Wenn Danko Jones die Presse zusammen trommelt, um zu seinem Tun Rede und Antwort zu stehen, dann ist Hektik angesagt. Kein Wunder, hat sich das Interesse an der nach ihm benannten Band in den letzten Jahren doch vor allem deswegen gesteigert, weil das Trio fünf Jahre mehr oder minder durchgehend auf Tour war und eine Schar von Alben veröffentlichte, denen nach und nach immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Und während die letzten beiden Alben „We Sweat Blood“ und „Sleep Is The Enemy“ noch deutlich unbequeme Kanten aufwiesen, die Grund gewesen wären, DANKO JONES nicht im Radio zu spielen, kredenzt die Band mit dem neuesten Langspieler „Never Too Loud“ eine kleine Kurskorrektur. Die Kanten hat man abgeschliffen und eine bisher ungekannte Poppigkeit hat im Hause DANKO JONES Einzug gehalten, wo sie sich mit stampfenden Gitarren, treibenden Drums und einem neuerdings sehr viel singenden Danko Jones vereint. Ehrlich, man muss sich in dieses Album reinhören und wenn man die Sleazeparts, die vielen melodischen Bögen und mit „Take me home“ auch den schmalzigen Stadionrocker zu- und auf sich wirken lässt, dann merkt man, dass „Never Too Loud“ ein Grower ist. Findet übrigens auch Danko, der zum Zeitpunkt unseres Telefonats in München weilt, wo er nach einer Woche Promotion-Rundreise Halt macht und sogleich erzählt, dass es bald nach Kanada weitergeht, um ein Video zu „Take me home“ zu drehen.
Danko, ich will dich nicht angreifen, aber dass ihr „Take me home“ nach „Code of the road“ als zweite Single veröffentlicht ist ja fast vorhersehbar, so balladesk wie der Song ist.
Bitte, was? Ich verstehe ja, dass man gerade bei dem Song meint, eine Differenz zu früheren DANKO JONES-Sachen festzustellen. Aber komm, eine Ballade ist der Song nun wirklich nicht! Das ganze Album „Never Too Loud“ ist ein Hardrock-Album und so ist „Take me home“ auch ein Hardrock-Song, und ich könnte dir eine ganze Menge Songs nennen, die sehr viel seichter als „Take me home“ sind und von denen dennoch gesagt wird, sie seien Hardrock-Songs. Von Bands, die allgemein als sehr hart wahrgenommen werden.
Was ist denn die Differenz zwischen "Take me home“ und euren früheren Songs?
Nun, der Song ist kein radikaler Kontrast zu unseren früheren Stücken. Er ist nur in gewissen Details anders. Sieh es mal so: „Take me home“ hat Bass, Gitarre und Drums. Allein deswegen ist er schon ein Rocksong. Ich singe in dem Song und auf dem ganzen Album „Never Too Loud“ aber viel mehr als früher, und ich denke, dass dies den Unterschied macht und man „Take me home“ daher als etwas sanfteren Song wahrnimmt. Aber ehrlich, eine Ballade ist das auf keinen Fall! Ein DANKO JONES-Grundsatz ist: wir spielen keine Balladen!
Verneinen kann man trotzdem nicht, dass ihr bei „Never Too Loud“ die Poppigkeit aufgreift, die auf „Sleep Is The Enemy“ schon anklang, dass ihr sie aber noch sehr viel deutlicher betont.
