DARK SHADOWS

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Ich möchte ein Eisbär sein

Brigitte Handley und ihre Band THE DARK SHADOWS aus Sydney, Australien mischen auf ihrem aktuellen Album „Autumn Still ...“ Punk, Wave/Goth und eine Spur Psychobilly-Reminiszenzen zu einem düsteren, magischen und doch eingängigen Sound, der an Patti Smith, Penelope Houston, CURE, SISTERS OF MERCY, BLONDIE, (frühe) BANGLES, COCTEAU TWINS, THE NUNS und SIOUXSIE & THE BANSHEES erinnert. Sie sind seit Jahren Dauergäste auf europäischen Bühnen, so dass es nicht wundert, dass Brigitte mittlerweile ziemlich gut Deutsch kann. Das Interview führten wir dennoch auf Englisch.

Brigitte, wann hast du „Eisbär“ zum ersten Mal gehört und warum habt ihr es gecovert?


Wir stolperten über „Eisbär“ und GRAUZONE, als wir in Europa auf Tour waren. Ich erinnere mich daran, dass der Song irgendwo in Deutschland in einem Club gespielt wurde, kurz bevor wir auf die Bühne gingen. Wir haben sofort den DJ gefragt, wie der Song heißt und von wem der ist. Von einem Freund bekam ich dann die Maxi-Single und es war einer dieser Songs, die ich immer und immer wieder laufen ließ ... Es ist wirklich auf seine spezielle Art ein perfekter Popsong aus dieser Zeit. Alles daran ist einfach so cool und GRAUZONE haben solch eine fantastische Atmosphäre und einen Sound eingefangen, es zieht dich wirklich in den magischen Moment der Entstehung und der Zeit hinein. Ich liebe einfach den Klang der deutschen Sprache und finde, sie ist sehr musikalisch. Gerade Schweizerdeutsch fließt und schwingt so sehr, dass es fast ein eigener Song ist. So habe ich angefangen, aus Spaß mit „Eisbär“ rumzuspielen und es hat mich herausgefordert zu sehen, wie es sich anfühlt in einer anderen Sprache zu singen ... An sich war es am Anfang ziemlich schwer, auch wenn es nicht so viel Text ist. Und als ich es dann grob drauf hatte, haben wir es mit der Band ausprobiert. Wir hatten keine Ahnung, dass das Original von GRAUZONE so ein Kulthit in Europa war, bis wir angefangen haben, es dort live zu spielen. Die Leute kamen auf uns zu und sagten: „Woher kennt ihr Aussies diesen Song? Hier wurde er tot gespielt, aber wir mögen eure Interpretation.“ Eigentlich war ich so nervös, ob die Leute meinen Versuch, in ihrer Sprache zu singen, überhaupt verstehen, und natürlich hatten wir den Ehrgeiz, die großartige Originalversion von GRAUZONE in unserem eigenen DARK SHADOWS-Stil zu interpretieren, ohne das Wesen des Originals zu verlieren. Wir hatten richtig Spaß an der ganzen Sache und spielen den Song wirklich gerne live.

Ich habe das erste Mal 2009, als „Darkness Calls ...“ in Europa rauskam, von euch gehört. Kannst du uns was über deinen musikalischen Background und die Geschichte von DARK SHADOWS erzählen?

Ich bin mit einem vielseitigen Musikgeschmack großgeworden, von Klassik über alte Hollywood-Musicals bis hin zu Punk und Rock’n’Roll, von den Fünfzigern bis in die Achtziger. Mich hat nie besonders beeinflusst, was gerade um mich herum passierte, ich war lieber in irgendwelchen Secondhand-Läden auf der Jagd nach obskuren Vinylschätzen. Carly und ich haben uns bei einem Konzert in Sydney getroffen. Ich arbeitete an einigen Liedern und suchte nach jemand für Bass und Schlagzeug. Carly hatte in einigen Garage-Bands gespielt und wir mochten das gleiche Zeug. Also habe ich sie gefragt, ob sie Bass spielen möchte. Zum Glück sagte sie ja. Wir spielten eine Zeitlang nur zu zweit so rum und dann kamen und gingen einige Drummer, bis wir Ned getroffen haben, der zu dieser Zeit noch bei einer anderen Band war. Aber gerade, als unser Drummer uns verließ, löste die sich auf, und wir fragten Ned, ob er bei uns mitmachen möchte. Und das war wirklich das letzte Puzzleteil und die offizielle Geburt von DARK SHADOWS. Bis jetzt ist es wie ein unglaublicher Traum und ich bin sehr glücklich, so coole Komplizen zum Musik machen gefunden zu haben ...

Du kommst aus Sydney. Gibt es dort eine Goth-Szene und gute Bands, die du empfehlen könntest?

In Australien brodelt immer etwas unter der Oberfläche ... Wir sitzen quasi auf unserem eigenen Felsen und die Alternative-, Indie- und Undergrounds-Szenen ziehen an uns vorbei. Abgesehen von den Großstädten hat Australien eine geringe Bevölkerungsdichte, aber gerade das macht es sehr interessant, weil die Genres sich mehr vermischen und nicht so abgetrennt in einer jeweiligen „Szene“ bleiben. THE NIGHT TERRORS sind eine coole Band aus Melbourne, mit Miles Brown, einem fantastischen Thereminspieler. Ich habe ihn kürzlich bei einem Konzert in Sydney erlebt, als er auf die Bühne kam und mit der italienischen Band GOBLIN auf dem Theremin spielte, die den Soundtrack zu dem Film „Suspiria“ gemacht haben. BAT NOUVEAU sind ein cooles Deathrock-Duo, die uns in Brisbane supportet haben, und THE WRATH sind eine andere coole Band, mit der wir in Oz viel getourt sind. Es gibt eine ganze Menge neuer Bands, über die die Leute reden, wie MASSES oder WHITE HEX. Ich kann es kaum erwarten, die mal wieder live anzuschauen.

