CANCER BATS

Foto© by Band

Dirty vibes

Waren die Kanadier von CANCER BATS mit ihren vorherigen Alben schon auf einem guten Weg, sich in die Herzen derjenigen zu spielen, die sowohl auf Punkrock-Attitüde als auch heftigen Dreck und Mosh stehen, so haben sie sich mit „Psychic Jailbreak“ nun ihr eigenes Denkmal gesetzt. Trotz oder vielleicht gerade wegen des Verlusts eines wichtigen Bandmitglieds (keine Sorge, niemand ist gestorben) klingt die Platte so, als hätten sich METALLICA in den Achtzigern mit SUICIDAL TENDENCIES zum Dosenstechen in der eigenen Garage getroffen. Sänger Liam erzählt im Interview, wie es war, auf einmal mit zwei neuen Gitarristen auf der Bühne zu stehen, und dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit war, bis die Band dieses Album so oder so geschrieben hätte.

An „Psychic Jailbreak“ gefällt mir besonders der „Garage-Style“ und dass es so einfach und simpel gehalten ist. Ist das einfach passiert oder steckte Absicht hinter?

Es freut mich, dass dir die „dirty vibes“ gefallen. Darauf haben wir es definitiv angelegt. Wir wollten die rohen und dreckigen Seiten unserer Band einfangen und so den Fans zeigen, dass wir wieder da sind – die Party kann beginnen!

Lass uns direkt über den Elefanten im Raum sprechen, was ihr ja auch unheimlich charmant in eurem Video zu „Lonely bong“ karikiert: Die neuen CANCER BATS gibt es von nun an ohne festen Gitarristen, oder? Habt ihr, nachdem Scott die Band verlassen hat, eine Fuck-it-let’s-go-all-in-Attitüde entwickelt?
Ja, nachdem Scott die Band verlassen hat, haben wir gedacht, dass wir die Bat-Vibes jetzt erst recht richtig aufdrehen sollten. Da kann man wirklich von einer Fuck-it-Haltung sprechen. Wir übriggebliebenen drei wussten, was wir mit der Band noch erreichen können, und vor allem wollten wir endlich wieder Spaß dabei haben. Ich denke auch, dass wir nach unserer Akustik-EP alle Experimente mit melodischen Songs abgehakt haben und dass jetzt viel Raum dafür da war, die neuen CANCER BATS heavy und temporeich klingen zu lassen.

Wie fändest du es, wenn ich eure neue Platte und damit euren Sound mit REFUSED sowie Bands aus der Ära vergleichen würde, als SUICIDAL TENDENCIES noch wirklich relevant waren und METALLICA Bierbüchsen an ihren Köpfen zerdrückt haben?
Haha, ich liebe den Vergleich. Wir hören immer viel altes Hardcore- und Metal-Zeug, von dem wir uns dann inspirieren lassen. Das sind oftmals Bands, die uns beim schon Skateboarden sowie Bierdosen-Zerdrücken begleitet haben, als wir Teenager waren. Beim Schreiben des Titelsongs habe ich mir vorgestellt, wie die Leute dazu ihre Fäuste in die Luft recken und mit Bierdosen werfen.

Was steckt hinter dem Albumtitel „Psychic Jailbreak“?
Es geht darum, bezüglich vieler Dinge eine andere Betrachtungsweise und Perspektive einzunehmen. Es begann damit, dass mir bewusst wurde, wie wir mit dem Thema Zeit umgehen. Es wirkt alles immer sehr linear, obwohl es auch die Theorie gibt, dass sie eben gerade nicht linear und stringent verläuft. Das bezieht sich auf unser ganzes Universum, sowohl in seiner „Makro“- als auch „Mikro“-Struktur. Darüber hinaus fand ich ganz interessant, dass wir ja irgendwie auch außerhalb dieser Regeln und festgelegten Abläufe existieren.

