Wenn eine Hardcore-Band nach fast zehn Jahren ihr wohl aggressivstes und ausgereiftestes Album veröffentlicht, geschieht das sicher nicht ohne Grund. Wenn die Musik zum ersten Mal nicht nur nach Party klingt und die Band dann noch DEEZ NUTS heißt, muss etwas vorgefallen sein. JJ Peters ist Vater geworden, zwischenmenschliche Kälte macht sich vielerorts breit und auch das exzessive Touren hinterlässt seine Spuren. Warum es zu Hause zwar irgendwie am schönsten ist, er aber dennoch am liebsten auf Tour ist, erklärt der Sänger im Interview.
Lass uns mit etwas Sentimentalem beginnen: Ihr habt vor zehn Jahren eure erste EP veröffentlicht. Ist bis jetzt alles so gelaufen, wie ihr es euch damals ausgemalt habt? Hättest du gedacht, dass ihr mit „Binge & Purgatory“ ein Album veröffentlicht, das nicht auf den ersten Blick als typische DEEZ NUTS-Platte durchgeht?
Als wir 2007 unsere erste 2-Song-EP aufgenommen haben, auf die direkt der erste offizielle Release in Form einer 5-Track-EP folgte, dachte sicher keiner von uns daran, dass wir überhaupt zehn Jahre als Band durchhalten würden. Ich bin wirklich überglücklich, dass sich die Dinge, zumindest musikalisch und was die Band betrifft, so positiv für uns entwickelt haben, dass es tatsächlich Leute gibt, die uns unterstützen und sich sogar über unsere Musik freuen. Ich liebe Musik selbst über alles und habe meine Helden. Dass jemand mal DEEZ NUTS als Einfluss angeben würde, davon hätte ich nicht mal zu träumen gewagt.
Inhaltlich und auch musikalisch hebt sich euer neues Album von den bisherigen Veröffentlichungen ab. Wieso ist „Binge & Purgatory“ kein Party-Album geworden?
Nun ja, es ist auf jeden Fall das erste Album ohne einen reinen „Partysong“. Ich habe das Gefühl, dass unsere letzten Platten immer aggressiver wurden und so die Zeichen schon seit einiger Zeit weniger auf Party standen. „Word Is Bond“ zum Beispiel war unserer Meinung nach schon ein recht düsteres und ernstes Album, das aber immer noch das eine oder andere Element beinhaltete, welches auf die Gute-Party-Zeit hindeutete. So ist diese Entwicklung vielleicht niemandem so krass aufgefallen. Ich habe das Thema für mich persönlich abgehakt und wollte mit „Binge & Purgatory“ neue Inhalte ansprechen und ausprobieren.
Die Platte ist nun schon ein paar Wochen raus. Welches Feedback habt ihr bisher bekommen?
Ich bin sehr zufrieden mit den Reaktionen, die ich bis jetzt gelesen und gehört habe. Ein paar Reviews waren die besten, die wir je für eine DEEZ NUTS-Platte erhalten haben. Unsere Freunde haben sich auch positiv geäußert, aber da habe ich auch nichts anderes erwartet. Selbst wenn die Reaktionen negativ ausgefallen wären, wir geben da nicht wirklich viel drauf. Ich bin sehr stolz auf „Binge & Purgatory“ und freue mich darüber, wie die Songs geworden ist.
Sind denn deine Erwartungen bezüglich der Platte erfüllt worden?
Als Band hast du es ja in der Hand, deinen Output so zu gestalten, wie du es willst. Du kannst so lange daran herumschrauben, bis du wirklich zufrieden bist – oder die Kohle fürs Studio verbraucht ist. Wir waren uns während der Produktion eigentlich immer und vor allem schnell einig, wie sich die Songs anhören müssen, um uns zufrieden zu stellen. Ich könnte dir jetzt sagen, dass „Binge & Purgatory“ das bislang beste DEEZ NUTS-Album geworden ist. So spricht jeder Musiker über sein aktuelles Werk. Aber wie schon gesagt, ich bin sehr stolz auf das Ergebnis. Am besten gefällt mir wohl „Carried by six“. Als es um die Lyrics zu dem Song ging, hatte ich keine Ahnung, wie ich überhaupt anfangen sollte. Ich habe dann versucht, meine Komfortzone zu verlassen und mich dem anders zu nähern. Schlussendlich habe ich mich selbst überrascht. Der Song ist zwar nur kurz, dafür aber ein Banger.
„Binge & Purgatory“ wirft als Titel ein paar Fragen auf. Das Wort „Purgatory“ steht für das Fegefeuer. Wie kann man das auf euch beziehen?
Mit dem Titel habe ich unseren Tour-Lifestyle auf den Punkt gebracht: „Gelage und Fegefeuer“. Trotz unseres fortschreitenden Alters haben wir noch immer eine Menge Spaß auf Tour. Trotzdem denke ich total oft, wenn wir unterwegs sind, dass ich eigentlich lieber zu Hause wäre. Andersherum ist es genauso: Wenn ich daheim bin, verspüre ich den Drang, gleich wieder loszufahren.
Und welcher Song macht dir zur Zeit live am meisten Spaß?
Ich denke, aktuell ist das „Purgatory“, ein Track mit einem wuchtigen, ansteckenden Groove. Im Sommer, auf unserer Europatour, werden wir sehen, was live am besten funktioniert. Festivals sind da immer ein guter Indikator.
Ihr habt ein paar Hardcore-Größen für Gastauftritte auf „Binge & Purgatory“ gewinnen können, unter anderem Scott Vogel von TERROR. Wie kam das zustande?
Wir haben das Glück, dass viele Sänger, die wir quasi als Fans verehren, mittlerweile zu unseren Freunden zählen und nur noch einen Telefonanruf entfernt sind. Dazu kommt, dass wir schon recht lange daran interessiert waren, spannende Gäste an unseren Alben mitwirken zu lassen. Beide Seiten sollen davon profitieren. Dieses Mal waren es Scott und Jamey Jasta von HATEBREED.
Wirklich cool ist das Artwork der Platte.
Wir wollten verschiedene Dinge auf mehreren Ebenen miteinander vermischen. Sowohl die Songs als auch das Design sollten heavy, aber auf eine Weise auch künstlerisch anspruchsvoll sein. Bisher habe ich die Cover immer hauptsächlich in Schwarz und Weiß gehalten und die Fotos als Grundlage benutzt. Dieses Mal ist es durch die Rot- und Rosatöne fast schon das Gegenteil. Ich finde das Covermotiv sowohl schön als auch irgendwie ekelhaft.
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