Was hat es mit euer Verbindung zur Psychobilly-Szene auf sich, die sich ja durch euren Sound nicht so recht erklären lässt?

Wir sind, was das angeht, eine merkwürdige Band, die Grenzen zu überschreiten scheint, indem wir in vielen verschiedenen Subkulturen Fans finden. Vom ersten Tag an haben wir einfach nur unser eigenes Ding gemacht und Spaß daran gehabt, zusammen mit Bands aus den Bereichen Punk, Indie, Psychobilly oder Metal aufzutreten, was es für uns viel interessanter macht. Ich habe früher eine Menge Psychobilly gehört und stehe immer noch darauf, Bands wie DEMENTED ARE GO, THE QUAKES, FRENZY und BATMOBILE live zu sehen, wenn es die Gelegenheit gibt. Aber so sehr wir diese Szene lieben und respektieren, DARK SHADOWS gehen wirklich ihren eigenen Weg. Ich meine, die ursprünglichen Bands dieser Szene haben seinerzeit dasselbe getan und deshalb klingen sie heute immer noch großartig.

Euer neuestes Album „Autumn Still ...“ wirkt sehr ausgefeilt, ist sehr ausgereift in Songwriting und Produktion. Wie seid ihr das angegangen?

Wir arbeiten wirklich hart am Songwriting und am Sound, damit er passt und sich für jeden bei den Aufnahmen richtig anfühlt. Meistens haben wir erst nur eine vage Idee, die wir bis zu einem gewissen Punkt akustisch ausarbeiten, und dann setzen wir es im Proberaum konkret um. Es ist immer eine Art Expedition, bis wir wissen, wie die Songs am Ende aussehen, und ich denke wirklich, dass jeder ein Eigenleben entwickelt, und sich dreht und wendet, bevor er in die große, weite Welt entlassen wird. Bei „Autumn Still ...“ wollten wir die Eindrücke erkunden und Gefühle und ausdrücken, die wir auf unseren letzten Reisen gewonnen haben. Es ist eine Sammlung von Sounds, Bildern und Emotionen, aus denen ein Soundtrack zu unseren Gedanken entstand. Eine Art Flucht an einen ruhigen Ort, weit entfernt von dieser aufgeregten Zeit, wo wir nur durch die Maschinerie, die Gier und all diese unnatürlichen Dinge tyrannisiert und bestimmt werden und in der so wenig Zeit für menschliche Beziehungen und Inspiration zu bleiben scheint. Es ist wie ein Spaziergang im Regen, es geht darum, den Regentropfen auszuweichen und die trockenen Stellen zu finden.

„Autumn Still ..“ erinnert mich sehr an das großartige Album „4 Days In A Hotel Room“ von THE NUNS – Jennifer Miro starb im Dezember 2011, wusstest du das?

Ja, rest in peace, Jennifer Miro. Ja, sie waren eine coole Band und das ist ein nettes Kompliment, aber das ist nichts, was wir bewusst aufgegriffen haben.

Man hat den Eindruck, ihr seid pausenlos auf Tour, besonders in Europa. Und es scheint, als ob dein Deutsch immer besser wird ... Wie kommt’s?

Immer besser? Das hoffe ich. Die deutsche Sprache ist für mich sehr schwer, aber sie klingt gut, besonders in der Musik, haha. Nun ja, ich glaube, als kleine Band aus Australien ist es das Beste, möglichst viel auf Tour zu gehen. Und so anstrengend es auch sein mag, und so sehr uns jede Tour herausfordert, wir lieben es wirklich, live aufzutreten, am anderen Ende der Welt genauso wie natürlich bei uns zu Hause. Die Leute in Europa und Großbritannien waren so gut zu uns und wir haben so viel Aufregendes dort erlebt, aber wir hatten wirklich auch wunderbare Zeiten beim Touren in Australien, Japan und den USA, und wir sind so glücklich, dass wir die Chance haben, einfach unserem Herzen folgen und unsere Musik in den verschiedensten Ecken der Welt spielen zu können.

Zum Schluss wüsste ich gerne noch deine Top Five der Goth/New-Wave-Alben.

Das sind immer schwierige Fragen, weil es so viel gutes Zeug aus dieser Zeit gibt. Es ist unmöglich, das auf fünf einzugrenzen ... Aber los geht’s: „Phantasmagoria“ von THE DAMNED ist definitiv ein Favorit. Es ist Vanians Stimme, so tief, so dunkel, so mysteriös, wenn er etwa singt: „Don’t be afraid to be caught in the shadow of love“ ... Dann KRAFTWERK und „Die Mensch Maschine“, das ist heute genau so relevant wie damals, vielleicht sogar mehr: „Wir sind die Roboter“, schau dich einfach um! „In The Flat Field“ von BAUHAUS: diese Rasierklingen-Gitarren, kombiniert mit dieser Stimme, die Intensität, die Energie ... magisch! DEVO und „Q: Are We Not Men? A:We Are Devo!“: ein großartiges Album mit Themen, die für die heutige Gesellschaft noch relevant sind. Und schließlich THE CURE und „Seventeen Seconds“: so viele großartige Sounds und eine unvergleichliche Atmosphäre ergeben ein Album, das man bis in die frühen Morgenstunden laufen lassen kann.