Wie seid ihr durch die Pandemie gekommen? Haben euch Drogen geholfen, aus dem psychischen Gefängnis auszubrechen?
Ich selbst bin immer noch straight edge, also habe ich während der Pandemie nicht auf Drogen zurückgegriffen. Von Mike, unserem Drummer, weiß ich, dass er in den letzten Jahren auch mit dem Trinken von Alkohol aufgehört hat und lieber Weed raucht und an CANCER BATS-Songs arbeitet. Das war übrigens auch der Witz, der den Ursprung für unseren Song „Lonely bong“ darstellt: Mike war die einsame Wasserpfeife, die ihre Freunde vermisst hat. Ich kenne eine Handvoll Leute, die dem Alkohol abgeschworen haben und beim Abhängen ein bisschen Weed rauchen. Das sorgt für eine viel positivere Stimmung, und sie haben immer Appetit auf Snacks oder ein Eis zu essen. Ich will viel mehr solche Freunde, die einfach breit sind und Spaß haben.

Euer letztes Album „The Spark That Moves“ war gleichzeitig auch euer erfolgreichstes, zumindest wenn es nach den verkauften Einheiten geht. Seit Frühjahr 2020 seid ihr ja, so wie alle anderen, dazu verdammt gewesen, der Welt dabei zuzusehen, wie sie sich abschottet. Was hast du aus dieser Phase als Mensch und als Mitglied von CANCER BATS mitgenommen?
Das Wichtigste, das ich inzwischen gelernt habe, ist der Umstand, dass wir uns eigentlich Zeit mit dem Schreiben und Aufnehmen neuer Songs lassen können. Die Musikindustrie ist darauf aus, immer in Bewegung zu bleiben und ständig neue Sachen auf den Markt zu werfen. Dabei kann es überhaupt nicht schaden, sich auch mal wieder von etwas inspirieren zu lassen und darüber nachzudenken, was man selber noch so erreichen möchte und wo die Reise vielleicht hingehen könnte. Etwas auf die Bremse zu treten und an einem würdigen Nachfolger zu „The Spark That Moves“ zu arbeiten, hat einfach gutgetan.

In eurem Video zu „Lonely bong“ geht ihr darauf ein, dass ihr einen neuen Gitarristen sucht. Unter anderem spielt auch Wade MacNeil von ALEXISONFIRE eine Rolle, der euer Angebot „aus Zeitgründen“ ausschlägt. Ist das wirklich so passiert? Über Chris Cresswell von HOT WATER MUSIC und FLATLINERS heißt es dann, dass er zu „Ska“ für euch sei.
Haha, zuerst muss ich sagen, dass Wade uns nicht so abgesagt hat, wie es im Video gezeigt wird. Wir wussten, dass er einen vollen Zeitplan mit ALEXISONFIRE sowie seinem neuen Projekt DOOMS CHILDREN hat. Also war er als Vollzeitgitarrist bei uns nie eine Option. Es war unglaublich cool, mit ihm in der ganzen Welt unterwegs gewesen zu sein auf der Tour zu „The Spark That Moves“ und ich bin sehr froh, dass er zur Bats-Crew zählt.

In was für Locations würde eine Show zu „Psychic Jailbreak“ am besten funktionieren?
Ich bin bereit, mit diesem Album in jedem Laden zu spielen, wie groß oder klein er auch ist. Zuletzt haben wir sowohl in kleinen Bars als auch vor tausend Leuten gespielt.

„Psychic Jailbreak“ scheint mit seiner energiegeladenen Message genau das richtige Album für die Zeit des Aufbruchs nach der Pandemie zu sein. Die Leute sollen wieder mehr Spaß haben. Oder habe ich da was falsch verstanden?
Ich stimme dir voll und ganz zu und ich denke, dass damit der Vibe des Albums sehr gut beschrieben ist. Wir sind bereit, alles loszulassen und die euphorische Stimmung voll auszukosten. Natürlich soll sich das auch auf alle anderen übertragen.

Wo soll die Reise mit „Pschic Jailbreak“ hingehen?
Ich kann es, wie gesagt, kaum abwarten, endlich wieder live in Europa zu spielen. Neulich waren wir zusammen mit COMEBACK KID in Kanada auf einer ausverkauften Tour unterwegs, und ich gehe davon aus, dass wir dieses Energielevel bis zum Ende des Jahres und noch viel länger beibehalten werden. Wir haben mit Katie und Stevis an den Gitarren ein unfassbar gutes Line-up und wir sind absolut bereit, mit dem Album rund um den Globus zu brettern!