagen wir es mal so: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wenn ich von der Bühne aus sehe, dass da irgendein Arsch im Publikum ist, würde ich selbstverständlich etwas sagen und dafür sorgen, dass der rausfliegt. Aber weil das von der Bühne aus nicht immer zu sehen ist, sind auch gute, geschulte Securitys wichtig, die dann eingreifen können. Das ist dann Aufgabe des Veranstaltungsteams, hier für eine gute Organisation zu sorgen.

Bleiben wir noch einen Moment bei der Politik. Im Oktober stehen in Bayern Landtagswahlen an. Wagst du eine Prognose, wie die Wahl ausgehen wird? Und welche Themen prägen den Wahlkampf?
Die Hegemonie von CSU und Freien Wählern zu brechen, dürfte schwierig werden. Und es gibt immer noch einen starken Zuspruch für die AfD hier. Hier auf dem Land sehen viele die AfD immer noch als Protestpartei und deren Wahl als Möglichkeit, Unzufriedenheit auszudrücken. Manchen würde ich auch nicht unterstellen wollen, dass sie extrem rechts sind. Ich denke, sie sind einfach nur doof und ihre einzige Angst im Moment ist, dass man ihnen ihr Schnitzel und den Diesel wegnehmen will. Deswegen werden Hubert Aiwanger und die Freien Wähler als einzig wählbare Option angesehen, weil der ja nicht ganz so radikal sei wie die AfD und die Grünen. Es hängen schon penetrant viele Plakate von dem in der Gegend, fällt mir auf. Auf der anderen Seite erlebe ich aber auch, dass es hier genauso viele Leute gibt, die die Positionen von CSU und AfD nicht teilen. Aber Hegemonien werden damit noch nicht angegriffen. Grundsätzlich befürworte ich aber jeglichen Versuch, sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner anderen Menschen anzunähern, und seien sie in manchen Punkten noch so unterschiedlich. Vor einigen Jahren haben wir bei uns auf dem Dorf herausgefunden, dass ein örtliches Lokal eine Blood & Honour-Veranstaltung durchführen wollte. Zu meiner Überraschung war es dann der konservative katholische Frauenbund, der diese Information wichtig fand und dem Wirt deutlich gemacht hat: „Wenn Blood & Honour kommt, kommen wir nicht mehr zu euch. Wir wollen keine Gewalt hier im Dorf.“ Ich finde es wichtig, dass man gerade auch mit potenziellen Protestwählern oder konservativen Nachbarn im Gespräch bleibt und ihnen zum Beispiel mal das Parteiprogramm der AfD zeigt. Gerade das Frauenbild und die alten deutschen Werte – wollt ihr das wirklich, was diese Ewiggestrigen fordern? Wollt ihr zurück ins Mittelalter? Man muss nach kleinen Gemeinsamkeiten in der Weltanschauung suchen und einfach miteinander reden, um kleine Veränderungen im Denken und letztendlich auch bei zukünftigen Wahlergebnissen zu bewirken. Wie die Wahl ausgehen wird? Es bleibt spannend.

Schnellantwort-Runde: Welches sind deine aktuellen drei Lieblingsalben?
Das letzte SLIME-Album finde ich sehr geil. Ich höre momentan viel SUICIDAL TENDENCIES, nicht neu, aber macht gerade Bock. Neue coole Entdeckung im Thrash Metal sind TRAITOR. Hören sich für mich wie alte KREATOR an. MANTAR haben mich neulich auch sehr beeindruckt, als ich mir mal deren Live-Videos auf YouTube angeschaut habe. Unfassbar, wie man als Duo live so eine Power rüberbringen kann.

Und noch eine Runde: Beschreibe DIE DORKS in drei Begriffen.
Erstens: Offen für neue Einflüsse. Zweitens: Antidogmatisch. Wir lassen uns nicht in irgendwelche Szene-Schubladen stecken. Drittens: Überraschend.