Stimmt, in der Band steckt heute mehr Melodie als früher. Und das fing mit „Sleep Is The Enemy“ gewissermaßen an. Auf dem Album sang ich mehr und schrie nicht soviel wie zuvor. Diesen Pfad gehen wir mit „Never Too Loud“ weiter, denn ich singe noch mehr und die ganze Band spielt viel mehr Melodien als früher. Dazu kam es, weil wir dieses Album in einer größeren Ruhe geschrieben haben als die Vorgänger „Sleep Is The Enemy“ und „We Sweat Blood“. Bevor wir an „Never Too Loud“ arbeiteten, waren wir ja mehrere Jahre mehr oder weniger ununterbrochen auf Tour. Und dieses permanente Touren bedeutete für die beiden Vorgänger-Alben, dass wir sie nebenher schreiben und aufnehmen mussten. Wenn du es so willst, quetschten wir die Entstehungsprozesse beider Platten also in unseren Zeitplan hinein. Das sollte sich mit „Never Too Loud“ ändern. Wir nahmen nach den Touren frei, haben zwei Monate nicht geprobt und begannen dann, regelmäßig und in Ruhe an den neuen Songs zu schreiben. Vier oder fünf Monate arbeiteten wir also in aller Ruhe und konnten so sehr viel über die Songs, Melodien und Gesangslinien nachdenken.
Du klingst fast so, als würdest du es bedauern, dass ihr sowohl „Sleep Is The Enemy“ als auch „We Sweat Blood“ in Hektik geschrieben habt.
Vielleicht tue ich das auch ein wenig. Weißt du, gerade jetzt, wo wir dieses Album in Ruhe geschrieben haben, begann ich mich zu fragen, ob wir bei den beiden Alben das volle Potenzial ausgeschöpft haben.
Und zu welchem Schluss bist du gekommen?
Vielleicht haben wir damals wirklich an Qualität eingebüßt. Bei beiden Alben hatte ich vor der Fertigstellung fast Nervenzusammenbrüche, weil alles so hektisch war. Touren hier, Konzerte da, dann aufnehmen, mixen, mastern. Es ging alles wahnsinnig schnell und stresste irgendwann sehr. Als die Alben fertig waren, konnte ich es kaum glauben, dass wir es geschafft hatten. Jedoch finde ich heute, dass die Alben gut genug waren, um veröffentlicht zu werden. Gleichzeitig wäre aber noch mehr drin gewesen.
Du hast in mehreren Interviews betont, dass du für das Herunterladen von Musik bist. Es wird gemunkelt, dass deine liberale Haltung auch gegenüber illegalen Download-Plattformen Grund genug war, dass Universal Kanada, welches eine zeitlang euer Label in Kanada war, euch rausgeworfen hat. Was ist an der Geschichte dran?
Es ist so, dass ich mir unseren Rausschmiss bei Universal Kanada nicht anders erklären kann. Als sie uns rauswarfen, gaben sie keine Gründe dafür an. Jedoch war ich kurz vor unserem Rauswurf bei einer Panel-Diskussion über Downloads im Fernsehen, wo ich mit dem Präsidenten der Canadian Recording Industry Association debattierte, einem Lobbyverband, der im Wesentlichen die Interessen der Majorlabels in Kanada vertritt. Er war natürlich gegen das Herunterladen von Musik und ich sagte ihm, dass er die Klappe halten sollte. Kurz darauf flogen wir bei Universal Kanada raus und ich denke, dass mein Vorstoß gegen Brian Robertson, den CRIA-Präsidenten, der Grund dafür war. Das Witzige an dieser Geschichte ist, dass wir durch unseren Rauswurf viel mehr Presse bekamen, als wir jemals vorher durch Universal Kanada bekommen hatten. Dadurch wurde die Geschichte richtig peinlich für sie, was mich wiederum froh machte.
Um beim Thema Downloads zu bleiben - bist du nach wie vor ein Befürworter auch illegaler Downloads?
Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man versucht, dieses Thema zu durchleuchten. Aus der Sicht eines Mitarbeiters bei einem Majorlabel ist es ganz klar: Downloads sind der Grund, warum dein Job auf dem Spiel steht. Aus der Sicht einer Majorband, die nicht METALLICA, U2 oder R.E.M. heißt, ebenso: Downloads sind der Grund, warum du mit deinen Platten kein Geld mehr verdienst. Hier sind die Auswirkungen der Downloads also ganz klar negativ. Nimmst du nun die Perspektive einer Band wie uns ein, sieht es etwas anders aus. Denn den Bands auf dem B-Level haben Downloads geholfen, denn viel mehr Menschen kennen nun unsere Musik, weil sie sich die Songs einfach heruntergeladen haben. Darüber hinaus haben die Downloads die Rolle der Labels als Weiterverkäufer der Musik weitestgehend entwertet, weil sich die Kids die Songs selber aus dem Web holen. Alle Marketinganstrengungen und finanzielle Supports für eine Band, um bekannter zu werden, nützen den Labels immer weniger, weil die Bezugsquelle der Musik das Internet ist. Von daher kommt es auch aufgrund der Downloads immer mehr auf die Bands selber an. Sie müssen hart arbeiten, um die Kids von sich zu überzeugen. Von daher sieht es für viele Labels schlecht aus.
Hat es dich überrascht, dass EMI bekannt gab, über 2.000 Jobs zu kündigen?
Ich habe das gestern auch gelesen und nein, es hat mich nicht überrascht. Für die Majors sieht es im Moment nun mal ziemlich düster aus. Aber was EMI angeht, habe ich noch ganz andere Gefühle ... Ich will wirklich nicht zu persönlich werden und auch niemanden angreifen, aber in Kanada habe ich mehrere EMI-Mitarbeiter erlebt, die wirklich viel Mist über meine Band geredet haben. Deswegen hege ich da jetzt kein großes Mitgefühl wegen der Ankündigung, dass EMI Jobs streichen wird. Ich weiß, dass das kalt und herzlos klingt, aber warum sollte ich Mitgefühl für Menschen haben, die uns fünf Jahre lang ignoriert haben? Für mich bedeutet ein solches Ignorieren nun mal nichts anderes, als dass man meine Arbeit nicht respektiert! Außerdem kann ich dir unzählige Bands nennen, die über die Jahre von Majorlabels verarscht wurden. Eines Tages holt einen eben alles wieder ein.
Hast du keine Angst, dass die Downloads auch DANKO JONES eines Tages die Lebensgrundlage entziehen?
Nein, eigentlich nicht. Ich meine, klar, darüber nachgedacht habe ich auch schon. Aber wir sind ohnehin keine Band, bei der es allein auf die Platten ankommt. Wir sind ja eher eine Bühnenband und die Liveshow kannst du dir nicht herunterladen.
Warum in aller Welt seid ihr eigentlich mit NICKELBACK getourt?
Ganz einfach: Sie haben uns gefragt, ob wir nicht mit ihnen durch Kanada touren wollen und sie sind dort wahnsinnig groß. Alle Shows waren in NHL-Arenen gebucht und alle Shows waren ausverkauft, deswegen war die Tour wirklich eine Riesenchance für uns. Gleichzeitig verstehe ich es, dass es dir und anderen Leuten vielleicht komisch vorkommt, dass wir mit NICKELBACK getourt sind. Manche haben uns sogar davor gewarnt, diese Tour zu machen, einfach, weil NICKELBACK eben dieses Image haben. Aber diese Frage bringt mich eigentlich zu einem tiefer liegenden Punkt, nämlich meiner Kritik an Punkrock. Du darfst dies nicht tun, du darfst jenes nicht tun - in einer Subkultur, die sich eigentlich als offen und dem Grundverständnis nach regelfrei definiert, das passt für mich nicht zusammen. Es ist doch gerade mutig, sich neuen Herausforderungen zu stellen und aus dem Rahmen der bereits Konvertierten auszubrechen. Denn wir haben jeden Abend in einer ausverkauften Hockey-Arena vor Leuten gespielt, die keinen Schimmer hatten, wer wir waren. Klar, wussten wir, dass die meisten uns vielleicht auch schlecht finden würden. Aber nur im sicheren Rahmen bleiben und nur das tun, was mir erlaubt ist zu tun, das ist nichts für DANKO JONES.
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